Der unerträgliche Standpunkt

Heinz Kobald

  
 
Startseite / MENSCHLICHKEIT / Die Drohung der Drohne
Die Bedrohung der Entfernung
Die Drohung der Drohne

Die Drohung der Drohne





Mit der Ausgestaltung von Waffen zog sich die Menschlichkeit in der Menschheit stets weiter aus ihr zurück. Die Ehrlichkeit der Auseinandersetzung von Körper gegen Körper, Kraft gegen Kraft und Arm gegen Arm, die entzog sich dem Kampfgeschehen mit jeder Weiterentwicklung.
War am Anfang noch das Messer, das Schwert, die Lanze, in der Hand der Kämpfenden, so zogen sich die Kämpfer mit dem Abschießen von Pfeilen auf einen Abstand zwischen sich zurück. Dieser Abstand wurde mit der Verbesserung der Waffen so groß, daß sie sich beim Töten nicht mehr in die Augen sehen mußten.

Dann kamen das Pulver und das Blei in den Gewehrrohren und die Vergrößerung der Geschoße bis in den Kanonenrohren und den Bombenschächten.

Der Soldat sah nun nicht mehr, ob er da einen Menschen tötete und wie er das anstellte. Er schob nur ein Geschoß in den Lauf seiner Waffe und drückte ab. Das Auslöschen eines Lebens vollzog sich in immer weiterer Entfernung. Damit verlor der Mensch sein Gespür für die Zerstörung von Leben. Das Leben anderer berührte ihn nicht mehr. Es war ganz einfach nicht da. Er verlor ganz das Bewußtsein, daß er mit seiner Waffe das Leben von Menschen zerstörte.

Die Achtung vor dem Leben verschwand.
Die Achtung vor dem Menschen beschwerte das Gewissen nicht.

So konnte es geschehen, daß Kriege die Menschheit in einem immer größer werdenden Ausmaß überfielen, weil es die Waffen möglich machten, mit einem Schuß nicht nur einen Menschen zu töten, sondern Hunderte, Tausende, ja Millionen von Lebewesen der eigenen Art.

Gewann die kriegerische Auseinandersetzung in der Entfernung an Humanität?

Und wie soll uns die Drohne dazu verhelfen, die eigenen Soldaten vor dem Getötetwerden zu beschützen, während sie andere töten?
Nein, das ist nur ein weiterer Schritt auf dem Irrweg, andere Menschen töten zu müssen, um selbst zu überleben.
Kein Mensch kann ohne den anderen Menschen am Leben bleiben.
Wer einen anderen Menschen tötet, zerstört damit auch immer einen Teil seines eigenen Lebens.

Der schwache Despot benützt seine Soldaten, um die wirkungsvoller töten zu können, die er glaubt, bekämpfen zu müssen.
Er selbst dagegen verliert jede Kampffähigkeit, gegen einen vermeintlichen Feind anzutreten. Mit jeder verbesserten Waffe verliert ein Herrscher die Achtung vor den Menschen, die er töten läßt und vor seinen eigenen Soldaten, die von den selben Waffen ebenso bedroht sind.
Jetzt ziehen sich sogar die Soldaten aus dem Kampffeld zurück und übergeben das Töten an Maschinen, die nun nicht mehr auf dem Boden stehen oder fahren, sondern über den Köpfen der Menschen hinweg fliegen. Bisher saß der Mensch noch als Pilot in diesen Tötungsmaschinen.

Was verbessert sich dadurch, wenn er selbst nicht mehr in dieser Todesmaschine sitzt und sie steuert? Was soll verbessert werden?

Hat sich bisher in der Menschheit oder in ihrer Menschlichkeit durch die Verbesserung von Waffen etwas verändert? Sind der Trieb nach Macht, Herrschen, Beherrschung von anderen auf eine humane Weise verändert worden?
Ist nicht der Mörder mit dem Messer der selbe geblieben, der jetzt eine Drohne steuert?

Eigentlich sollte mit jedem Stich, mit jedem Schlag, mit jedem Schuß, mit jeder Bombe, die ein Soldat gegen einen anderen Menschen, gegen andere Menschen ausführt, ein Teil an ihm selbst zerstört werden, der abgeschlagene Arm, der Fuß. Immer, wenn er einen anderen tötet, stirbt er selbst.
Tötet er mehrere Menschen in einer anderen Gruppe von Menschen, dann sterben gleichzeitig die selbe Anzahl von Menschen in seiner eigenen Gruppe.

Waffen mit dieser Auswirkung auf der Seite des Angreifers wie des Verteidigers würde ich für eine Übergangszeit akzeptieren.
Denn nur sie führten die Menschen dazu, sich nicht mehr gegenseitig umzubringen.
Weil der Tod, den sie anderen bringen, auch sie selbst sichtbar trifft.

Erst diese Waffe würde den Menschen wirklich vor sich selbst beschützen.

Eine neue Waffe, eine neue Rakete, ein neues Geschoß, eine Drohne beschützt keinen Menschen davor, von einem anderen Menschen getötet zu werden.
Die Menschen, die ihre Freiheit in ihrem Land mit zahlreichen Waffen so hemmungslos verteidigen, töteten damit sogar schon mehrmals eine Vielzahl ihrer eigenen Kinder. Der Ruf nach mehr Waffen würde für diese Kinder nicht mehr Sicherheit bringen, sondern sie nur einer größeren Todesgefahr aussetzen.

Dafür hat uns der Schöpfer dieser Welt diese Erde mit ihren wohltuenden Eigenschaften nicht übergeben.
Niemand sage ohne Nachdenken, die Welt ist so, der Mensch ist so.
Nein, die Welt ist das, wozu sie der Mensch macht.
Und, der Mensch tut das, wozu er sich entscheidet, nach seinem eigenen Willen.
Es ist nicht notwendig, den Menschen zu befähigen, sich in immer größerer Entfernung voneinander umzubringen.
Es ist notwendig, daß sich die Menschen in die Augen sehen, wenn sie voreinander stehen.
Es ist für das humane Sicherheitsbedürfnis nicht notwendig, daß sich Menschen immer weiter voneinander entfernen, um sich aus immer größer werdenden Entfernung immer noch vollkommener töten zu können.

Das Verbot des Tötens steht erst nach dem Gebot der Liebe.
Ist das Gebot, seinen Nächsten zu lieben, mit einem technischen Trick umgangen worden? Weil sich der Mensch mit einer raffinierten Waffentechnik immer weiter von seinem Nächsten entfernen kann. Weil er weder vor, noch während, noch nach dem Töten sein Nächster hätte werden oder sein können?

Verhindert u. a. auch eine "Vervollkommnung" der Waffentechnik den Begegnungsraum der Menschen?
Mit einer Drohne kommt der eine Mensch dem anderen Menschen ebenso nicht näher wie mit einem Pfeil, einer Patrone, einer Bombe oder einer Rakete. Der Kampf mit der Drohne wird die Gefahr des Getötetwerdens für den, der die Drohne steuert, niemals beseitigen.
Jede technische Entwicklung, insbesondere in der Waffentechnik, verschafft für den Augenblick nur einen Vorteil von kurzer Dauer.

Die Rüstung schützte den Ritter nur solange, solange keine Waffe den Panzer durchstoßen konnte. Oder eine neue Kampfweise das Kriegsfeld betrat, bei der die Rüstung zum Hindernis wurde.

Es müssen die Bedingungen und Einstellungen in den Menschen verändert werden, die den Glauben hervorrufen, die Waffe sei das heilbringende Instrument für die Konfliktlösung.

Über die Notwendigkeit der Anwendung von Waffen werde ich hier keinen Gedanken beschreiben. Denn die Waffen haben in ihrer Geschichte deutlich gezeigt und bewiesen, sie taugen nicht dazu, das zu verwirklichen, was mit ihrem Einsatz den Menschen versprochen wird.

Waffen entstehen heute noch aus der Unfähigkeit des Menschen, den Frieden für sich und andere mit anderen Mitteln zu sichern. Mit seinem Verstand, mit seinem Erkennen über sich selbst und dem Verstehen des Lebens anderer.


* 1. Juni 2013 © Heinz Kobald



Gegen das Lob der Kriegstechnik

Zitat:

"Frieden wird
nach unserer Überzeugung
vor allem durch
eine entsprechende
Rechts- und Gesellschaftsordnung geschaffen,
Frieden orientiert sich an der Option der Gewaltfreiheit
und ist ausgerichtet auf menschliche Sicherheit
und soziale Entwicklungsarbeit.
Hier werden Innovationen dringend gebraucht!"

Quelle:
Es ist Krieg, und
keiner geht hin
Kampfdrohnen halten
die Schrecken des Todes
auf Abstand.
Humaner machen sie
den Krieg nicht.


AUTOR: Nikolaus Schneider
Nikolaus Schneider ist Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche Deutschland