Der unerträgliche Standpunkt

Heinz Kobald

  
 
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Lehrplan Holocaust

Zentralrat der Juden für israelische Hilfe im Kampf gegen Nazis

» Berlin - Der Zentralrat der Juden hat den deutschen Schulunterricht über den Nationalsozialismus kritisiert und eine Zusammenarbeit der Kultusminister mit der israelischen Gedenkstätte Jad Vaschem vorgeschlagen.
"Es müssen neue didaktische Formen gefunden werden, um Jugendliche für das Thema Nationalsozialismus und Holocaust zu sensibilisieren", sagte der Präsident des Zentralrats, Paul Spiegel, der "Netzeitung". «

Quelle: AFP, Die Welt, Artikel erschienen am Sa, 21. Mai 2005


Lehrplan Holocaust


Entweder wir lehnen diese Mithilfe als Einmischung in innere Angelegenheiten höflich dankend ab – oder wir nehmen sie mit aller gebotenen Offenheit an.

Aber dann nur mit der gleichzeitigen Einführung eines Geschichts-Unterrichts für Neuzeit mit dem besonderen Werte-Thema “Israel, die Gründung eines Staates auf arabischem Land – und seine Landeroberungen nach dem Krieg 1967“.
Eine Zurückwendung nur auf die Vergangenheit unseres Volkes mit dem besonderen Werte-Thema “Holocaust“ wäre zu einseitig, wenn wir die Entwicklungen des Staates Israel unter den demokratischen Werte-Anforderungen unseres Grundgesetzes und des Völkerrechtes in der Gegenwart außer Acht ließen.

Im Gegenteil, gerade die Verknüpfung der beiden Lern-Themen wäre ein sehr geeignetes Lehrbeispiel, wie aus der Vergangenheit zu lernen ist – oder gerade diese so oft erhobene Forderung nur einseitig gedacht wird. Was wiederum den tatsächlichen Anforderungen an die Lehren aus der Vergangenheit entgegenstehen würde.

Ganz im Sinne der Gedenkstätte Jad Vaschem ist es, die grundlegenden Entwicklungen zu jeder Art von Faschismus frühzeitig zu erkennen.
Und nicht, wie es Herr Spiegel – aus zu durchsichtigen Gründen - stets nur einseitig dokumentiert sehen will.
Das Ansinnen von Herrn Spiegel nähert sich - nach meiner Erkenntnis - sehr bedenklich einer beständigen Diskriminierung der Geschichte Deutschlands in der Gegenwart.

Wir würden nur neue Schuld vor der Geschichte auf uns laden, wenn wir unsere erlernte Wachsamkeit gegen jede Art von Faschismus von Herrn Spiegel einschläfern ließen.

Im Gegenteil, ich empfinde es als eine längst überfällige Reaktion der jungen Generation, wenn sich Jugendliche die Gegenwart dieses Denkmals in der ihnen entsprechenden spielerischen Art und Weise in ihre Erlebniswelt als Selbstverständlichkeit aufnehmen. Ihr Herumturnen auf dem Stelenfeld der 2751 Granitblöcke spricht keineswegs ausschließlich gegen ihr gesundes Verständnis von der Geschichte des eigenen Volkes. Das Drauflegen des Daumens auf ihre ehrlich empfundene Wahrnehmung als unterstellte Respektlosigkeit demaskieren zu wollen, würde der Wirklichkeit der Geschichte unserer Gegenwart ebenso wenig in einer offenen ehrlichen Auseinandersetzung gerecht.

Mein Bedauern ist es, dass in Deutschland zu wenige Stimmen eine Antwort an Herrn Spiegel artikulieren.
Er genießt nur das Recht der Meinungsfreiheit, nicht mehr. Vermutlich ist er der Auffassung, dass er mit dem Stück Speck, dass er glaubt, fest in seinen Händen zu halten, diese Ratten aus ihren Löchern hervor locken kann. Er will nicht einsehen, dass er mit seinem Speck diese Ratten füttert. Dafür aber anderen Rattenfängern die Schuld am Größerwerden dieser Ratten zuweist.

Zum Beispiel ist die Räumung des Gaza-Streifens nicht eine Forderung der Knesset an die jüdischen Siedler, sondern eine Verpflichtung, die das Völkerrecht seit 1967 von Israel fordert. Wenn sich nun jüdische Siedler gegen die Forderung ihres eigenen Parlamentes erheben, dann erheben sie sich gegen das über den Beschlüssen der Knesset stehenden Völkerrecht.
Die Räumung des Gaza-Streifens ist demnach keine freie Entscheidungsfindung von Ministerpräsident Sharon, sondern die lange verzögerte Erfüllung einer Forderung des Völkerrechts.

Es besteht durchaus keine zwingende Veranlassung, dass sich Herr Spiegel selbst zur Stimme unseres demokratischen Gewissens in Deutschland ernennen müßte.

» ( ... ) Es handele sich nicht einfach um ein staatliches Mahnmal, hieß es in einer am Dienstag veröffentlichten Erklärung Lehmanns. «Die Idee dazu kam aus der Mitte der Gesellschaft.»
Über das Thema sei viele Jahre lang im politischen, intellektuellen und künstlerischen Bereich eine breite und lebhafte Diskussion geführt worden, so Lehmann. Diese sei ein «wichtiger Teil des Nachdenkens unserer Gesellschaft über sich selbst».
Erinnerung an «moralische Finsternis»
( ... ) «Es erinnert unser eigenes Volk an die Stunde größter moralischer Finsternis in seiner Geschichte und alle Welt an die Abgründe menschlicher Möglichkeiten, die in jedem lauern.» «

Quelle: Netzeitung.de, 10. Mai 2005, 11:54


Diese Tatsache hat Herr Paul Spiegel bei seinem Aufruf scheinbar vergessen. Was nicht überzeugend für die ehrliche Absicht in seinem Aufruf zur Änderung des Geschichts-Unterrichts in Deutschen Schulen spricht.

Es bleibt auch abzuwarten, welche Gedenkstätten ein Staat der Palästinenser errichten wird, die an die Kriegsverbrechen der Armee Israels erinnern werden.
Wäre das auch ein Grund, aus dem Israel die Gründung eines Staates der Palästinenser verhindern möchte, weil es die Konkurrenz dieser Gedenkstätten mit seinen fürchtet?

So wie Herr Spiegel sich dafür einsetzt, dass ein Vergleich des Genozids an den Juden in Europa mit einem Genozid am ungeborenen Leben „unzulässig“ sein soll, obwohl die Zahlen der Abtreibungen in den Ländern Europas weit über die Zahl der NS-Opfer der jüdischen und anderen ethnischen Gruppen hinausreicht – und das Bewußtsein ignoriert, dass jede Abtreibung ein Mord ist.

Wenn Geschichte nur in eine bestimmte Richtung verstanden werden soll, dann wird sie als Lernmittel ihrer gesamten Lern- und Vermittlungs-Breite beraubt und wird für die Weiterentwicklung der Menschlichkeit völlig unbrauchbar abgestumpft.
Darum gelingt es den Neonazis nur zu leicht, die Unzufriedenen der Gegenwart immer zahlreicher um sich zu versammeln.

Das Ansinnen von Herrn Spiegel, in der Auseinandersetzung mit der geschichtlichen Vergangenheit und ihrer Auswirkungen in die Geschichte der Gegenwart eine andere Dialektik einzuschlagen, gilt als Aufruf auch an ihn selbst gerichtet.
Ohne seine stets beschnittene und einschränkende Betrachtung der Vergangenheit und die absichtliche Ausklammerung eines großen Teiles des Geschehens der Gegenwart, hätte eine erfolgreiche Auseinandersetzung mit dem Neonazismus längst weitreichendere Erfolge erzielen können.
Doch auch hier greift ein Paradox in die Geschichte ein, dass die Mahner zugleich die Verhinderer sind.

( ... ) Israel ignoriert Völkerrecht und setzt Angriff fort
UN-Sicherheitsrat verurteilt Zerstörung palästinensischer Häuser

» UN-Generalsekretär Kofi Annan verlangte von Israel, die “unangemessene und wahllose Anwendung von Gewalt" einzustellen. In der UN-Resolution wird Israel ermahnt, “als Besatzungsmacht gewissenhaft seine rechtliche Verantwortung gemäß der Vierten Genfer Konvention zu erfüllen und das Leben von Zivilisten in Kriegszeiten zu schützen".
Das Außenministerium in Jerusalem wies die Kritik zurück und nannte die Äußerungen des irischen Außenministers “Ekel erregend". «

Quelle: Süddeutsche Zeitung, Nr.116, Freitag, den 21. Mai 2004 , Seite 1


Deutlicher ausgedrückt:

Wenn die gegenwärtige Regierung von Israel ein vom Völkerrecht gefordertes Verhalten als Besatzungsmacht mit der Bewertung “Ekel erregend“ von sich weist, dann muß sich Herr Spiegel nicht entrüstet zeigen, wenn diese Bemerkungen das Wasser auf die Mühlen von Neonazis nur noch stärker fließen lassen.

An uns ist es, Herrn Spiegel auf diese möglichen Zusammenhänge, ihre prekären Auswirkungen und an seine Vergesslichkeit zu erinnern.
Dieses Erinnern ist durchaus ein Lern-Ergebnis aus der Auseinandersetzung mit der schrecklichen Vergangenheit unseres Volkes.

Es kann absolut nicht erfolgversprechend sein, die Einhaltung von Ordnungs-Prinzipien der Menschlichkeit anzumahnen, gleichzeitig aber verwirft der Mahner die an ihn selbst gerichteten Aufforderungen zur Einhaltung der Menschlichkeit als „Ekel erregend“.

Jeder zivilisierten Meinungsbildung widerstrebt diese widersprüchliche Anmaßung einer Richter-Funktion.
Was die moralische Position von Herrn Paul Spiegel entscheidend aushöhlt ist die Tatsache, dass der in Deutschland auftretende Neonazismus weder Programm von staatstragenden Parteien noch Teil des Programmes einer gegenwärtigen Regierung ist.
Dagegen werden die in Palästina von der Armee Israels verübten Kriegsverbrechen von der gegenwärtigen Regierung Israels und der Führung der Armee Israels angeordnet.


Scharfer Protest von Amnesty International
Israels Gründe für die Häuserabrisse seinen übertrieben und beruhten auf diskriminierenden Grundsätzen,
so die Menschenrechtsorganisation

London/Bern - » Amnesty International hat Israel aufgefordert,die Zerstörung von palästinensischen Häusern zu stoppen.
In dreieinhalb Jahren hätten die Streitkräfte mehr als 3.000 Häuser sowie große landwirtschaftlich genutzte Gebiete zerstört, erklärte die Menschenrechtsorganisation unter Berufung auf UN-Angaben.
Zehntausende von Männern, Frauen und Kinder verlören auf diese Weise ihr Zuhause oder ihre Lebensgrundlage. ( ... )
Da die Vertreibungen üblicherweise unangemeldet erfolge, hätten die betroffenen Familien wenig bis gar keine Zeit, ihr Hab und Gut zusammenzupacken. «

Quelle: Die Welt, Artikel erschienen am 18. Mai 2004


Der Protest der UNO löste in Israel keine Unruhe aus.

» UN-Generalsekretär Kofin Annan sprach von einer "drohenden humanitären Katastrophe". ( ... )
Doch auch die glaubhaftere Menschenrechtsgruppe Amnesty International (ai) protestierte:
3000 Häuser wurden seit Beginn der Intifada vor über drei Jahren zerstört - 2000 in Gaza und davon 500 im Verlaufe von Kampfhandlungen.
In Gaza wurden in den letzten Jahren zehn Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche zerstört. ( ... )

Der israelische Oppositionsabgeordnete Jossi Sarid wollte im Radiosender Kol Israel Kriegsverbrechen nicht ausschließen.
"Handlungen, die wir als Kriegsverbrechen anprangern, wenn sie uns gegenüber zur Anwendung kommen, sind das auch, wenn wir sie anwenden." «

Quelle: Die Welt, Artikel erschienen am 19. Mai 2004Israels Armee durchkämmt Rafah, von Norbert Jessen


Ein Jahr danach hat Herr Spiegel dieses Geschehen scheinbar schon vergessen.

Was wird in 60 Jahren von den Kriegsverbrechen Israels gegen die arabische Bevölkerung in Palästina noch im Gewissen der Israelis vorhanden sein ? Wenn es jetzt dazu nicht erzogen wird !



23. Mai 2005 © Heinz Kobald