Heinz Kobald
Kemptener Str. 60
81475 München
München, 25. 02. 2008
089-74576876
kobaldheinz@aol.com
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Heinz Kobald - Kemptenerstr. 60 - 81475 München
Frau
Dr. Angela Merkel
Bundeskanzlerin
Dorotheenstr. 84
11044 Berlin
Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel !
Zum wiederholten Male kann ich nur meiner Enttäuschung Ausdruck geben, dass in den Reden der Bundesregierung zu Palästina die für Deutschland bestehenden Verpflichtungen des Geltenden Völkerrechts nicht ausgesprochen werden.
Unverständlich bleibt mir daher der Widerspruch zwischen den Antworten des Völkerrechtsreferats und den dazu fehlenden Worten in Ihren Reden, sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin.
Besonders, wenn Sie die Entwicklung in der Zukunft und dabei die in dieser "Kriegszeit" heranwachsenden Jugend im Auge haben.
Zitat:
»"Ich möchte die Beziehungen auf eine Plattform stellen, die in die Zukunft blickt", sagte sie nach einem längeren Gespräch mit Olmert im Kanzleramt.
Insbesondere der Jugendaustausch liege ihr am Herzen.« ( 1 )
Eine neue Meldung der Israelischen Friedensbewegung Peace Now gibt dem Jubiläum des Staates Israel für sein Bestehen seit 60 Jahren eine "besondere" Würde.
Zitat:
»Laut der israelischen Friedensbewegung Peace Now wurden nur 91 von 1624 Anträgen genehmigt.
Im Vergleich dazu seien von jüdischen Siedlern 18.472 Häuser und Wohnungen gebaut worden.« ( 2 )
Was sind "Besondere Beziehungen" ?
Ihre Inhalte und ihre Gestaltung sind zu hinterfragen.
Diese Redewendung ist stets im politischen Gebrauch, ihr augenscheinlicher Mangel ist aber eine genaue Definition. Sonst entwickelt sich dazu ein Reptilienfonds für ungesteuerte Emotionen.
Nicht alles, was im Gedenken an den Völkermord getan wird, geschieht im Geiste des Völkerrechts.
Darum darf bei der Gestaltung dieser Besonderen Beziehungen die Beachtung des Geltenden Völkerrechts nicht ausgeschlossen sein.
Insofern gerieten diese Besonderen Beziehungen tatsächlich auf ein ganz anderes Geleis der Besonderheit.
Damit aber verließe das Gedenken an die Opfer des Völkermordes an den Juden in der Geschichte des Deutschen Volkes seine der Ehrung verpflichtende Würde.
Die Deutsche Nation ist diesem Völkerrecht, das nach dem Zweiten Weltkrieg wegen der Unmenschlichkeiten des Deutschen Nationalsozialismus niedergeschrieben worden ist, besonders verpflichtet. Darin erkenne ich diese Besondere Verpflichtung, die der anderen nicht im Wege steht, sondern in die diese andere aufgrund ihrer geschichtlichen Bedeutung eingebettet ist.
Durch die Israelische Besatzung ist für Deutschland eine zweite Verpflichtung für Palästina entstanden.
Die eine Verpflichtung tun und die andere nicht lassen.
Doch vieles Reden und Handeln bemüht sich zu offensichtlich nur um die eine Besondere Verpflichtung als gäbe es die andere nicht.
Wir können nicht guten Gewissens in der Verpflichtung zu dem einen Freund in "Solidarität" aufgehen, ohne zu erkennen, dass mit denselben Ursachen ebenso das Schicksal Palästinas verknüpft ist.
Zitat:
»Doch der Holocaust dient nicht nur der Rechtfertigung für die Besatzung, fügt Zertal hinzu, auch Kritiker von außen an der israelischen Politik werden mit dem Hinweis auf die Judenvernichtung mundtot gemacht.
Sie haben den Holocaust immer vor Augen. Und wenn nicht, dann sorgen wir dafür, dass sie es nicht vergessen.
Wir benutzen das genauso wie den Vorwurf des Antisemitismus.
Jede Kritik an uns stufen wir sofort als antisemitisch ein.
Das ist Teil der politischen Taktik. Die gut funktioniert.
Was die Welt sich anderen Staaten gegenüber erlaubt, deren Verhalten ihr nicht gefällt, das nimmt sie sich niemals gegenüber Israel heraus.
Es ist uns wirklich gelungen, der Welt ständig den Holocaust als eine offene Rechnung zu präsentieren«. ( 3 )
An diesen offenen Worten von Frau Idith Zertal bestehen m.E. keine Zweifel.
Zitat:
»Und so spricht der Patriarch, selbst Palästinenser,
nur vom bedrängten Leben in den von Israel besetzten Gebieten. ( ... )
"Israel geht nicht den richtigen Weg zum Frieden", sagt er.
"Die Gewalt kommt von der Besetzung."
Er spricht von Verhaftungen, von Todesschüssen und Zerstörungen durch Israels Armee.
Er klagt über die internationale Politik, die Israel zu Füßen liege.« ( 4 )
Nach Meinung des Patriarchen, geht Israel den falschen Weg zum Frieden.
Würden Sie, geschätzte Frau Bundeskanzlerin, im Bewusstsein Ihrer Verpflichtungen aus dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und aus dem Geltenden Völkerrecht, Herrn Ministerpräsident Olmert auf diesem Weg begleiten?
Zitat:
»Ich kann die Menschen nicht vergessen, die ich in der Altstadt von Hebron an uns habe vorüberhuschen sehen. Diesen Palästinensern geschieht in ihrer Stadt schlicht gesagt ein furchtbares Unrecht. Ich habe ihnen angesehen, was sie von mir erwarten: dass ich nicht nur ein blinder Tourist oder ein sensationslüsterner Reporter bin; dass ich ihre gerechte Sache vor das Forum der deutschen Öffentlichkeit bringe; dass ich berichte, was ich mit eigenen Augen gesehen habe: Hier werden Menschen in ihrer eigenen Stadt rassistisch behandelt und durch die zu Stein und Stacheldraht gewordene Architektur einer Siedlung mitten in der Stadt gedemütigt und entrechtet. Und sie erwarten, dass ich um des Rechts und der Gerechtigkeit willen das nicht mit Schweigen übergehe!« ( 5 )
Die Besonderheit in der einen Beziehung nähert sich einem Punkt, in dem ihre Hervorhebung beinahe eine Handlungsunfähigkeit für das Elend auf der anderen Seite bezeugt.
Wir sind für das gesamte Geschehen in Palästina verantwortlich und können uns nicht allein der "Besonderheit" in der einen Verpflichtung hingeben.
Eine jährlich wiederholte Beschwörung der unbedingten Solidarität mit dem einen Freund schadet dieser Besonderheit in der Beziehung, wenn dabei das Geltende Völkerrecht zur Seite geschoben wird.
Diese Unbedingtheit darf es nicht geben, weil sie auch gegen die Grundsätze verstößt, die das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland einfordert.
Der UNO-Generalsekretär Ban Ki-Moon denkt folgerichtig in die Zukunft, die mit der Gegenwart schon beginnt - und in Palästina bereits vier Jahrzehnte in einer beschämenden Unwürdigkeit andauert.
"Die Lehren des Holocaust müssen kommenden Generationen vermittelt werden"
Zitat:
»Jedoch reicht es nicht aus, der Toten zu gedenken, sie zu ehren und zu betrauern.
Wir müssen die jetzige Generation aufklären und uns um sie kümmern.
Wir müssen in unseren Kindern ein Gespür für Verantwortung fördern, damit sie eine Gesellschaft aufbauen können, in der die Rechte aller Bürgerinnen und Bürger geschützt und gefördert werden.
Wir müssen ihnen Respekt vor Verschiedenheit einprägen, ehe sich Intoleranz entwickeln kann.
Wir müssen ihnen den Mut und die Mittel geben, damit sie angesichts von Bedrohungen die richtigen Entscheidungen treffen und entsprechend handeln können.« ( 6 )
Mit dem "beispielhaften" Verschweigen des Völkerrechts werden kaum die "Mittel" bereit gestellt, geschweige denn ein "Mut" geweckt.
Zur philosophischen oder psychologischen Frage, ob selbst erlittenes Unrecht dazu "zwingt", es zu wiederholen.
Zitate:
»Haben Opfer das Recht, Unrecht zu tun ?
Mein Vater hatte Auschwitz überlebt, meine Mutter die KZs im Baltikum.
Sie zogen mich in der Erkenntnis auf,
dass es die Wahl zwischen Gut und Böse gibt,
und jeder Mensch für seine Taten verantwortlich ist:
Sie erzogen mich in der Ethik der jüdischen Religion.
( ... )
Die Ermordung meiner Onkel und Tanten durch die SS -
gibt sie dem Staat Israel das Recht,
seit 40 Jahren die Diktatur eines Besatzungsregimes auszuüben?
( ... )
Gibt die Tatsache, dass wir europäischen Juden Opfer eines großen Unrechts wurden,
dem jüdischen Staat vor Gott und vor den Menschen das Recht,
nun Anderen Unrecht zu tun?
Können uns die Sonntagsreden am "Holocaust-Gedenktag" vor dieser Frage schützen?« ( 7 )
Ist Ihnen die Zeitschrift Chrismon bekannt?
Würden Sie die darin veröffentlichten Tatsachen ignorieren?
Verfolgen Sie die Einstellung, Sie pflegen mit Herrn Olmert eine Besondere Beziehung, die dem Gedenken an den Völkermord der Nationalsozialisten in Deutschland würdig ist?
Zitate:
»Vorbeugende Hauszerstörungen, Granaten zur Abschreckung, Wassertanks anschießen, in die Menge ballern -
( ... )
Yehudas Arm deutet den Hügel hinab, er murmelt die Codenamen:
"Nylonfabrik, Würfel, Dreifenster, Post." Jeder Name ein evakuiertes Haus,
Ziel seiner Granaten im dicht besiedelten Gebiet.
( ... )
Mir war kalt, ich war müde, der Kopf war leer. 40, 50 Granaten. Jede Nacht."
( ... )
Zwei Monate zuvor hatte Yehuda mit der gleichen Waffe noch in der Wüste geübt.
Damals durfte sich im Umkreis von eineinhalb Kilometern des angepeilten Einschlags niemand aufhalten.
( ... )
Yehuda deutet auf die Graffiti der Siedler.
Überall Judensterne, die Besitz anmelden, und Schmierereien:
"Araber in die Gaskammern."« ( 8 )
Es entzieht sich meiner Kenntnis, inwieweit Sie, wertgeschätzte Frau Bundeskanzlerin, diese Stimmen wahrnehmen. Sie in Ihrer politischen Verantwortung einordnen.
Bewirkt das Eingesperrtsein im Bewusstsein und Gedenken der eigenen Schuld aus der Geschichte eine beinahe Blindheit für die Schuldfähigkeit des Gefängniswärters in seiner Gegenwart?
Diese eingeschränkte "Souveränität" ist kein vollwertiger Träger in einer Partnerschaft, für die beständig die Anerkennung ihrer Besonderheit eingefordert wird.
Wenn unter den Lebenden und Überlebenden und ihren Nachkommen sich der Gedanke der einen Frage über das rechte Gedenken nähert, wie viele der Opfer sähen darin eine Entehrung, wie ihr Andenken an ihre unmenschlichen Leiden instrumentalisiert wird?
Tragen Sie eine Toleranz mit, die sich in ihren Inhalten eben von diesem Geist der Toleranz entfernt? In diesem Falle richteten sich Ihre eigenen Worte zum Wesen der Toleranz gegen Sie selbst.
Eine inständige Bitte zum Schluß
Ich persönlich wünsche mir diese "Besonderen" Beziehungen zum Volk der Juden.
Allein wegen den Handlungen der Regierungen in Tel Aviv bedürfen die Inhalte dieser Besonderen Beziehungen beständig einer Überprüfung. Diese Inhalte dürfen die Verpflichtungen im Grundgesetz der Bundesrepublik und des Geltenden Völkerrechts nicht verlassen.
Zu diesem Teil Ihrer verantwortungserfüllten Regierungsarbeit für das Deutsche Volk wünsche ich Ihnen den erdenklich besten Erfolg.
Ich könnte es persönlich nicht tolerieren, würden sich wegen der anerkannten Besonderheiten daraus "Bedenkliche" Beziehungen entwickeln.
Mit vorzüglicher Hochachtung für Ihre Person
als auch für Ihre Position als Bundeskanzlerin
Ihr
Heinz Kobald
_____________________________________
( 1 ) Quelle:
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung - 12.02.2008, 12:11:33
Deutschland / Israel - Das Fenster der Möglichkeiten nutzen
( 2 ) Quelle: Süddeutsche Zeitung, Nr. 45, 22. Februar 2008, Seite 10
Israel lehnt Bauanträge ab, dpa
( 3 ) Quelle:
Bayern 2 Radio - Themenabend Politik: Israel
ISRAEL - EINE GESELLSCHAFT IM AUSNAHMEZUSTAND
Donnerstag, 31. Mai 2007, 20:30 - 22:30 Uhr
"Der lange Schatten - Israel und der Holocaust"
Bettina Marx, ARD-Hörfunk-Korrespondentin in Tel Aviv
"Die Herren des Landes", Idith Zertal und Akiva Eldar
Israel und die Siedlerbewegung seit 1967
aus dem Englischen von Markus Lemke
Deutsche Verlags-Anstalt, 2007
( 4 ) Quelle: Süddeutsche Zeitung, 2. November 2006, Seite 6
Mehr als nur Symbole -
Unions-Fraktionsvorsitzender Volker Kauder wollte
bei seiner Israel-Reise keine Außenpolitik machen - eigentlich
Von Jens Schneider
( 5 ) Quelle: "Ich will nicht mehr schweigen"
Über Recht und Gerechtigkeit in Palästina
Rupert Neudeck, "Cap-Anamur"-Gründer, Melzer Verlag
"Ich will nicht mehr feige sein" - Beginn der Seite 18
( 6 ) UNO-Generalsekretär Ban Ki-Moon:
"Die Lehren des Holocaust müssen kommenden Generationen vermittelt werden"
Erklärung zum Internationalen Tag des Gedenkens
an die Opfer des Holocaust, 27. Januar 2008
UNRIC/217 (PDF), 24. Januar 2008
( 7 ) Quelle: Süddeutsche Zeitung, Nr. 34, 09. Februar 2008, Seite 20
"Haben Opfer das Recht, Unrecht zu tun?"
Außenansicht: Sonntagsreden und Montagstaten - SZ vom 25. Januar 2008
Leserbrief von Prof. Rolf Verleger, 23562 Lübeck
Mitglied im Direktorium des Zentralrats der Juden
( 8 ) Quelle: Chrismon, 01.2008, Seite 31
Das zweite Leben des Yehuda Shaul
"Brecht das Schweigen"
von Georg Cadeggianini