Der unerträgliche Standpunkt

Heinz Kobald

  
 
Startseite / Deutschland / Ein Gebet für Juden / Juden beten für Nichtjuden
Juden beten für Nichtjuden
Juden beten für Nichtjuden

Juden beten für Nichtjuden







Die Monotheistische Logik


Von Rabbi Jacob Neusner


Israel betet für die Nichtjuden,
also sollten die anderen Monotheisten
- einschließlich der katholischen Kirche -
gleiche Rechte haben, ohne dass jemand sich dadurch verletzt fühlte.

Jedes andere Verhalten gegenüber den Nichtjuden
würde diesen den Zugang zu dem einen Gott verwehren,
den Israel aus der Torah kennt.

Das katholische Karfreitagsgebet
bringt dieselbe großherzige Geisteshaltung zum Ausdruck,
die für das Gebet des Judentums charakteristisch ist.

Gottes Reich öffnet seine Tore der gesamten Menschheit,
und wenn die Israeliten für das baldige Kommen von Gottes Reich beten,
dann bringen sie die gleiche großherzige Geisteshaltung zum Ausdruck,
die den Text des Papstes für das Gebet für die Juden
- besser das "heilige Israel" -
am Karfreitag kennzeichnet.

Lassen Sie mich das erklären.
Die Anhaltspunkte für die Theologie des Judentums gegenüber den Nichtjuden
möchte ich aus dem normalen Gottesdienst in der Synagoge ableiten,
der dreimal am Tag abgehalten wird.

Der Text entstammt dem Buch
"The Authorised Daily Prayer Book of the United Hebrew Congregations of the British Empire" (London 1953),
dem offiziellen Gebetbuch der Vereinigten Jüdischen Gemeinden des Britischen Königreichs,
das die englische Übersetzung eines Gebets für die Bekehrung der Nichtjuden enthält,
welches an jedem Tag im Jahr dreimal den öffentlichen Gottesdienst beschließt.

Dieser Text ist für alle Gottesdienste des Judentums einheitlich.
In ihm dankt das heilige Volk Israel
- nicht zu verwechseln mit dem Staat Israel -
Gott dafür,
dass er Israel von anderen Völkern unterscheidet.

Im Gebet bittet das heilige Israel darum,
dass die Welt vervollkommnet wird,
wenn die gesamte Menschheit den Namen Gottes anruft und weiß,
dass jeder vor Gott sein Knie beugen muss.

Das Gebet "An uns ist es, den Herrn aller Dinge zu preisen" dankt Gott dafür,
dass er Israel von anderen Völkern der Welt unterscheidet.
Israel hat sein eigenes "Schicksal", das darin besteht,
sich von den anderen Völkern zu unterscheiden.
Gott wird darum gebeten,
"die Erde von den Gräueln zu befreien,
wenn die Welt unter der Herrschaft des Allmächtigen
vervollkommnet sein wird".
Dieses Gebet für die Bekehrung "aller Gottlosen auf der Erde",
die "alle Bewohner der Erde" sind,
wird im normalen Judentum nicht einmal im Jahr,
sondern jeden Tag gesprochen.

Es findet seine Entsprechung in der Passage des Gebets der achtzehn Benediktionen,
in der Gott gebeten wird, "die Herrschaft des Hochmuts" zu unterbinden.

Wir könnten sagen,
dass im normalen Judentum zu Gott gebetet wird,
er möge die Völker erleuchten und seinem Reich zuführen.
Als ob diese Hoffnung unterstrichen werden sollte,
folgt dem Gebet "An uns ist es" das Kaddisch:
"Sein Reich erstehe in eurem Leben in euren Tagen und
im Leben des ganzen Hauses Israel, schnell und in nächster Zeit".

Ich kann nicht erkennen,
wie diese Gebete sich in ihrer Geisteshaltung oder in ihrer Absicht
von dem in der Diskussion stehenden Gebet unterscheiden.

Diese Abschnitte aus den normalen, täglichen Gottesdiensten des Judentums
lassen keinen Zweifel daran,
dass das heilige Israel, wenn es sich zum Gebet versammelt,
Gott darum bittet, die Herzen der Nichtjuden zu erleuchten.
Die eschatologische Sicht findet Nahrung bei den Propheten und
ihrer Vorstellung von einer einzigen und vereinten Menschheit und
umgreift die gesamte Menschheit in einer offenen Geisteshaltung.

Die bekehrenden Gebete des Judentums und des Christentums
haben ein gemeinsames eschatologisches Zentrum und
wollen allen Völkern die Tür zum Heil offen halten.

So wenig wie das Christentum und der Islam
Anstoß am israelitischen Gebet nehmen,
sollte auch das heilige Israel
keinen Einwand gegen das katholische Gebet erheben.

Beide Gebete,
sowohl das "An uns ist es" als "Lasst uns auch beten für die Juden",
erfassen die Logik des Monotheismus und seine eschatologische Hoffnung.


________________________________________________


circum agere

Es verblüfft doch sehr, wie der Rabbi Homolka aus Berlin, die Präsidentin des Zentralrates der Juden in München und die Journalistin Maier-Albang der Süddeutschen Zeitung diese Aufklärung über das Gebet im Judentum für die Nicht-Juden bei ihrer "Verärgerung" über das Gebet der Christenheit für die Juden so "übersehen" konnten und später keine "besinnliche" Gelegenheit fanden, sich an ihre täglichen Gebete als gläubige Juden zu erinnern?


________________________________________________



Die Tagespost vom 23. Februar 2008

RABBI NEUSNER VERTEIDIGT
VERÄNDERTE KATHOLISCHE KARFREITAGSFÜRBITTE FÜR DIE JUDEN

Monotheistische Logik
Von Rabbi Jacob Neusner


Der Autor
ist Professor für Geschichte und Theologie des Judentums
am Bard College in New York.
Verfasser des Buches "Ein Rabbi spricht mit Jesus",
auf das Papst Benedikt XVI in seinem Jesus-Buch häufig Bezug nimmt.


Übersetzung aus dem Englischen von Claudia Reimüller


________________________________________________



Text zusammen gestellt am 19.04.2008 von Heinz Kobald