Der Bericht der Süddeutschen Zeitung:
Ist der von den israelischen Siedlern geräumte Gaza-Streifen die Keimzelle eines unabhängigen Staates für die Palästinenser oder doch nur der Startpunkt für einen blutigen Konflikt zwischen ihren politischen und militärischen Fraktionen? ( ... )
Polizisten, vor Wut entbrannt über die militanten Hamas-Islamisten, schießen um sich, stürmen das Parlament, setzen die politische Führung bis hinauf zu Präsident Machmud Abbas unter Druck.
(. ... ) Die Gründe für das Chaos sind bekannt.
Die Militanten der Gruppen Hamas und Islamischer Dschihad führen ein bewaffnetes Eigenleben.
Der ebenso rudimentäre wie von Korruption verseuchte Staat ist weder willens noch in der Lage, für Ruhe, Sicherheit und Ordnung zu sorgen.
Und Israel, zu guter Letzt, gießt oft genug von außen gezielt Öl ins palästinensische Feuer.
Die Aufrufe an Präsident Abbas, die Militanten zu entwaffnen, bleiben fruchtlos.
Abbas hat nicht die Mittel, dies durchzusetzen.
Zum einen fehlen ihm die staatstreuen, gut bezahlten und schwer bewaffneten Polizisten, die auf Befehl gegen ihre “palästinensischen Brüder" vorgehen und nicht nur aus einer hysterischen Stimmung der Straße heraus um sich schießen.
Zum anderen bestärkt jeder der oft maßlosen Übergriffe der Israelis die Militanten in ihrer Rechtfertigung, dass Palästinenser ohne Waffen nur noch Opfer wären.
Bisher ist Gaza kein Erfolgsmodell. Die Chancen, zu einem zu werden, sinken.
Quelle: Süddeutsche Zeitung, Nr. 229, 05. Oktober 2005, Seite 4, Der machtlose Präsident, von ave (Avenarius)
Zum Vergleich der Text der Financial Times Deutschland:
Nur ein paar Wochen ist es her, da herrschte im Gazastreifen Jubel; die Palästinenser feierten den lange herbeigesehnten Abzug der Israelis.
An diesem Wochenende aber schoben sich wieder Bilder der Mutlosigkeit und Gewalt in den Vordergrund.
Eine Gruppe verzweifelter palästinensischer Polizisten
stürmte das Parlament,
um auf den aussichtslosen Kampf
der miserabel ausgerüsteten Sicherheitsbeamten
gegen Hamas-Terroristen aufmerksam zu machen
Das Parlament forderte daraufhin die Ablösung der Regierung von Ministerpräsident Ahmed Kureia.
Für den Chef der Autonomiebehörde, Mahmoud Abbas, ist dies eine Chance.
Er muss nach dem Ende der Besatzung für Ruhe und Sicherheit im Autonomiegebiet sorgen - andernfalls wird der fragile Friedensprozess, der zwischen ihm und Israels Ministerpräsident Ariel Scharon begonnen hat, scheitern.
Denn Scharon seinerseits steht innenpolitisch unter großem Druck, Härte zu zeigen. Nach Angriffen auf seine Siedlungen vom Gazastreifen aus hat Israel bereits wieder mit Militärschlägen reagiert.
Abbas entscheidender Gegenspieler ist die militante Hamas-Organisation.
Sie genoss bisher in der palästinensischen Bevölkerung große Zustimmung. Doch die Kritik wächst.
So hatte die Hamas Israel für eine Explosion mit vielen Toten im Flüchtlingslager Dschabalija verantwortlich gemacht, die sie selbst verursacht hatte.
Die Organisation lenkte schließlich ein und kehrte zur Waffenruhe zurück
Viele Palästinenser sehnen sich nach einem "normalen" Leben mit der Chance auf Frieden und Wohlstand.
Dieses Gefühl kann Abbas' wichtigster Verbündeter werden.
Quelle: aus der FTD vom 04.10.2005, Abbas' größter Feind
http://ftd.de/me/cm/24632.html
Kommentar:
Die SZ bekundet im Stil ihrer Berichterstattung über Palästina deutlich ihren Unwillen zur Integration der in Deutschland friedlich lebenden Palästinenser.
Für mich sind die Beweggründe unbegreiflich, wie ein mehrfach ausgezeichnetes Blatt, diesen “Stil“ seit längerer Zeit “pflegt“.
Der SZ müsste auch bekannt sein, dass Israel der Polizei der Autonomen Verwaltung der Palästinenser keine entsprechend “erfolgreicheren Waffen“ gegen die Hamas “erlaubt“.
Die SZ zeigt in ihren Berichten über Palästina eine teilweise unsachliche, unausgewogene und oft maßlos verletzende “Wortwahl“.
Bei diesen Bemühungen unterlaufen der SZ bedauerliche Widersprüche im Sinn ihrer Aussagen.
Fehlt es Abbas nun an polizeitechnischen Mitteln, an einer verlässlichen Bürokratie oder an eigenem Willen, seinem Volk im Gaza eine Hoffnung für eine friedvolle Zukunft aufzuzeigen?
Die SZ lässt sich jedoch auf Überlegungen dazu nicht ein.
10 Cheshvan 5766 * 12. November 2005 © Heinz Kobald