Der unerträgliche Standpunkt

Heinz Kobald

  
 
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Hamas bedroht Existenz Israels
Israel, Straße an der Grenzmauer, Foto: dpa Hamas bedroht Existenz Israels





Israelische Mauer, Foto: AP


Haben Palästinenser ein Existenzrecht ?



Es muß nur immer wieder in der Zeitung stehen, daß die Hamas Israel zerstören will. ( 1 )
Es prägt sich ein, daß Israel zerstört werden soll. Das soll die Forderung nach dem Existenzrecht für Israel verständlicher werden lassen. Es wird zum generellen Thema des Nahen-Ostens. Jeder soll es begreifen, daß wieder Juden zum Opfer werden.

Das Existenzrecht Israels ist jedoch keineswegs der entscheidende Faktor für einen Frieden in Palästina.
Wesentlich entscheidender ist das Eintreten für das Existenzrecht der Palästinenser auf ihrem Land.
Durch die völkerrechtswidrige Besatzung und Besiedlung zerstört Israel das Staatsgebiet für einen Staat der Palästinenser. Diese Zerstörung wird dagegen beharrlich verschwiegen. Der Besatzungsmacht wird es in der IV. Genfer Konvention von 1949 in Artikel 49 letzter Satz ausdrücklich verboten, ihre eigene Bevölkerung im besetzten Land anzusiedeln. ( 2 )

Die beständig gemeldete Bedrohung Israels in seiner Existenz durch die Palästinenser ist dagegen völlig wirklichkeitsfremd.

Israels "Verteidigungs"-Armee (IDF) weist eine Kampfkraft auf, die alle arabischen Armeen gemeinsam übertrifft. Und der Hamas steht keine entsprechend schlagkräftige Armee zur Verfügung, um Israel zerstören zu können - und das wird - aufgrund der Kriege der Araber gegen Israel in der Vergangenheit - auch niemals der Fall sein.

Ein Massstab für den Grad der Bedrohung Israels durch die Hamas kann an dem Zahlenverhältnis der Toten in den Kämpfen abgelesen werden.

1987 Dezember - In Gaza und danach im Westjordanland
beginnt die erste Intifada.
Bis 1991 sterben 1.500 Palästinenser in diesem Aufstand gegen die Besatzung.

2000 September - Beginn der zweiten Intifada:
Die Kämpfe dauern bis 2005 und fordern
1.000 Tote auf israelischer Seite und
4.500 Tote auf palästinensischer Seite.

2006 Juli und August - Israelischer Angriff auf den Libanon:
1.300 Tote auf der libanesischen, 160 auf der israelischen Seite. ( 3 )

Eindeutig lastet die Bedrohung der menschlichen Existenz in dieser sog. asymetrischen Kriegsführung nicht auf Israel. Sondern mit dem 4- bis 9-fachen Wert allein bei den Zahlen der Toten auf Israels Gegenspielern.
Über die Zerstörung der Lebensgrundlagen für die Palästinenser werden in nur kurzen Notizen Zahlen veröffentlicht. Die Arbeitslosenquote reicht von 30 v.H. bis 60 v.H. Im Gaza werden drei Viertel der Bevölkerung mit Lebensmitteln von außen nur notdürftig versorgt.

Das Thema "Existenzrecht für Israel" ist eine bewußt vorgezogene Gewichtung, um das "moralische Defizit" auf der Seite der Palästinenser noch weiter zu erhöhen und die ohnehin schon seit 1967 durch eine menschenverachtende Besatzung zerstörte Gesellschaft Palästinas nicht zur Ruhe kommen zu lassen.
Dabei darf eine Tatsache ebenso wenig übersehen werden. Die Hamas gründete sich erst nach 21 Jahren als Antwort auf eine die Palästinenser entrechtende und die Menschenrechte und das Völkerrecht verachtende Besatzung.
Durch den finanziellen Boykott der sog. "Autonomie"-Behörde wird, auch von außen - besonders durch die "Rechtsstaatlichen Demokratien" Europas - der Boden für eine bürgerkriegsähnliche Situation bewußt gefördert.

Wie sollte in einer Gesellschaft, die seit bald einem halben Jahrhundert stets an die Grenze ihrer eigenen Existenz getrieben wird, auch nur ernsthaft die Kräfte entstehen, die einen militärisch so hoch gerüsteten Staat wie Israel vernichten wollten.
Wer die Selbstmordattentate als existenzielle Bedrohung für den Staat Israel ansieht, der verschließt die Augen davor, daß der Einsatz des eigenen Lebens, die allerletzte Möglichkeit bietet, sich gegen einen überaus bedrohlichen Feind zur Wehr zu setzen.
Selbst das Völkerrecht anerkennt diese Gefahr eines Aufstandes, wenn dem Unterdrückten jedes Recht verweigert wird.
So steht es vor den Menschenrechten in der Präambel

Es ist so widersinnig, wenn die stärkste Macht im Nahen-Osten als in ihrer Existenz bedroht dargestellt wird.
Dieses Bemühen hat nur das eine Ziel, von dem fortgeschrittenen Landraub Israels in Palästina abzulenken und diese Zerstörung eines Landes, einer Gesellschaft, eines Volkes und seines Staates - bereits vor seiner Gründung - ebenso nicht in Erscheinung treten zu lassen.

Anstatt immer wieder auf den so ohnmächtigen Zerstörungswillen der Hamas hinzuweisen sollte täglich von dem Elend in der Palästinensischen Gesellschaft berichtet werden, die jetzt nach 40 Jahren Besatzung durch Israel - mit Vorsatz - und das auch von den Rechtsstaatlichen Demokratien Europas - in den Hunger getrieben wird.

Die Bevölkerung im Gaza soll durch eine absichtliche "Mangelversorgung" - eine Kollektivstrafe, die in in Artikel 33 der IV. Genfer Konvention ausdrücklich verboten ist, physisch unter Druck gesetzt werden, sich von der demokratisch gewählten Hamas abzuwenden. Jeder physische und moralische Zwang wird auch in Artikel 31 ausdrücklich verboten.

Dadurch wird von den Rechtsstaatlichen Demokratien Europas die Gefahr eines Bürgerkrieges in der Palästinensischen Gesellschaft herauf beschworen. Obwohl sie sich alle in Artikel 1 mit ihrer Unterschrift dazu verpflichtet haben, die Forderungen in dieser Konvention "unter allen Umständen" einzuhalten und durchzusetzen.

Das "Unrecht" besteht nicht in der Bedrohung der Existenz Israels durch den Zerstörungswillen der Hamas, sondern darin, daß die Unterzeichnerstaaten der IV. Genfer Konvention die Anwendung und die Durchsetzung des Völkerrechts dem Volke der Palästinenser widerrechtlich vorenthalten.


12 Sivan 5766 * 8. Juni 2006 © Heinz Kobald

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( 1 ) Die Welt, erschienen am 7. Juni 2006, von rtr/nj
Abbas gibt Hamas mehr Zeit
Palästinenserpräsident will noch in dieser Woche
Termin für Referendum nennen

( 2 ) Das Genfer Abkommen über
den Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten

Abgeschlossen in Genf am 12. August 1949

( 3 ) Vier Jahrzehnte Konflikt
Le Monde diplomatique, Nr. 8294 vom 8.6.2007, 65 Zeilen