Der unerträgliche Standpunkt

Heinz Kobald

  
 
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Der Kampf gegen den Terrorismus
Terrorbekämpfung: Volltreffer, Zeichnung: Stuttmann, Tagesspiegel




Kampf gegen Terror: Volltreffer, Zeichnung: Stuttmann, Tagesspiegel


Ein Krieg gegen die Menschlichkeit


Im gegenwärtig so favorisierten “Kampf gegen den Terrorismus“ wird ein Krieg gegen die Menschlichkeit geführt.
In der sog. Verteidigung der Rechtsstaatlichkeit wird ungestraft ebenso die Würde des Menschen verletzt.
In diesem Kampf oder Krieg stehen sich Menschen gegenüber – wie in allen Kriegen bisher und in der Zukunft der Menschheit - , die aufgrund ihrer auch kulturell bedingten Verschiedenheit aufeinander losschlagen und glauben, sie könnten dadurch, daß sie sich nicht als Menschen achten, den anderen in die Knie zwingen.

Papst Benedikts XVI sagte in seiner Botschaft zum Weltfriedenstag am 1. Januar 2006 “Nihilismus und Fundamentalismus“:
»In der Wahrheit liegt der Friede«. und
»Es ist zu wünschen, dass man sich bei der Analyse der Ursachen des zeitgenössischen Phänomens des Terrorismus
außer den Gründen politischen und sozialen Charakters auch die kulturellen, religiösen und ideologischen Motive vor Augen hält.« 1 )

Wie in gewinnorientierten kapitalistischen Betriebswirtschaften wird der Mensch und seine Bedürfnisse und Ansprüche und - Rechte nicht geachtet.
Der Trierer Bischof Reinhard Marx warnt vor einem primitiven Kapitalismus, der in der menschlichen Arbeitskraft nur einen Kostenfaktor sieht. Bischof Marx sagte am Heiligen Abend in der Christmette.
»Menschen dürfen andere Menschen nicht zu Sachen degradieren.« 2 )

Warum soll es z. B. kein Recht auf Arbeit geben?
Ist die Abweisung mit dem Hinweis ausreichend begründet, daß damit das wirtschaftlich erforderliche freie Handeln eingeengt würde?

Im Kapitel 6 des neuen SOZIALKATECHISMUS der Katholischen Kirche wird Gerechtigkeit für die Menschliche Arbeit als Voraussetzungen für eine humane Welt gefordert.
»Die Arbeit ist ein Gut aller, das für alle verfügbar sein muss, die dazu fähig sind.
Vollbeschäftigung ist daher ein verpflichtendes Ziel für jede Wirtschaftsordnung, die auf Gerechtigkeit und Gemeinwohl zielt ( ... ) Die Aufgabe des Staates besteht nicht so sehr darin, seinen Bürgern unmittelbar das Recht auf Arbeit zu garantieren, indem er die gesamte Wirtschaft unbeweglich macht und die freie Initiative abtötet.«
Vielmehr soll er Bedingungen schaffen, durch die Arbeitsmöglichkeiten entstehen. Wenn aber diese Bedingungen für einen Arbeitsplatz von der jeweiligen Höhe der Lebenshaltungskosten in den Ländern auf unserem gesamten Globus abhängig sind? Welche Möglichkeiten für einen regierenden Eingriff hält er aber dafür in seiner Hand? 3 )

Und dazu gesellt sich die schwerwiegende Ansicht, daß die Arbeitslosigkeit die größte Unfreiheit für den Menschen bedeutet.
Für Udo di Fabio gibt es einige wenige Merkmale, an denen deutlich zu messen ist, ob Freiheit gewonnen oder verloren wurde. Eines davon ist das Maß der Arbeitslosigkeit.
»Arbeitslosigkeit bedeutet für mich höhere Unfreiheit. Wir sind also nicht freier geworden.« 4 )
Das meint er gewiß nicht nur auf die Entwicklungen in der Wirtschaft in Deutschland bezogen.

Durch die Nichtachtung der Menschenwürde erhält der sog. westliche Usurpator keine Achtung bei seinen “Feinden“, sondern erreicht gerade das Gegenteil. Er wird ohnehin schon wegen seiner menschenverachtenden Nichteinhaltung der Menschenrechte nicht mehr geachtet oder gar geliebt, sondern in einem noch zunehmenden Maße verachtet und gehaßt.

Diejenigen, die im islamischen Raum den Terrorismus weder aus religiösen noch aus politischen Gründen befürworten, sind zugleich nicht diejenigen, die für einen Kampf um Gerechtigkeit, um Gleichheit und um Anerkennung aus Überzeugung zur Waffe greifen würden.
Ebenso wie sich unter dem Teil der Menschheit außerhalb des islamischen Bereiches diejenigen befinden, die nicht mit der Waffe gegen den Terrorismus kämpfen wollen.
Denn sie wissen, dass mit dem Krieg gegen die Menschenwürde nichts, aber auch gar nichts gewonnen werden kann. Am allerwenigsten der auf den Lippen der Politik so hoch gehobene Kampf gegen den Terrorismus. Diese Worte verbergen einen Irrtum – oder bewusst eine Absicht. Menschen aus oder in fremden Kulturen die Menschenwürde abzusprechen, um so anscheinend gerechtfertigter außerhalb der geltenden Menschenrechte handeln zu können.

Ariel Sharon hat sich 2001 eindeutig erklärt:
»Israel besteht darauf, dass die diesbezüglich vierte Konvention im Nahen Osten nicht anwendbar sei, da es sich nicht um “besetzte“, sondern um "umstrittene" Gebiete handle.« 5 )
Die Genfer Konvention von 1949 soll demnach für die Besatzung Israels in Palästina nicht anwendbar sein, weil es sich hier nicht um “besetzte“ Gebiete im Sinne der Genfer Konvention handele, sondern um die von ihm so benannten “umstrittenen“ Gebiete?
Meinte Sharon, dass er mit den Landmarkierungen im Alten Testament ein verbrieftes Grundrecht gegenüber der Genfer Konvention in Händen hält? Mit dieser “zionistischen“ Umdeutung des Völkerrechts versuchte er - und tat es auch erfolgreich - die Anforderungen des Völkerrechts zu ignorieren. Dies ist seit mehr als einem halben Jahrhundert die “ungestrafte“ Handlungsweise jeder Regierung in Israel.

Man muß in diese Denkweise etwas tiefer eindringen, um ihre menschenverachtende Dialektik zu begreifen.
An die Definition von »besetzt« oder »umstritten« soll also angeknüpft werden, ob Menschenrechte und das Völkerrecht beachtet werden oder nicht. Auf jeder Ebene der internationalen Politik wird diese eklatante Abspaltung vom Völkerrecht durch einen dialektischen “Neuansatz“ beharrlich durch Verschweigen verdrängt.

Für den deutschen CDU-Politiker Schäuble, jetzt Innenminister, gibt es für die Geltung des Folterverbotes nicht diese amerikanisch “gezinkte“ Unterscheidung eines George W. Bush zwischen Terroristen oder regulärem Soldat einer Streitmacht.
Schäuble wurde im Dezember 2005 gefragt, ob er bei der Beachtung des Folterverbotes zwischen Terroristen oder Soldaten einen Unterschied für deren Rechtsstatus erkennt.

SZ: Sind die Terroristen des 11. September 2001 Straftäter oder Kombattanten?
Schäuble: Die Terroristen des 11. September 2001 sind auf jedem Fall Straftäter. ( ... ) Damit sind wir auch beim Kriegs- und beim Kriegsfolgerecht, das ja gewisse Anforderungen stellt. ( ... ) Ob Kombattant oder nicht, im Völkerrecht gibt es bestimmte Regeln. Das Folterverbot gilt unabhängig vom Kombattantenstatus.

SZ: Die Menschenrechte gelten auch?
Schäuble: Die Menschenrechte auch. 6 )

Schäuble hat sich damit eindeutig für die Beachtung der Menschenrechte ausgesprochen und damit sowohl in einem Straftäter als auch in einem Kombattanten den Menschen als das geschützte Individuum hervorgehoben. Denn hierbei handelt es sich um ein Menschenrecht, nicht um eine Verschiedenartigkeit im Rechtsstatus von Soldaten oder Untergrundkämpfern.

Gerade deshalb ist das Phänomen des Schweigens in der Deutschen Presse so verblüffend, das die eindeutige Rechtsforderung des Völkerrechts, die eine Besiedlung mit Staatsbürgern aus Israel in den durch Krieg eroberten Gebieten in Palästina verbietet, nicht nur nicht so zitiert, sondern sogar ganz verschwiegen wird.
Von Seiten Israels wird ja oft ein Schweigen gegenüber den vermeintlich verletzten Interessen Israels als deren Abweisung mit Böswilligkeit und als eine gegen Israel gerichtete Handlung mit Vorwurf angeklagt.
Es steht mir nicht zu, eine einsame Folgerungen zu äußern, worin die Ursache für diese so offensichtliche Deutsche Verschwiegenheit gegenüber der Weigerung Sharons zu suchen oder - schon zu finden - ist.

Also gerade die Quelle, aus der der Terrorismus geboren, genährt wird, der Gebrauch der Waffe gegen die Menschlichkeit, die wird dadurch aufgefüllt. Und das beständig durch jeden Rechtsbruch.

Es sind Überlegungen darüber angestellt worden, unter welchen Voraussetzung sich Terrorismus bedingt zeigt, aus der Armut, dem Vorenthalten von wirtschaftlichem Wohlergehen - und man hat festgestellt, daß er gerade auch aus dem wohlhabenden und gebildeten Teil der islamischen Gesellschaften Zufluß und Zuspruch erhält.

Ein junger Tunesier wie Abdessatar Dahman, diplomierter Journalist und Gewerkschafts-Aktivist, Anhänger der Linken Tunesiens, sucht in Belgien sein Exil. In seiner Verzweiflung über die Rechtsstaatlichkeit in seiner Heimat lässt er sich durch einen Zweig von al-Qaida einfangen. Er wurde schließlich zu einem der beiden Selbstmordattentäter, die am 9. September 2001 in Afghanistan den Kommandanten Massud umbrachten. 7 )

Das läßt nur den Schluß zu, daß es letztendlich nicht nur um die wirtschaftlichen Ziele im Leben des Menschen geht, sondern um seine unveräußerliche Würde seines Menschseins.
Um die ethischen Grundsätze, die selben, die in der Charta der Menschenrechte niedergeschrieben worden sind.

Hitlerdeutschland verging sich gegen die Menschenwürde in der millionenfachen Schuld eines Völkermordes. Die beiden anderen Worte, Genozid und der mit Vorliebe gebrauchte Begriff aus der Englischen Sprache: Holocaust, erscheinen nur zu oft als ein verschleiertes Bild.
Grundlage war ein rassistisch begründeter Haß auf eine Gruppe innerhalb der Menschheit.

Sobald die Würde des Menschen nicht mehr unangetastet in den Handlungen der Menschen untereinander bestehen kann, beginnt der Verstoß gegen die Menschlichkeit, die Fußtritte gegen das Schienbein des einen gegen den anderen. Nur derjenige, der sich nicht mehr wehren kann, erfährt dabei die größere Demütigung.
Der andere, der diese Fußtritte ausführt, glaubt sich in einer überlegenen Position. Doch er verfällt einem Irrtum, einem Irrtum, mit dem er seine eigene Menschlichkeit mit seinen eigenen Füßen tritt. Weil in dem Tretenden - auf eine andere Weise - die Menschlichkeit verschwindet, kann sie beim schon Gefesselten noch weiter hinabgedrückt werden.
Der Tretende verliert seine eigene Menschlichkeit dadurch, dass er in seinem Gegenüber nicht mehr denselben Menschen erkennen will, der er selbst ist.

Damit nähern wir uns der Erkenntnis, daß an dem Grad der Folter, an ihrem Ausmaß, an ihren Handlungen, das Maß der Menschlichkeit, oder genauer gesagt, der Grad des Verlustes der Menschlichkeit beim Folterer gemessen werden kann.

Man mag auf der Suche nach den Quellen für den Terrorismus ebenso an den Punkt gelangen wie bei der Frage: Was war der Anfang, das Huhn oder das Ei.

Daraus muß aber keine Hilflosigkeit entstehen.

Es ist genau der Punkt, an dem die Menschlichkeit beginnt, dem Bewußtwerden, gegen wen der eine Mensch gegen den anderen Menschen ihm gegenüber kämpft.
Jeder von ihnen hat eine Haltung eingenommen, mit der er vom anderen nur Haß erwartet. Nun wird aber der Haß in einem geschlagenen Menschen nicht durch weitere Schläge des Schlagenden ausgetrieben. Mit anderen Worten: Mit Schlägen ist keine Liebe zu erzwingen, sie kann so nicht gewonnen werden.

Beide gehören der menschlichen Rasse an, also der selben Spezies Mensch, mit den selben Bestrebungen nach einem Leben in Würde und Freiheit - und bekämpfen sich dadurch, daß sie sich als Menschen nicht mehr achten, sondern gerade mit dem Mittel der Unmenschlichkeit, versuchen, zu besiegen, letztendlich auch die Menschlichkeit zu vernichten, um zu obsiegen. Das Menschsein des Gegners wird bekämpft. Die Erniedrigung des Gegners ist das Ziel, seine Kampfkraft zu zerbrechen, die nur auf der Würde seines Menschseins beruht.

Es ist schon mal daran gedacht worden, ob es nicht doch ein Krieg der Kulturen sein könnte. 8 )
Nicht nur könnte, es ist ein Krieg der Kulturen. Nicht so, wie es Kulturphilosophen erkennen, sondern auf einer anderen Ebene, nicht eindeutig der ethnischen, wohl mehr der psychologischen und der ethischen Ebene. Also eine Verknüpfung der Ebenen Ethnik - Ethik und Psychologie.

Wenn schon darüber nachgedacht wird, ob Folter zum Zweck des Guten erlaubt sein dürfte, dann beginnt bereits hier der Krieg gegen die Menschlichkeit.

Ein Besiegen des Terrorismus ist jedoch mit einem Krieg gegen die Menschlichkeit weder sinnvoll noch erfolgreich zu führen. Die Maxime allen menschlichen Handelns ist und wird und war immer der Mensch, seine Bedürfnisse, seine Anerkennung, seine Achtung, damit seiner Rechte, seiner Menschlichkeit, seiner menschlichen Existenz überhaupt.

Nicht ohne Grund betont Papst Benedikt XVI in seiner Friedensbotschaft die Achtung und die Einhaltung der internationalen Menschenrechte durch die internationale Staatengemeinschaft.

»Die internationale Gemeinschaft hat ein internationales Menschenrecht aufgestellt, um die verheerenden Folgen des Krieges vor allem für die Zivilbevölkerung so weit wie möglich zu begrenzen... « 1 )

Er hätte weder auf die Menschenrechte noch auf das Völkerrecht zurückgreifen müssen, um auf beide in seiner Friedensbotschaft hinzuweisen.
Beinhalten sowohl die Menschenrechte als auch das Völkerrecht nicht die Grundsätze der Zehn Gebote?
Es ist paradox, erleben zu müssen, wie gerade das Volk, dem diese Gebote von “seinem Gott“ offenbart worden sind, sie in unserer Zeit nicht mehr zu achten scheint.
Jedoch seinen angeblichen Anspruch auf das Land in Palästina – auch 2000 Jahre nach der Vertreibung durch die damalige Besatzungsmacht Rom - aus den im Alten Testament genannten Landbeschreibungen ableiten will.

»Das internationale Menschenrecht ist zu den glücklichsten und wirkungsvollsten Ausdrucksformen jener Ansprüche zu rechnen,
die sich aus der Wahrheit des Friedens ergeben.
Gerade deshalb erscheint die Achtung dieses Rechtes notwendig als eine Pflicht für alle Völker.«
1 )


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1 ) Die Botschaft zum Weltfriedenstag am 1. Januar 2006: "In der Wahrheit liegt der Friede“.
Auszüge aus der Botschaft Papst Benedikts XVI “Nihilismus und Fundamentalismus“
Quelle: Rheinischer Merkur Nr. 51, 22.12.2005


2 ) »Der Trierer Bischof Reinhard Marx warnte vor primitivem Kapitalismus. Es sei nicht akzeptabel, Mitarbeiter nur als Kostenfaktoren zu sehen. "Darum ist es unser weihnachtlicher Auftrag, für die Menschen einzutreten", sagte Marx am Heiligen Abend in der Christmette. "Menschen dürfen andere Menschen nicht zu Sachen degradieren."« -
aus “Die Weihnachtsbotschaften der Kirchen“ -
Quelle: Die Welt, Artikel am 27. Dezember 2005


3 ) Kapitel 6: Menschliche Arbeit “Die Arbeit ist ein Gut aller, das für alle verfügbar sein muss, die dazu fähig sind.
Vollbeschäftigung ist daher ein verpflichtendes Ziel für jede Wirtschaftsordnung, die auf Gerechtigkeit und Gemeinwohl zielt . . . Die Aufgabe des Staates besteht nicht so sehr darin, seinen Bürgern unmittelbar das Recht auf Arbeit zu garantieren, indem er die gesamte Wirtschaft unbeweglich macht und die freie Initiative abtötet.
Sie besteht vielmehr darin, die Aktivität der Unternehmen zu fördern, indem er Bedingungen schafft, durch die Arbeitsmöglichkeiten entstehen, und indem er die wirtschaftliche Aktivität dort stimuliert, wo sie ungenügend ist oder sie in Momenten der Krise unterstützt.“
Aus Sozialkatechismus - Voraussetzungen für eine humane Welt
Die Katholische Nachrichten- Agentur ( KNA) dokumentiert Passagen zu einigen zentralen Fragen in eigener Übersetzung.
Der Vatikan hat erstmals ein umfassendes “Kompendium der Soziallehre der Kirche“ veröffentlicht.
Es fasst auf 320 Seiten ( plus 180 Seiten Index) die Lehre der katholischen Kirche zu wichtigen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens zusammen.


4 ) aus dem Weihnachtsinterview mit Udo die Fabio
Der Verfassungsrichter sprach u.a. über das Thema “Die Schätze der Gesellschaft sichern“
Das Gespräch führten Michael Rutz und Matthias Gierth
Quelle: Rheinischer Merkur Nr. 51, 22.12.2005
Staatsrechtler Professor Udo Di Fabio erregte mit seinem Buch „Die Kultur der Freiheit“ großes Aufsehen,
Verlag C. H. Beck, München 2005, 280 Seiten, 18 EUR


5 ) Bei einer Konferenz der Unterzeichnerstaaten der Genfer Konventionen in Genf am 5. Dezember 2001 haben 114 Staaten in einer Deklaration Israel ermahnt, dass die Bestimmungen der Genfer Konventionen zum Schutz der Zivilbevölkerung auch in den von Israel besetzten Gebieten einschließlich Ostjerusalem gelten.
»Israel besteht darauf, dass die diesbezüglich vierte Konvention im Nahen Osten nicht anwendbar sei, da es sich nicht um “besetzte“, sondern um "umstrittene" Gebiete handle.«


6 ) zu Sharons Unterscheidung zwischen »besetzten« und »umstrittenen« Gebieten:

SZ: Sind die Terroristen des 11. September 2001 Straftäter oder Kombattanten?
Schäuble: Die Terroristen des 11. September 2001 sind auf jedem Fall Straftäter. ( ... ) Damit sind wir auch beim Kriegs- und beim Kriegsfolgerecht, das ja gewisse Anforderungen stellt. ( ... ) Ob Kombattant oder nicht, im Völkerrecht gibt es bestimmte Regeln. Das Folterverbot gilt unabhängig vom Kombattantenstatus.

SZ: Die Menschenrechte gelten auch?
Schäuble: Die Menschenrechte auch.

SZ: Stehen rechtsstaatliche Grundsätze unter Terroristen-Vorbehalt?
Schäuble: ( ... ) Wir erklären Menschen nicht mehr für vogelfrei wie im Mittelalter.
Wir haben uns national wie weltweit für die Ächtung der Folter entschieden und dabei muss es bleiben – ( ... ), denken wir an den Entführungsfall Metzler in Frankfurt, also an den Fall, bei dem der Polizeibeamte Daschner Folter angedroht hat. Ich habe damals gesagt und bleibe dabei:
Wir dürfen die rote Linie nicht überschreiten, sonst sind die letzten Dinge schlimmer als die ersten.

Interview: Heribert Prantl und Annette Ramelsberger
Quelle: Süddeutsche Zeitung, Nr. 290, 16. Dezember 2005, Seite 7


7 ) ( ... ) Der Krieg gegen den Irak und die parteiliche Haltung der USA an der Seite Israels haben eine Glaubwürdigkeitskrise ausgelöst:
Der Feldzug wurde als ein schwerer Angriff auf humanitäre Werte wahrgenommen, deren allgemeine Beachtung die Demokratien und die USA ständig – und zu recht – verlangen.
Ebenso der Kampf gegen den Terrorismus: Hier wurden Allianzen mit Regierungen geschmiedet, welche die Menschenrechte nicht gerade hoch achten, wie Pakistan, China, Algerien und Tunesien.
Der Kampf gegen den Terrorismus ist eine Herausforderung, welche die internationale Gemeinschaft anzunehmen aufgerufen ist
. Das Bedürfnis nach Sicherheit ist natürlich und legitim.
Aber die Methoden, die zum Ziel führen können und müssen hinterfragt werden.
Denn der Zweck heiligt nicht die Mittel und es führen nicht immer alle Mittel zum Ziel. Freiheit gegen Sicherheit auszuspielen, ohne sich der Frage nach den Ursachen des Terrorismus zu stellen, führt nicht zu dauerhaften Ergebnissen.
( ... )
Wenn die Tunesier jetzt hören, wie die Regierenden westlicher Demokratien bei offiziellen Staatsbesuchen die Verdienste einer „umsichtigen Politik“ ihres Diktators loben und seine repressive Innenpolitik gegen die Bevölkerung billigen, kommen sie nicht umhin, auf völlig unterschiedliche Kriterien für die angeblich universellen Werte zu schließen.
Indem sie Aspekte der Demokratisierung und der Rechtsstaatlichkeit als Nebensächlichkeiten abtun, machen die westlichen Vertreter den Eindruck, als ob sie ein Zweiklassen-System der Werte vertreten:
Hier ist der Rechtsstaat eine unablässige Voraussetzung, dort ist er entbehrlich und Übertretungen werden gebilligt, wenn nicht sogar unterstützt.
Durch die Kooperation und die Aufwertung der Diktaturen fällt man denjenigen in den Rücken, die in ihren Ländern die demokratischen und universellen Werte der Menschenrechte verfechten
– und mit einer Demokratisierung wirklich die Gefahr des Terrorismus bannen könnten. Und man ermutigt diejenigen, die die Gewalt hochhalten, sich auf die eigene Identität zurück zu besinnen und in den religiösen Extremismus flüchten.
( ... )
Nach dem Attentat auf die Synagoge der Insel Djerba, bei dem auch 14 Deutsche ums Leben kamen, hat der Bundesinnenminister Otto Schily im April 2003 mit seinem tunesischen Amtskollegen ein Abkommen über die Zusammenarbeit im „Kampf gegen den Terrorismus“ unterzeichnet.
( ... )
In Tunesien ist der Kampf gegen den Terrorismus für das Regime von Ben Ali zum Vorwand geworden, die gewaltsame Unterdrückung jeglichen friedfertigen Widerstands zu rechtfertigen.
Die Anklage, ein “Terrorist“ zu sein, trifft häufig Personen, die weder jemals Gewalt angewandt noch zu ihr aufgerufen haben.
Mitglieder von eigentlich rechtlich erlaubten, aber inzwischen verbotenen Bewegungen wie Ennahda, die vorher beschuldigt wurden, einer nicht zugelassenen Organisation anzugehören, werden heute der Unterstützung einer “terroristischen Vereinigung“ angeklagt und erwarten schwere Strafen.
Das Regime hat die Methode der Repression über den Rechtsweg erfolgreich verallgemeinert und wendet sie gegen Verfechter der Menschenrechte, Journalisten und zahlreiche andere “Regimekritiker“ an.
( ... )
Und dies angesichts vollkommener Gleichgültigkeit seitens der europäischen Partner.

Tunesien ist keine Ausnahme: Alle internationalen Nichtregierungsorganisationen im Bereich Menschenrechte stellen fest, dass der Terrorismus seit den Ereignissen vom 11. September 2001 die Farben aller Dissidenten und aller politischen Gegner der Diktaturen dieser Welt angenommen hat. Aus diesem Grund ist es unabdingbar, dass die Maßnahmen zum Kampf gegen den Terrorismus dem Völkerrecht gehorchen und insbesondere den internationalen Bestimmungen zum Schutz der Menschenrechte.

Quelle: Süddeutsche Zeitung vom 03.02.2004
Außenansicht - Terror nicht mit Despoten bekämpfen, von Sihem Bensedrine, Übersetzung von Andreas Münzner
Sihem Bensedrine, tunesische Journalistin, ist Herausgeberin einer verbotenen Internetzeitung und derzeit Gast der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte.


8 ) Krieg der Kulturen
SZ: Der Irak-Krieg wird das Verhältnis des Westens zur islamischen Welt verschlechtern, heißt es. Warum? Saddam ist Nationalist und kein islamischer Herrscher.
Öztürk: Das stimmt, aber trotzdem wird der Krieg das Verhältnis verschlechtern, viele Menschen hier begreifen den Krieg als Demütigung, als Kolonisation. Wobei ich hoffe, dass die meisten Muslime unterscheiden werden zwischen den Ländern, die diesen Krieg wollten und jenen, die dagegen waren. Ich hoffe auch, dass der Westen diesen Krieg nicht als Religionskrieg wahrnimmt – der Krieg der Kulturen darf nicht Wirklichkeit werden.

SZ: Wie sollte der Dialog zwischen Christen und Muslimen, der islamischen Welt und dem Westenweitergehen?
Öztürk: Solange der Westen den traditionellen Islam des Orients mit dem wahren Islam verwechselt, wird es keinen dauerhaften Frieden geben. Dann helfen auch alle Demokratisierungsbemühungen nichts. Die Veränderung muss aus der islamischen Welt kommen. Dazu brauchen die Reformer Unterstützung, keinen Krieg, der die Gräben vertieft.

Quelle: Süddeutsche Zeitung vom 21. März 2003
“Dieser Krieg wird die Terroristen stärken“
Der islamische Theologe Yasar Öztürk über den künftigen Dialog mit dem Westen

Jasar Nuri Öztürk, Jahrgang 1945, ist einer der bekanntesten islamischen Theologen der Türkei;
er tritt für eine zeitgemäße Interpretation des Korans ein.
Seit 2002 ist der Dekan der Theologischen Fakultät an der Universität Istanbul auch Abgeordneter der Republikanischen Volkspartei im türkischen Parlament.



6 Tevet 5766 * 6. Januar 2006 © Heinz Kobald