»Ausgelöst durch den verheerenden Schock des 11. September 2001 verweisen Bush wie sein britischer Kollege Blair, wie auch Israels Olmert oder Ägyptens Mubarak reflexartig auf den "Anti-Terror-Krieg".
Das enthebt sie in bequemer Weise der Aufgabe, sich mit den eigentlichen Konfliktursachen auseinander zu setzen.
Olmert mauert seinen "Anti-Terror-Wall" auch, um den Staat Israel zu vergrößern und den zukünftigen Palästinenserstaat lebensunfähig zu halten.
Mubarak verwaltet sein Land seit einem Vierteljahrhundert wie ein Großgrundbesitzer und wittert beim Wort Reform sofort den “Gott-sei-bei-uns". Und so fort.
Wenn deshalb im Irak schiitische Heiligtümer in die Luft fliegen oder militante Palästinenser in der Westbank einen israelischen Siedler erschießen - allerorten herrscht nur noch “Terror".
Nur: Während der Sarkawi-Anschlag auf eine Schiiten-Moschee schlicht auf Tod und Vernichtung abzielte, ist der Palästina-Konflikt viel älter als al-Qaida.
Die Palästinenser benutzen zwar ebenfalls verabscheuenswürdige Terror-Methoden.
Aber während bin Laden und Konsorten eine absurde Theokratie errichten wollen, fordern die Menschen in Gaza und Ramallah seit vierzig Jahren von den Israelis vergebens ihren eigenen Staat.
Sie verwenden terroristische Mittel. Ihre Forderungen aber sind legitim.
Dank des inflationären Gebrauchs des Wortes Terror spielen die Hintergründe der Konflikte und Kriege keine Rolle mehr.
Russlands Wladimir Putin strahlte selten so wie in dem Moment, als er die Tschetschenien-Massaker seiner Armee als Teil des globalen Anti-Terror-Kampfes bezeichnen konnte.«
Quelle: Süddeutsche Zeitung, Nr. 132, 10. Juni 2006, Seite 4
Auszug aus dem Artikel “Ursachen des Terrors“, Von Tomas Avenarius