Der unerträgliche Standpunkt

Heinz Kobald

  
 
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Antwort des Völkerrechtsreferates - Seite 2 -
AA VölkerrechtsReferat 13.Feb.2006,Seite 2

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Nachdenklichkeiten zum
Schreiben des Völkerrechtsreferates vom 13. Februar 2006


- Fortsetzung -


Am Schluß des Schreibens folgt die vorsichtige Sprache der Diplomatie auf höchster Stufe.
"Betreffend die Ausführungen zum IV. Genfer Abkommen ... ist darauf hinzuweisen, daß dieses Abkommen nach Ansicht der Vereinten Nationen ... einschließlich Deutschlands - geteilt wird, in den von Israel besetzten ... Anwendung findet."
Nur nicht auffallen.
Im nächsten Satz taucht Deutschland als selbständiges Subjekt nicht mehr auf, sondern ist in dem Wort Staatengemeinschaft - hoffentlich noch - gedanklich gemeint, die "die Siedlungstätigkeit Israels ... als mit ... des IV. Genfer Abkommens unvereinbar verurteilt."
Der Name Deutschland soll im Zusammenhang mit der hier ausgesprochenen Verurteilung nicht erscheinen.
Hinsichtlich der Bekräftigung dieses Rechtsstandpunktes in Erklärungen verbirgt sich Deutschland im darauf folgenden Satz ebenfalls hinter der Europäischen Union.


Das ist also der Grund dafür, warum so wenig - bis nichts - in und von Deutschlands Politik über diese so eindeutige Forderung des Völkerrechts, das Israel die Besiedlung des Staatslandes für die Palästinenser nicht erlaubt, zu vernehmen ist. Deutschland spricht die Forderung des Völkerrechtes nicht mit eigener Stimme und selbständig aus. Schon gar nicht stellt die Bundesregierung diese Forderung direkt an die Regierung Israels.
Die Formulierungen am Ende des Schreibens aus dem Völkerrechtsreferat im AA haben dies nur zu deutlich werden lassen.
Mir sind keine Presseberichte bekannt geworden, in denen diese Forderung eindeutig geschehen sein sollte. Obwohl es kein Geheimnis ist, daß auch die Deutsche Presse - ihre außergewöhnlich begabten Journalisten bei der Aufspürung von Nachrichten aller Art - durchaus sehr fähig und erfolgreich ist.

Nun ist aber das Eintreten für das Völkerrecht im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland die zentrale Verpflichtung.
Das Völkerrecht steht sogar über dem Grundgesetz. Das Gewicht dieses Völkerrechtes erhält es im ganz besonderen Maße aus dem Grunde seines Entstehens. Der vorausgegangenen Herrschaft der Nationalsozialisten über Deutschland und der damit verbundenen Verletzung der Menschlichkeit durch den Völkermord an der jüdischen Bevölkerung in Deutschland - und - in Europa.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - Präambel -

»Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben.«


Artikel 1 - Menschenwürde; Grundrechtsbindung der staatlichen Gewalt
( 1 ) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
( 2 ) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
( 3 ) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

Möglicherweise könnte bei zu schnellem Lesen ein falscher Zusammenhang hergestellt werden.
Artikel 1 Abs.2 enthält nicht die Einschränkung, daß eine Zusammenarbeit Deutschlands für die Ziele des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt, nur die menschlichen Gemeinschaften einbezieht, die den Frieden und die Gerechtigkeit schon verwirklicht haben.
Davor trennt ein kleines Zeichen, das Komma.
Die Einhaltung der Menschenrechte ist die Grundlage für die Gerechtigkeit und den Frieden.


Artikel 25 - Völkerrecht und Bundesrecht
Die allgemeinen Regeln des Völkerrechtes sind Bestandteil des Bundesrechtes. Sie gehen den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebietes.


Auch ist auf der Werteskala des Rechtes, das Völkerrecht unbestritten höher anzusetzen als das Existenzrecht eines Staates.
Wer das nicht genau liest, jedoch falsch verstehen will, der könnte die Folgerung anstellen, das Völkerrecht dürfte von einem Staat die Aufgabe seiner Existenz verlangen.
Das würde jedoch auch das Völkerrecht nicht zulassen. Denn es ist ja gerade das Gesetzeswerk, das den Menschen, sein Leben, dessen Unversehrtheit und seine Würde schützen soll.
Das sollte gesichert angenommen werden.

Im Falle Palästinas aber, der Palästinenser auf ihrem Land, scheint eine andere Entwicklung vor sich zu gehen.
Neben der Forderung für das Existenzrecht Israels wird nicht - von keiner der Europäischen Demokratien - das Existenzrecht der Palästinenser auf ihrem Land gefordert. Und zwar auf der selben "Augenhöhe" mit Israel.
Und das auch mit dem selben Nachdruck wie der Gewaltverzicht von der Hamas.

Da sind von der neuen Außenministerin Israels, Zipi Livni, sehr deutliche Worte zur Situation zu vernehmen.

»Livni, deren Vater bereits für den Likud in der Knesset saß, unterstützt ohne Einschränkungen den Kurs Scharons, die künftigen Grenzen Israels ohne die Palästinenser festzulegen. Vor wenigen Wochen erst verriet sie in überraschender Offenheit, dass man nicht blind sein müsse, um zu erkennen, dass der Trennzaun eine Grenze sei

Quelle: Süddeutsche Zeitung, Nr.12, 16. Januar 2006, Seite 4, "Tsipi Livni - Designierte Außenministerin Israels",
Thorsten Schmitz

Die Forderung an die Regierung Israels, die Besiedlung zu beenden, die jüdischen Siedler aus Palästina zurück zu nehmen, müßte sich - zwangsweise auch für Deutschland - an einen "Verbündeten" richten. Der es - sogar mit Vorsatz - ablehnt, das Völkerrecht in dem von ihm besetzten Land zu befolgen. Und sich trotzdem als Demokratie bezeichnet.
Offensichtlich aber entsteht aus dieser Tatsache für die Bundesregierung kein Konflikt mit dem eigenen Grundgesetz, allein nur für diesen "Verbündeten" ein Existenzrecht zu fordern.
Die Existenz der Palästinenser aber, das Verbleiben auf ihrem Land, ohne von Israels Armee davon vertrieben zu werden, weiterhin - seit bald vier Jahrzehnten - von den jüdischen Siedlungen unter dem Schutz der Waffengewalt der Besatzungsarmee bedrohen zu lassen.

Diese nicht vorhandene Eigenständigkeit in der Politik der Bundesregierung ist seit Jahren anhand der nicht zu lesenden Berichte in der Presse zu beobachten, die Artikel 49 der IV. GK - ohne Skrupel zu zeigen -, verschweigen. Während sie in zahlreichen Berichten über die Verletzungen der Menschenrechte durch die Armee der USA und über die innenpolitischen Machtkämpfe in den Vereinigten Staaten über das Folterverbot durchaus profunde Kenntnis von dieser Konvention beweisen.

Im Hinblick auf den "Kampf gegen den Terrorismus", den beinahe angezündeten "Kampf der Kulturen" mit den Karikaturen über Mohammed, den Propheten des Islam, wird nicht bedacht, welche Handlungen der "Recht Schaffenden" den Nährboden für diese "Kulturen" vorbereiten.


Nachdem ich nach dem GG "das Deutsche Volk" bin - auch nach dem Motto "Du bist Deutschland" - habe ich mich zu diesen Nachdenlichkeiten hinreißen lassen.

20 Shevat 5766 * 18. Februar 2006 © Heinz Kobald

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