Auszug aus dem Text in der SZ:
»Ein Problem ist das Zulagenwesen, sind also die steuerfreien Pauschalen, die Abgeordnete erhalten; ( ... )
Jede Reform, die die Missstände abstellen will,müsste also darauf hinauslaufen, die steuerfreien Aufwandspauschalen abzuschaffen, sie den Diäten zuzuschlagen - dafür aber den Abgeordneten seine Altersversorgung selbst bezahlen zu lassen.
Das hat den Nachteil, dass die Reform in der Umsetzungsphase unkundige oder böswillige Schlagzeilen aushalten muss wie “Politiker verdoppeln ihr Gehalt".
In Nordrhein-Westfalen hat der Landtag im Frühjahr 2005 diesen Konflikt gewagt und eine gute Diätenreform verabschiedet:
Das Gehalt stieg zwar von 4807 auf 9500 Euro, dafür müssen aber die Abgeordneten jetzt für ihre Altersversorgung selbst aufkommen und 1500 Euro in ein Versorgungswerk einzahlen; steuerfreie Pauschalen gibt es nicht mehr. ( ... ) «
Quelle: Süddeutsche Zeitung, Nr. 275, 29. November 2005, Seite 1
Empörung auf Knopfdruck - Die Abgeordneten wollen wieder einmal ihre Diäten neu regeln, von Heribert Prantl
Versteht Herr Heribert Prantl hier das Steuerrecht nicht? Zu meinem Bedauern muß ich das annehmen. Seine politischen Kommentare dagegen schätze ich sehr.
Darum ist seine Aussage, es gäbe keine steuerfreien Aufwandsentschädigungen mehr, nicht die - steuerrechtliche - Wahrheit.
Denn jetzt bekommt der Abgeordnete den Butto-Betrag seiner Aufwandsentschädigung, d.h. in dem Brutto-Betrag - wie jeder Lohnsteuerzahler weiß - sind noch die Lohnsteuer und die Sozialabgaben enhalten, die noch abgezogen werden, und dann erst hat er seinen Nettolohn auf der Hand.
Also zahlt der Bund erstmal die Lohnsteuer dazu, die er nachher wieder einbehält - und die Aufwandsentschädigung ist “im Ergebnis - wie bisher - steuerfrei“.
Es ist eben ein Unterschied zwischen Brutto und Nettto. Dabei hat sich eine Kanzlerkandidatin schon vertan - und die Presse hat genüßlich darüber berichtet.
Der Unterschied liegt ganz einfach darin, ob ich von - brutto - 2000 € die - angenommene - Steuer i.H.v. 30 v.H. ( = 600 € ) selbst zahlen muß und dann nur 1400 € - netto - zum Ausgeben habe - ODER - ob ich - brutto - 2.600 € erhalte und dann erst die 30 v.H. abgezogen werden und - netto - 2000 € ( hier wieder angenommen ) erhalte.
Für Fachleute, die diesen Vorgang aus dem ff kennen - für Lohnbuchhalter und Steuerberater usw., muß ein sog. Abtasten in der Steuertabelle vorgenommen werden, bis der Brutto-Betrag erreicht ist, der nach Abzug der Steuer den gewünschten Netto-Betrag von 2000 € ergibt.
Eine Netto-Berechnung mit einem Steuersatz von 30 v.H. sieht in ihren Abtaststufen so aus:
2000 € x 30 % = 600 €
2600 € x 30 % = 780 €
2780 € x 30 % = 834 €
2834 € x 30 % = 850 €
2850 € x 30 % = 855 €
2855 € x 30 % = 856 €
Auf der letzten Stufe ist der Bruttobetrag mit 2.855 € erreicht, der nach Abzug der Steuer i.H.v. 855 € ( hier angenommen mit 30 v.H. ) den gewünschten Netto-Betrag von 2.000 € ergibt. Es ist so einfach! ( nur 6 Rechnungen )
Aber es ist noch einfacher, davon zu reden, ohne es zu verstehen.
Nun hoffe ich, jeder, der das hier gelesen hat, versteht, warum zwar augenscheinlich die Steuerfreiheit für die Aufwandsentschädigung des Abgeordneten verschwunden ist, die Aufwandsentschädigung selbst aber wie bisher dem Abgeordneten in der selben Höhe - netto - ist gleich im Ergebnis steuerfrei - zufließt.
Es bleibt eben der kleine Unterschied von 600 €, auf den ein Abgeordneter nicht verzichten muß, wenn - ja wenn mit dem Wegfall der Steuerfreiheit wirklich Ernst gemacht würde! ( allzu strenge Germanisten verzeihen mir das würde nach wenn ! ) Nein? „ ... ja wenn die Abgeordneten mit dem Wegfall der Steuerfreiheit wirklich Ernst machten!“
Ist es jetzt richtig so?
Es ist daher eine journalistische Ente, die nicht im Teich des Steuerrechts grundelt, die da voller - unwissender - Überzeugung verlauten läßt, es gäbe keine steuerfreie Aufwandsentschädigung mehr.
Jedem Leser, der nicht nur Augen für Zahlen im Kopf hat, sondern auch über den Zusammenhang dieser Zahlen nachdenkt, wird es - bei der Verdoppelung des Diätenbetrages - offensichtlich, daß kein Abgeordneter auf die “Steuerfreiheit“ seiner Aufwandsentschädigung - unter dem Strich, den die Steuer zieht - tatsächlich verzichtet. Das käme ja einem Lohn-Verzicht gleich, der nur Arbeitnehmern in der “freien“ Arbeitswelt abverlangt wird.
Nun, kann sich Herr Prantl an die Nase fassen, ob er die steuerlichen Begriffe von Brutto und Netto verstanden hat, bevor er - und das auf der ersten Seite der SZ - davon spricht, daß es nun keine steuerfreien Aufwandsentschädigungen für Abgeordnete mehr gibt.
Es ist ihm leider mißlungen, hier Klarheit zu schafffen. Sondern die Aussage soll wohl nur suggerieren, daß die Abgeordneten keine steuerfreien Aufwandsentschädigungen mehr bekommen.
Aber es war im Frühjahr 2005 schon vergebliche Mühe, die Presse auf diese - steuerrechtliche - Falschmeldung aufmerksam zu machen.
Es ist eben wieder eine Schwäche des Journalismus offenkundig geworden. Aber das stört die SZ nicht.
Da habe ich - das muß ich anerkennen - bei einem Politiker im Landtag von NRW ( siehe linke Spalte ) mehr Sachverstand erfahren dürfen.
Nun hoffe ich auch noch, daß mir hier - entgegen allem steuerrechtlichen Sachverstand - keine »unkundige oder böswillige Schlagzeile« gelungen ist. Das entspräche nun ganz und gar nicht meiner Absicht.
29. November 2005 © Heinz Kobald