Der unerträgliche Standpunkt

Heinz Kobald

  
 
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Eine Frage an
die Kanzlerin
Merkel am Rednerpult, Foto: AP


Wie erfüllt die Regierung
meine Verpflichtungen
aus dem Völkerrecht?



Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel !

Die Genfer Konvention von 1949 wird im Jahr 2007 ihr Alter mit 58 Jahren vollenden. Das ist ein Alter, in dem ein erwachsener Mensch sowohl als Person als auch in seinem Beruf durchaus ernst genommen wird.
Als die Konvention gerade ihr "jugendliches Alter von 18" erreicht hatte, da wurde sie offenbar noch nicht als "ausgereift" genug angesehen, um mit ihr an den sog. "Konflikt" auf dem Land in Palästina heran zu gehen.

Im Rückblick auf Ihren eigenen Werdegang zur Ersten Kanzlerin Deutschlands vollendet sich in diesem Jahr 2007 das 18. Jahr Ihres "politischen Reifungsprozesses".
Sie werden inzwischen eine der Mächtigsten Frauen der Welt genannt.

Wie kläglich dagegen stellt sich das Schicksal der Konvention und seiner Nichtbeachtung "vor unsere Augen".

Ihre Worte:
"Für sehr wichtig halte ich auch die von Israel gemachten Zusagen, humanitäre Maßnahmen zuzulassen." ( 1 )

Als läge es allein in der Gunst der Regierung in Tel Aviv, Humanitäre Maßnahmen zuzulassen.
Diese - Ihre - Worte erwecken in mir das tiefste Bedauern, dass dabei offensichtlich - wieder einmal - nicht an die Genfer Konvention von 1949 gedacht worden sein kann.
Besonders zu erinnern ist - in diesem Zusammenhang - an die Verpflichtung der Besatzungsmacht in Artikel 55 zur Versorgung der Bevölkerung.

Das Genfer Abkommen über
den Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten
,
abgeschlossen in Genf am 12. August 1949:

Art. 55
"Die Besetzungsmacht hat die Pflicht,
die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungs- und Arzneimitteln
mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln sicherzustellen;( ... )"

Dazu gehören - insbesondere zu Ihrem Zitat - noch die folgenden Artikel

"Art. 59
Wird die Bevölkerung ungenügend versorgt,
soll die Besetzungsmacht Hilfsaktionen erlauben
und sie mit allen Mitteln erleichtern."

Art. 60
"Die Hilfssendungen entbinden die Besetzungsmacht in keiner Weise
von den ihr durch die Artikel 55, 56 und 59 auferlegten Verpflichtungen."

Besonders dieser Art. 60 ist angesichts der Nichterfüllung des Art. 55 durch die Regierung in Tel Aviv von weitreichender Bedeutung. Im Gegensatz zur weiter bestehenden Verpflichtung zur Versorgung versperrt die Regierung in Tel Aviv die Grenzen zum Gaza.

In diesem Zusammenhang darf ich Sie an Ihre Worte erinnern:
"Ich selber habe 35 Jahre lang am eigenen Leibe erfahren,
was es bedeutet, wenn
die Würde des Menschen nicht ausreichend im Mittelpunkt steht."
( 2 )

Alle bisherigen sog. "Vereinbarungen" haben das Geltende Völkerrecht nicht vollständig mit eingebaut. Aufgrund dieser "Halbherzigkeit" wurde nur eines bewirkt: Der status quo des "anti bellum" bleibt so seit vier Jahrzehnten erhalten.

In der Antwort des Völkerrechtsreferats vom 13. Februar 2006 - in Ihrem Auftrag - ist die Geltung der Genfer Konvention von 1949 für die von Israel Besetzten Gebiete bestätigt. ( 6 )

Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
Vom 23. Mai 1949

Artikel 25 - Völkerrecht und Bundesrecht
"Die allgemeinen Regeln des Völkerrechtes
sind Bestandteil des Bundesrechtes.
Sie gehen den Gesetzen vor und
erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar
für die Bewohner des Bundesgebietes."

Wie kann ich diese unmittelbar an mich gerichteten Pflichten als Bürger der Bundesrepublik - das GG stellt seine Forderung sogar an alle "Bewohner" des Bundesgebietes ! - erfüllen?

Wie gelingt mir diese sog. "Umsetzung" der Worte von Kofi Annan:
"Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit müssen respektiert werden,
denn sie sind die Voraussetzungen für Entwicklung und Frieden."
( 4 )

Eine Mitgliedschaft in der "Deutsche Gesellschaft für Völkerrecht" wird dafür nicht erschöpfend sein.

Zitat:
"Ziel der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht ist
die Förderung und Pflege des Völkerrechts,( ... )"
( 5 )

Denn in der "Förderung und Pflege" des Völkerrechts wird wohl noch nicht ein aktives Eintreten für seine "Einhaltung und Durchsetzung unter allen Umständen" verstanden.
Wie es der Artikel 1 der Genfer Konvention verlangt.

Worte des Bundespräsidenten Horst Köhler
aus seiner Ansprache zu Weihnachten 2006:

" ( ... ) alles hängt auch von politischer Gestaltung ab.
Deshalb geht es ( ... ) auch um die Qualität von Politik.
Gute Politik - das heißt zunächst einmal Aufrichtigkeit
bei der Einschätzung unserer Stärken und Schwächen. ( ... )
Und das heißt Stetigkeit und Stimmigkeit im Handeln. ( ... )
Deutschland - das sind wir alle.
Lassen Sie uns gemeinsam
auf unsere freiheitliche Demokratie acht geben.
Vergessen wir nicht unsere Verantwortung im Kleinen.
Sie ist Teil der Verantwortung für das Ganze.
Fühlen wir uns zuständig für Deutschland. ( ... ) "
( 3 )


Erfüllen Weihnachtsansprachen von Bundespräsidenten allein den einen Zweck, nur gesprochen zu bleiben?
Das Gefühl, das Einfühlen in eine Sache, ein Geschehen, drängt zum Handeln.

Vor mir tut sich im Augenblick ein anscheinend unüberwindbarer tiefer Graben auf.
Wie erfülle ich als der Bürger der Bundesrepublik meine Pflichten aus dem Grundgesetz und dem Völkerrecht tatsächlich, wenn ich sie zu ihrer Erfüllung an Andere abzugeben habe?

Artikel 20 - Staatsstrukturprinzipien
( ... )
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.
Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und
durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung,
die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung
sind an Gesetz und Recht gebunden.

Artikel 65 - Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers
"Der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien der Politik und
trägt dafür die Verantwortung. ( ... ) "

Erinnern Sie sich an Ihre Worte, "Gewalt ist keine Lösung"?
Diese haben Sie im vorigen Jahr in mehreren Ihrer Reden ausgesprochen.

Jetzt werden den in Palästina kämpfenden Parteien auch von Europa und den USA Waffen für einen Bruderkrieg in das Land geschickt.

Artikel 26
Verbot der Vorbereitung eines Angriffskrieges; Kriegswaffenkontrolle

(1) Handlungen, die geeignet sind und
in der Absicht vorgenommen werden,
das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören,
insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten,
sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.

Dieser Bruderkrieg ist nach dem Sieg der Hamas bei einer demokratischen Wahl bewusst von außen in das Volk der Palästinenser hinein getragen worden.
Mit dem Ziel, die Fatah durch die mit Vorsatz erzeugte Mangelversorgung in den Lebens-Gebieten der Palästinenser und die damit zunehmende Unzufriedenheit mit der gewählten Hamas, zurück an die Macht zu führen.

Das streben die Regierungen von Europa an, obwohl die Genfer Konvention die Ausübung jeder Art eines physischen und psychischen Drucks auf die Bevölkerung in den Besetzten Gebieten ausdrücklich verbietet.

Teil III - Status und Behandlung der geschützten Personen
Abschnitt I - Gemeinsame Bestimmungen für die Gebiete
der am Konflikt beteiligten Parteien und die besetzten Gebiete

Art. 31
"Auf die geschützten Personen darf keinerlei
physischer oder moralischer Zwang ausgeübt werden, ( ... ) "

Art. 32
"Die Hohen Vertragsparteien verbieten sich ausdrücklich jede Massnahme,
die körperliche Leiden oder
die Ausrottung der in ihrer Gewalt befindlichen geschützten Personen
versuchen könnte.
Dieses Verbot betrifft nicht nur Mord, Folterung, körperliche Strafen, Verstümmelungen und ( ... ),
sondern auch alle andern Grausamkeiten,
gleichgültig, ob sie durch zivile Beamte oder Militärpersonen begangen werden."

Zum Ende meines Briefes möchte ich den Artikel 1 der Genfer Konvention zitieren und an die in ihm enthaltene Verpflichtung erinnern, die meines Erachtens von bedingungsloser und grundlegender Bedeutung ist - und zu meinem tiefen Bedauern - von allen Unterzeichnerstaaten, am entscheidensten nicht beachtet wird.

Art. 1
"Die Hohen Vertragsparteien verpflichten sich,
das vorliegende Abkommen
unter allen Umständen einzuhalten
und seine Einhaltung durchzusetzen."

Die Handlungen der Regierungen der Bundesrepublik Deutschland,
die nicht mit den an mich gerichteten Forderungen und Verpflichtungen
aus der Genfer Konvention von 1949 übereinstimmen,
geschehen weder mit meinem Willen noch in meinem Namen und
sind gewiß nicht in der Erteilung meines Mandates enthalten,
die mir als Bürger dieses Staates auferlegten Pflichten
aus dem Grundgesetz und dem Völkerrecht,
gem. Art. 20 Ab.2. Satz 2 GG an meiner Stelle zu erfüllen.

Dazu darf ich mich an Ihre Worte erinnern:
"Null Toleranz gegen Verstöße gegen das Völkerrecht !" ( 2 )

Dass mein Weg der Willensbildung zu diesem Thema auch erst einige Jahre zurück legen musste - und jetzt auf Sie trifft, bitte ich, nicht mit Ihrer Person zu verbinden, sondern nur mit Ihrem Amt.

In diesem Zusammenhang muß ich zu meinem tiefen Bedauern auf die augenfällig fehlende Unterrichtung über das Geltende Völkerrecht in der Presse Deutschlands hinweisen, die diesen meinen Lernprozeß unangemessen behindert und erschwert.
Zu den Pflichten des Journalismus gehört neben der sachlichen und der Wahrheit entsprechenden Berichterstattung und
der deutlich davon getrennten ausgewogenen Kommentierung
auch die aufklärende Unterrichtung über die Hintergründe und die Grundlagen zu den berichteten Geschehnissen.

Dies gilt in besonderem Maße für die Berichterstattung über die Geschehnisse in Palästina und die dafür geltende Genfer Konvention von 1949.

Bei meinem Zitieren der Artikel aus der Genfer Konvention und dem GG steht mir nicht der Sinn danach, Sie, verehrte Frau Bundeskanzlerin, "belehren" zu wollen.
Doch seit dem o.g. Brief des Völkerrechtsreferats habe ich weder von Ihnen diese Worte aus der Konvention als Antwort zur Befriedung dieses sog. "Konflikts" um das Land in Palästina vernommen, noch in der Kommentierung der Deutschen Presse gelesen.

Mit diesem Brief verbinde ich meinen innigsten Wunsch und die aufrichtigste Bitte, mir auf meine Betroffenheit Ihre persönliche Antwort als Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland zu geben.

Mit dankbaren Grüßen und
voll der Hochachtung für die von Ihnen getragene Bürde dieses Amtes !


Ihr


Heinz Kobald


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( 1 ) Im Interview mit dem Tagesspiegel
"Unter die ersten in Europa kommen", Do, 27.07.2006
spricht Bundeskanzlerin Angela Merkel über
die besondere Verantwortung Deutschlands gegenüber Israel.

Das Interview im Wortlaut:

( 2 ) Rede von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel auf dem
18. DGB-Bundeskongress am 24. Mai 2006 in Berlin:
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung -
Veröffentlicht am: 24.05.2006

( 3 ) Weihnachtsansprache 2006 von Bundespräsident Horst Köhler
am 25. Dezember 2006 über Hörfunk und Fernsehen:
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung -
Veröffentlicht am: Mo, 25.12.2006

( 4 ) Rede von Bundespräsident Horst Köhler beim Neujahrsempfang
für das Diplomatische Corps am 10. Januar 2007 in Berlin:
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung -
Veröffentlicht am: Sa, 13.01.2007

( 5 ) Deutsche Gesellschaft für Völkerrecht

( 6 ) Schreiben des Völkerrechtsreferats im Auswärtigen Amt
vom 13. Februar 2006,
Referat: 500, Bearbeitet von: LS Wallau, Geschäftszeichen 500-500 SE Kobald


23. Februar 2007 © Heinz Kobald


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Das ist nicht nur ein Text, der in das Internet gestellt worden ist.
Diesen Text habe ich in meinem Schreiben vom 22. Februar 2007 an die Bundeskanzlerin geschickt.
Nachdem die Antwort vom Auswärtigen Amt mit Schreiben vom 27. April 2007 bei mir eingegangen ist, gebe ich diesen Text auch als Brief an die Bundeskanzlerin zu erkennen.
Das Schreiben des AA v. 27.04.2007 ist auf den nächsten 3 Seiten als Bild-Datei zu lesen.

Heinz Kobald, 4. Mai 2007