Der unerträgliche Standpunkt

Heinz Kobald

  
 
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Daniel Barenboim 2004 in der Knesset
Rede von Barenboim in der Knesset zum Wolf Preis 2004

Die Verleihung des Wolf-Preises
an Daniel Barenboim in der Knesset
am 10. Mai 2004








Ein Sprecher der Wolf-Stiftung

Und nun der Musikpreis.

Daniel Barenboim,
Leiter der Staatsoper in Berlin, Deutschland, und des Chicago Symphony Orchestra, USA,
ein Mann mit großen musikalischen und humanistischen Ambitionen,
ist anerkannt als einer der großen Musiker unserer Nation.
Ich möchte nun Herrn Daniel Barenboim bitten,
den Preis vom Staatspräsidenten in Empfang zu nehmen.

Daniel Barenboims Rede

Verehrter Herr Präsident,
verehrte Bildungsministerin,
verehrte Jurymitglieder der Wolf-Stiftung,
meine Damen und Herren!

Im Jahre 1952, als ich 10 Jahre alt war,

vier Jahre nach der Unabhängigkeitserklärung Israels, wanderten meine Eltern und ich ein.
Die Unabhängigkeitserklärung war eine Quelle der Inspiration für die Ideale,
die aus uns Juden Israelis gemacht haben.

Die Unabhängigkeitserklärung enthielt die Verpflichtung - ich zitiere:

"Der Staat Israel wird sich der Entwicklung des Landes
zum Wohle aller seiner Bewohner widmen.
Er wird gegründet sein auf die Prinzipien von Recht und Freiheit und
des Wohles aller seiner Menschen,
geleitet von den Visionen der Propheten Israels.
Ohne Ansehen der Unterschiede von Religion, Rasse oder Geschlecht
garantiert er all seinen Bürgern die gleichen sozialen und politischen Rechte.
Er sichert ihnen Religions-, Meinungs- und Sprachfreiheit, Bildungs- und Kulturfreiheit zu."

Die, welche die Unabhängigkeitserklärung unterzeichnet haben,
verpflichteten sich im Namen aller
zu "Frieden und guter Nachbarschaft mit allen angrenzenden Staaten und ihren Völkern."

Ich frage heute in tiefem Schmerz:

Sind die Besatzung und die Herrschaft über ein anderes Volk
mit der Unabhängigkeitserklärung vereinbar?

Gibt es einen sinnvollen Zusammenhang
zwischen der Unabhängigkeit eines Landes und
der Verletzung der fundamentalen Rechte eines anderen?

Kann das jüdische Volk,
dessen Geschichte von Leid und Verfolgung geprägt ist,
sich erlauben, gleichgültig zu sein
gegenüber Leid und uneingelösten Grundrechten in einem benachbarten Land?

Kann der Staat Israel
sich den wirklichkeitsfremden Traum einer ideologischen Lösung des Konflikts erlauben,
statt nach einer pragmatischen, humanen Lösung zu suchen,
die auf Gerechtigkeit für beide Gesellschaften gegründet ist?

Ich habe stets geglaubt,
dass es keine militärische Lösung für den Konflikt geben kann,
weder in moralischer noch in strategischer Hinsicht.
Nachdem aber absolut klar ist, dass eine Lösung gefunden werden muss, frage ich:

Warum soll ich warten, bis sie sich selbst findet?
Deshalb gründete ich zusammen mit meinem verstorbenen Freund Edward Said
einen Workshop für junge Musiker aus allen Ländern des Nahen Ostens, für Juden und Araber.
Musik kann durch ihr Wesen die Empfindungen und die Vorstellungskraft
Von Israelis und Palästinensern in ungeahnte Sphären erheben.

Deshalb habe ich beschlossen,
den Geldbetrag der mit diesem Preis verbunden ist,
für Aktivitäten der Musikerziehung in Israel und Ramallah zu spenden.
Ich danke Ihnen.

Die Bildungsministerin Limor Livnat

Als Vorsitzende der Wolf-Stiftung möchte ich meinem Kummer darüber Ausdruck verleihen,
dass Herr Barenboim diese Arena, diese Bühne benutzt hat,
um den Staat Israel anzugreifen.
Ich möchte hier darauf hinweisen ...

Bitte! Ich möchte ... Bitte fassen Sie sich!
Auch wenn Sie meiner Meinung nicht zustimmen ...
Ich möchte Sie darum bitten, sich kultiviert zu verhalten!
Ich darf betonen, dass die Entscheidung,
an dieser Zeremonie teilzunehmen und Daniel Barenboim heute diesen Preis zu verleihen,
nicht leicht war.
Und ich glaube, sagen zu dürfen, nicht nur für mich.
Ich konnte den Vorsitzenden der Knesset nicht umstimmen.
Er hat sich entschieden, heute nicht anwesend zu sein. Ich bedauere dies.
Ich dachte, wir könnten diese Zeremonie kultiviert durchführen,
ohne Beleidigungen und Ausschreitungen.
Ich habe die Entscheidung der Jury respektiert.
Und ich hoffe, dass Sie alle auch meinen Standpunkt respektieren.
Es tut mir Leid, dass Herr Barenboim sich anders entschieden hat.

Daniel Barenboim

Ich hoffe, Sie erlauben mir ...
Darf ich Sie um eine Minute Aufmerksamkeit bitten?
Ich möchte die Bildungsministerin daran erinnern, dass sie betont hat,
dass hier Freiheit herrscht und ich somit auch Gelegenheit hatte, zu sagen, was ich gesagt habe.
Aber ich möchte auch darauf hinweisen,
dass ich den Staat Israel nicht angegriffen habe.
Ich nahm mir nur die Freiheit,
aus der Unabhängigkeitserklärung zu zitieren und
ein paar (rhetorische)Fragen zu stellen.
Frau Ministerin, es ist Ihr gutes Recht, andere Antworten zu geben.
Danke sehr.