Grundsätzlich bleibt die Anfechtbarkeit
Zu Beginn ein Gedanke der Verfassungsrichter, dem uneingeschränkt zuzustimmen ist.
Zitat:
"Soweit im Steuerrecht Steuerbefreiungen, Steuerentlastungen
oder sonstige steuerliche Begünstigungen
nur bestimmten Personen oder Gruppen gewährt werden,
stellt sich häufig die Frage,
ob eine solche Norm mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist." ( 2 )
Doch seine Spur verliert sich auf den anderen Wegen, die dann begangen werden.
Zitat:
"Diese Entscheidung ist unanfechtbar." ( 2 )
Diese Unanfechtbarkeit bestellt sich das Verfassungsgericht für das Verfahrensrecht.
Die grundsätzliche Anfechtbarkeit der Steuerfreiheit für die pauschale Vergütung bleibt vor dem Grundgesetz bestehen.
Zitat:
"Abgeordnete des Bundestages erhalten eine monatliche Kostenpauschale in Höhe von 3.969 Euro.
Dieser Betrag macht etwa ein Drittel ihrer gesamten Bezüge aus und ist steuerfrei."
( ... )
"Die Kläger wollten nun erreichen,
auch pauschal ein Drittel ihrer Einnahmen absetzen zu können." ( 3 )
Zu bedauern ist diese Antragstellung der Kläger, die unüberlegt und eigennützig vorgetragen ist.
Es hätte der steuerlichen Beratung der Beschwerdeführer bekannt sein müssen,
dass eine widerrechtlich gewährte Begünstigung wegen ihrer mangelnden gesetzlichen Grundlage nicht auch für andere Antragsteller anwendbar ist.
Insofern ist dieses unnütz angestrebte Verfahren nur ein weiteres Medienspektakel, das dem Vertrauen in unsere Demokratie und unseren Rechtsstaat weiteren Schaden zugefügt hat.
Selbst das höchste Gericht begibt sich in seiner Begründung an den Rand der Verständlichkeit.
Zitat:
"Für die Anforderungen an Rechtfertigungsgründe
für gesetzliche Differenzierungen kommt es wesentlich darauf an,
in welchem Maß sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten auswirken kann." ( 2 )
Ein Meter ist für jeden, der diese Maßeinheit anwendet, 1 m, weder um 10 mm länger noch um 2 cm kürzer.
Darum gibt es auch keinen Spielraum für einen "Maßstab", wann eine Ungleichheit beginnt und wann nicht.
An einem Stuhl müssen alle vier Beine gleich lang sein, sonst steht er schief.
Abgeordnete schulden viel mehr als eine Dienstleistung gegenüber einem Arbeitgeber.
Sie schulden ihren Dienst an der Verfassung in Verantwortung gegenüber dem Staatssouverän, dem Wähler, von dem sie ihr Mandat erhalten.
Diese Tatsache ist in zahlreichen selbstgerechten Entscheidungen in eigener Sache mit der Zeit und "Gewohnheit" ohne aufmerksame Verantwortung mehr und mehr zugeschüttet worden.
Die Aufwendungen dienen - vergleichbar den Aufwendungen des Arbeitnehmers - dem Erhalt des Mandates - bzw. dem Erhalt des Arbeitsplatzes.
Beide beziehen aus ihrer Tätigkeit ihre Einkünfte.
Aus diesem Grund ist ein so wesenhafter Unterschied in den Vergütungen für die geforderte Tätigkeit nicht festzustellen.
Was sagt der Bundestag selbst zu seiner Kostenpauschale.
Zitat:
"Die steuerfreie Kostenpauschale für die Abgeordneten
soll die durch die Ausübung des Mandats entstehenden Aufwendungen abdecken.
Hierzu zählen Ausgaben für die Einrichtung und Unterhaltung
eines oder mehrerer Wahlkreisbüros,
für Fahrten im Wahlkreis und für die Wahlkreisbetreuung.
Aus der Kostenpauschale bestreitet der Abgeordnete auch
die Ausgaben für die Zweitwohnung am Sitz des Parlaments.
Die Pauschale wird jährlich zum 1. Januar an die Lebenshaltungskosten angepasst und beträgt derzeit 3.969 € monatlich."
Kosten, die darüber hinausgehen, können nicht steuerlich abgesetzt werden,
denn es gibt für den Abgeordneten keine "Werbungskosten". ( 1 )
Bei dieser Zweckbestimmung soll eine Nachprüfung zu sog. Abgrenzungsschwierigkeiten führen?
Hier wäre durchaus der Beginn bei der Aufhebung der Verschleierungsnebel über die Einflussnahme der Lobby auf die Entscheidungsfreiheit der Abgeordneten zu erkennen. Oder sehen sich Abgeordnete in ihrer Verantwortung gegenüber ihrer Wählerschaft nur auf den beschränkten Teil der Lobby verpflichtet?
Eine offensichtliche Zersetzung der Gleichheit vor dem Gesetz beginnt bei folgender Vermutung.
Zitat:
"Die Abgeordnetenpauschale entspreche
"weniger einer Werbungskostenpauschale" als
einem pauschalierten Auslagenersatz für Kosten,
deren tatsächlicher Anfall vermutet werde." ( 5 )
Hier werden urplötzlich Saltos außerhalb des geltenden Steuerrechts gedreht.
Jedem rechtschaffen kaufmännisch Denkenden wird die Verbuchung von vermuteten Auslagen in der Bilanz gewiß Kopfschmerzen bereiten.
Hier wird eine Nachprüfung sofort als unsinnig ersichtlich, weil keine tatsächlichen Ausgaben nachgewiesen werden können. Welche Berechtigung hätte demnach ein Auslagenersatz und in welcher Höhe sollte er bemessen werden?
Abgrenzungsschwierigkeit bei
der ausschließlichen Verantwortung
Die Verfassungsrichter schaffen jedoch einen Kreis des Widerspruchs.
Zum einen betonen sie bei der Wahrnehmung des Mandats eine ausschließliche Verantwortung gegenüber dem Wähler - und dann sollen die Aufgaben nicht bestimmbar und abgrenzbar sein und sich deswegen einer Nachprüfbarkeit wieder entziehen.
Wie soll Rechenschaft abgelegt werden, wenn es keine Nachprüfbarkeit geben darf?
Zitat:
"Die besondere Stellung des Abgeordneten liege darin,
dass er "über die Art und Weise der Wahrnehmung seines Mandats
grundsätzlich frei und
in ausschließlicher Verantwortung gegenüber dem Wähler" entscheide
- auch in der Frage, welche Kosten er dabei auf sich nimmt." ( 5 )
Zitat:
"Deren pauschale Erstattung solle "der Vereinfachung dienen"
und "Abgrenzungsschwierigkeiten vermeiden",
die beim Einzelnachweis mandatsbedingter Aufwendungen aufträten.
Denn die Aufgaben eines Abgeordneten könnten
aufgrund der Besonderheiten des Abgeordnetenstatus
"nicht in abschließender Form bestimmt" werden." ( 5 )
Hier soll eine Ungleichheit von Gleichen "sachliche Gerechtfertigung" erhalten.
Der Bund der Steuerzahler hingegen könnte auch seine eigene Untätigkeit bedauern.
Zitat:
"Der Bund der Steuerzahler bedauerte,
dass die Verfahren vom BFH nicht nach Karlsruhe gegeben wurden.
Die Münchner Richter hätten sich aus der entscheidenden Frage "herausgewunden",
ob ein verfassungsrechtlicher Verstoß
gegen die steuerrechtliche Gleichbehandlung vorliege,
sagte Verbandspräsident Karl Heinz Däke." ( 6 )
Zu dieser Entscheidung hat sie das eigennützige Ziel der Beschwerdeführer auch nicht gezwungen.
Die Abgehobenheit mancher Mandatsträger in der Abgrenzung von anderen Steuerpflichtigen zeigt sich in folgenden Worten.
Zitat:
"Für die Grünen-Fraktion
begrüßte der parlamentarische Geschäftsführer Volker Beck das Urteil
als eine Stärkung des freien Mandats der Bundestagsabgeordneten.
Durch die Pauschale wird letztlich vermieden,
dass Verwaltungsbeamte den Abgeordneten
bei der Ausübung ihres Mandates hineinreden",
sagte Beck laut Mitteilung." ( 6 )
Hier vergisst Herr Beck eben diese Besonderheit seiner Stellung als Mandatsträger, in der er über die Art und Weise der Wahrnehmung seines Mandats zwar grundsätzlich nach seinem Gewissen frei entscheiden darf, sein Handeln aber in einer ausschließlichen Verantwortung gegenüber dem Wähler zu rechtfertigen hat.
Doch gerade diese Türe, die aus diesem Grunde offen zu halten ist, möchte er gerne zugeschlagen sehen.
Auch für Abgeordnete hat wegen der Gleichheit vor dem Gesetz die Überprüfbarkeit ihrer mandatsbedingten Ausgaben zu gelten.
Gerade auch hier beginnt die Rechenschaft der Abgeordneten gegenüber ihren Wählern, die auch in einem besonderen Verfahren von damit beauftragten Verwaltungsbeamten vorgenommen wird.
Der Hinweis der Verfassungsrichter auf die Besonderheit in der Stellung der Mandatsträger und die darin eingeschlossene ausschließliche Verantwortung gegenüber dem Wähler darf sie gerade dieser Überprüfbarkeit ihrer mandatsbedingten Ausgaben nicht entziehen.
Dieser Widerspruch begründet eben diese verfassungswidrige Ungleichbehandlung von Abgeordneten und anderen Steuerpflichtigen.
Was Herr Beck respektlos als Hineinreden benennt, ist ausschließlich seine Verantwortung gegenüber dem Wähler. Doch dieser Verantwortung hat er sich im Verstehen seines Mandates ganz offensichtlich bereits entfremdet.
Es ist daher nicht verwunderlich, in welchem Ausmaß sich diese Entfremdung bereits bei den Wählern festgesetzt hat.
16. August 2010 © Heinz Kobald
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( 1 ) Bundestag - Kostenpauschale
( 2 ) BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 2227/08 -
- 2 BvR 2228/08 -
Zitierung:
BVerfG, 2 BvR 2227/08 vom 26.7.2010, Absatz-Nr. (1 - 12),
http://www.bverfg.de/entscheidungen/rk20100726_2bvr222708.html
Frei für den nicht gewerblichen Gebrauch.
Kommerzielle Nutzung nur mit Zustimmung des Gerichts.
( 3 ) Ärzte Zeitung online, 12.08.2010
Steuerfreie Pauschale für Abgeordnete verfassungsgemäß
( 4 ) Reuters, Donnerstag, 12. August 2010, 15:49 Uh
Steuerfreie Pauschale für Bundestagsabgeordnete rechtens
( 5 ) Spiegel, 12.08.2010
Verfassungsgericht - Karlsruhe billigt steuerfreie Pauschale für Abgeordnete
Beschwerden vor dem Bundesverfassungsgericht waren erfolglos.
Die steuerfreie Abgeordnetenpauschale verstößt nicht gegen das Grundgesetz,
entschieden die Karlsruher Richter.
( 6 ) Tagesspiegel, 04.10.2008, 00:00 Uhr
Keine steuerfreie Pauschale für alle
Gericht: Abgeordnete sind nicht mit anderen Berufsgruppen vergleichbar