Der unerträgliche Standpunkt

Heinz Kobald

  
 
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Der Wert der Freiheit im Internet
2. Informationsgipfel der UN in Tunesien
Tunesien sperrt den Zugang zu 20 Websites
Kalima Tunisie
Journal indépendant créé en 2000
Ce site est bloqué en Tunisie



So steht es in der Kopfzeile der Homepage von Kalima Tunisie.
Die unabhängige Zeitung wurde 2000 gegründet. Ihre Website ist jedoch für Besucher aus Tunesien blockiert.
Die Chefredakteurin Sihem Bensedrine von Kalima kann daher ihre Leser in Tunesien nicht erreichen.
Das Internet ist aber für die Journalistin Bensedrine ( 54 ) “das wichtigste Fenster zur Außenwelt".
Ihr Fenster würde der tunesische Staatspräsident Zine El Abidine Ben Ali am liebsten für immer dicht machen.
Doch die Staatsgewalt in Tunesien setzt ausgeklügelte Methoden für ihre Zensur des Intenets ein. Cyber-Cafés werden überwacht und über den staatlichen Internetserver wird der Zugang zu 20 Webseiten gesperrt.
Dazu gehören vor allem diejenigen, die - wie Kalima - die die Regierung in Tunis als autoritäres und undemokratisches Regime kritisieren.

Diese Tatsachen führen zu einer absurden Situation.
Der 2. Weltinformationsgipfel der Vereinten Nationen findet ausgerechnet in dem Land statt, das selbst ein bedrückendes Beispiel dafür gibt, wie die Freiheit im Internet unterdrückt werden kann.

Das Absurde dieser Situation wird noch durch die Selbstdarstellung von Präsident Ben Ali auf die Spitze getrieben.
Es sei seine Idee gewesen, zu dem Welttreffen der Informationsgesellschaft nach Tunesien einzuladen. Ben Ali selbst lässt sich zu diesem Zweck hinter dem Flachbildschirm eines Design-Laptops abbilden. Er will seinen Sonnenstaat als modernes und iberales Schaufenster Nordafrikas präsentieren.

Doch diese Darstellung für den UN-Gipfel ist dem Präsidenten gründlich misslungen.
Zu diesem Misslingen hat auch das Internet seinen Beitrag geleistet.
Denn die Verteidiger der Pressefreiheit nutzen das Web zur weltweiten Information.
Sie heißen “Reporters sans frontières“ oder “Commitee to Protect Journalists“ und sie sind international aktiv.
Wenige Tage vor dem Gipfeltreffen wird der Berichterstatter der französischen Zeitung Libération, Christophe Boltanski, im Botschaftsviertel von Tunis von vier Männern niedergestochen.

Kurz danach ging diese Nachricht bereits durch das Internet. Ebenso der Überfall von Zivilpolizisten auf ausländische Journalisten und Menschenrechtsaktivisten, die sich im Goethe-Institut von Tunis treffen wollten. Einem belgischen TV-Team nahm die Polizei die Ausrüstung weg.
Der Chefredakteurin Sihem Bensedrine von Kalima sind derartige Vorkommen vertraut. Für ihre Kritik an der mangelnden Meinungsfreiheit in Tunesien wurde sie bereits mehrmals in Haft genommen.

Die tunesische Regierung versucht auf perfide Weise, die Glaubwürdigkeit von Internet-Journalisten zu zerstören.
Sie manipuliert regimekritische Webseiten. Dort melden sich fiktive Personen zu Wort. Diese geben sich als Demokraten aus, um “oft anonym besonders vulgäre Attacken gegen die Machthaber zu reiten".
Damit diskreditierten sie die gesamte Internet-Opposition. Die Informationspolizei ist dafür mit dem besten know-how ausgestattet.
Zu Tunesiens schärfsten Kritikern gehört der Chef der Reporter ohne Grenzen, Robert Ménard.
Ihm wurde die Einreise zu dem Treffen verweigert, obwohl er eine gültige Akkreditierung besaß
.

»Sie glaubt, man werde sie nicht mehr wie früher ins Gefängnis stecken, weil sie durch das Internet zu prominent geworden ist.
“Aber sie werden Polizisten vor mein Haus stellen und mir das Leben schwer machen", sagte sie in einem Interview. Aber auch das werden dann wieder viele wissen - außerhalb Tunesiens zumindest via Internet.«

Das Buch von Sihem Bensedrine “Despoten vor Europas Haustür" ist im Münchner Kunstmann-Verlag erschienen.

Quelle: Süddeutsche Zeitung, Nr. 267, 19. November 2005, Seite 11
In den Fängen der Informationspolizei - Tunesiens Regierung richtet die Konferenz aus und zensiert nebenbei ihre Kritiker,
Von Christiane Schlötzer



21. November 2005 - Heinz Kobald