Der unerträgliche Standpunkt

Heinz Kobald

  
 
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in Milliardenhöhe
Freihandelsabkommen sind eine Gefahr für Staatshaushalte
Der Investitionsschutz macht aus dem Staatsbankrott
einen Gewinn für die Investoren
Entschädigungszahlungen in Milliardenhöhe

TTIP - Entschädigungs-Zahlungen
in Milliarden-Höhe







Die kleine Slowakei hatte immerhin im Streit mit einer Bank
553 Millionen Euro zu entrichten;

für Tschechien kam Friends of the Earth auf einen Betrag von 460 Millionen Euro,
für Rumänien auf 183 Millionen Euro.

Länder wie Polen, Tschechien oder Ungarn stünden
wegen der Zahl der sie betreffenden Investorenschutzbeschwerden "im Zwielicht",
schreibt Germany Trade & Invest,
die Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland für Außenwirtschaft und Standortmarketing.

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Zu fragen ist freilich, wer hier "im Zwielicht" steht -
die Investoren oder die Staaten?

Ende 2012 reichte der staatlich kontrollierte chinesische Lebensversicherer Ping An
Klage gegen Belgien vor einem internationalen Schiedsgericht ein,
Basis dafür ist das 2005 abgeschlossene belgisch-chinesische Investitionsabkommen.
Anlass für die Klage war, dass Belgien, Luxemburg und die Niederlande vier Jahre zuvor
im Zuge der globalen Finanzkrise den Finanzkonzern Fortis
mit Steuermilliarden vor der Pleite gerettet und verstaatlicht
hatten.
Ping An, Chinas zweitgrößte Versicherungsgesellschaft,
war mit rund 1,8 Milliarden Euro in Fortis investiert und
hatte infolge der Zerschlagung des insolventen Instituts
einen Großteil seiner Investition verloren.

Aus der weltweiten Finanzkrise versuchen internationale Investoren
auch in anderen Ländern Kapital zu schlagen,

wie eine weitere Studie von Corporate Europe Observatory (CEO) und
dem Transnational Institute (TNI) belegt ("Pro-fiting from Crisis").

Danach fordern Investoren allein von Zypern und Spanien vor internationalen Schiedsgerichten
Entschädigung für entgangene Profite über mehr als 1,7 Milliarden Euro,
und oft sind es Anleger, die erst während der Krise in die jeweiligen Märkte einstiegen.

Gegen Zypern, wo die Regierung die kriselnde Laiki Bank verstaatlichte,
klagte Anfang 2013 der griechische Finanzinvestor Marfin,
der die Expansion der Bank selbst stark mit vorangetrieben hatte;
gemeinsam mit anderen Anlegern fordert der Finanzinvestor
nun schätzungsweise eine Milliarde Euro vom zyprischen Steuerzahler
wegen entgangener Gewinne.

In Spanien wollen ausländische Investoren Geld,
weil die Regierung in der Krise die Förderung erneuerbarer Energien
wie zum Beispiel Solarstromanlagen radikal zurückfuhr.

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Wegen der entgangenen Gewinne klagen nun mehrere Unternehmen
vor internationalen Schiedsgerichten, darunter auch deutsche Firmen wie
die KGAL GmbH & Co KG, die der Commerzbank, der BayernLB, Sal. Oppenheim und der Hamburger Sparkasse (Haspa) gehört.
Laut der CEO / TM-Studie
erwarten die Kläger rund 700 Millionen Euro Entschädigung;
sie tun das auf der Basis der Energiecharta,
die ähnliche Investitionsschutzklauseln enthält wie Handelsabkommen.

Gegen das Krisenland Griechenland klagt die in der Slowakei ansässige Postovä Bank
gemeinsam mit einer zyprischen Finanzfirma;
beide kauften Anleihen des griechischen Staates,
die im Zuge des Schuldenschnitts drastisch an Wert verloren.

Weltweit und immer verrückter dreht sich das Klagekarussell
gegen alle nur erdenklichen Gesetze und staatlichen Maßnahmen,
und überall soll der Steuerzahler dafür geradestehen.

Ein europäischer Investor klagte gegen Südafrika,
weil er sich durch die Fördermaßnahmen für schwarze Geschäftsleute diskriminiert sah;
er zog die Klage erst nach großem medialen Druck und einer Einigung mit der Regierung zurück.

Kanada, das gerade mit der EU das Freihandelsabkommen CETA
inklusive Investorenschutzkapitel abgeschlossen hat,
wird vom US-Pharmakonzern Eli Lilly wegen seines Patentrechts verklagt:

Kanadische Gerichte hatten zwei Patente von Eli Lilly
für Medikamente zur Behandlung von ADHS und von Schizophrenie für nichtig erklärt,
weil der versprochene Nutzen in einer kurzen Testphase mit wenigen Probanden
nicht ausreichend belegt worden war;
jetzt verlangt der US-Pharmariese 500 Millionen US-Dollar Entschädigung
sowie eine Änderung des kanadischen Patentgesetzes, nach dem ein Patent nur erteilt ...

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Kanada muss sich sogar des Angriffs eines kanadischen Unternehmens erwehren.

Der kanadische Öl- und Gaskonzern Lone Pine Resources
verklagte 2012 die Regierung auf 250 Millionen kanadische Dollar Schadenersatz,
weil die Provinz Quebec wegen möglicher Umweltschäden
ein Moratorium für Erdgas-Fracking erlassen hat
und einzelne Bohrlizenzen widerrief,
bis eine neue Studie die Gefahren bewertet.

Der kanadische Rohstoffkonzern wählte aber nicht
etwa den Klageweg über ein kanadisches Gericht,
sondern beruft sich auf das Investitionsschutzkapitel
des nordamerikanischen Freihandelsabkommens NAFTA
zwischen Kanada, den USA und Mexiko.

Weil dieser Klageweg in Kanada nur nichtkanadischen Unternehmen offen steht,
betreibt Lone Pine das Verfahren
über eine Briefkastenfirma in der US-Steueroase Delaware
.
Anwälte bezeichnen derlei trickreiche Investitionsstrukturierungen
als "treaty Shopping":

Über ein Netz von Tochterfirmen
kann sich ein klagewilliges Unternehmen
das jeweils investorenfreundlichste Abkommen aussuchen.

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Quelle der Textteile:

Thilo Bode "TTIP - Die Freihandels-Lüge"
Warum TTIP nur den Konzernen nützt -
und uns allen schadet


Deutsche Verlagsanstalt München, 2015, Seiten 210, 14,99 €

Thilo Bode
Thilo Bode, geboren 1947, studierte Soziologie und Volkswirtschaft.
1989 wurde er Geschäftsführer von Greenpeace Deutschland,
1995 von Greenpeace International.
2002 gründete er die Verbraucherorganisation Foodwatch.


Überlegungen zu dem Gelesenen:

Nach diesem Bild der klagenden Investoren muß es jeder Regierung klar sein, sie darf kein in den Abgrund stürzendes Unternehmen "auffangen wollen", an dem ausländische Investoren beteiligt sind. Zugleich bleibt sie an alle Fördermaßnahmen für wirtschftliche Entwicklungen gebunden, an denen ebenfalls ausländische Investoren beteiligt sind.
In beiden Fällen setzt sie dafür ihre Steuergelder ein.
Die Regierung eines Staates mit Investitionsschutzabkommen dürfte keine Offene Hand für Fördermaßnahmen haben, weil sie sich damit potentiell der Gefahr einer Klage von ausländischen Investoren aussetzt. Sie weiß nicht wann und wo ausländische Investoren sich an ihren Fördermaßnahmen "beteiligen".
Sind ausländische Investoren an den jeweiligen Unternehmungen beteiligt, drohen dem "auffangenden und fördernden" Staat sogar noch Klagen wegen "entgangener Gewinne", weil sich der Staat in die wirtschaftlichen Vorgänge "eingemischt" hat. Den Staat trifft jedoch für den wirtschaftlichen Absturz eines Unternehmens kein Verschulden. Die Verantwortung trägt allein die Geschäftsführung des jeweiligen Unternehmens.
Für die Klagen der Investoren muß der Staat wieder in seine Staatskasse mit den Steuergeldern greifen. Steuergelder, die für die Aufgaben des Staates für das Gemeinwohl seiner Bürger - Steuerzahler - "verloren" sind. Diese Steuergelder haben ausländische Investoren auf einem außerparlamentarischen und außerhalb des verfassungsgemäßen Rechtsweges "entwendet". Es ist unfassbar, aus welchen Gründen sich souveräne Staaten dieser Gefahr der "Übervorteilung" aussetzen und darüber ihren Staatsbürgern und - Steuerzahlern - keine Rechenschaft ablegen.
Dem Staat Griechenland wird wegen seiner selbstverschuldeten Finanzlage ein Schuldenschnitt gewährt. Das ist für ausländische Investoren ein Grund, ihren Anspruch auf Entschädigung zu erheben. Es erscheint daher für die Gläubiger Griechenlands geboten, auf ihren Schuldenschnitt zu verzichten.