Der unerträgliche Standpunkt

Heinz Kobald

  
 
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Das Jahr beginnt mit Schweigen
Der Ausbruch aus dem Gaza, Foto: GettyDas Jahr beginnt mit Schweigen




Der Ausbruch aus dem Gaza, Foto: Getty Images


Der Ausbruch aus dem Gaza





Zitat:
»Hunger und Verzweiflung haben Zehntausende Palästinenser
aus dem Gaza-Streifen über die Grenze nach Ägypten getrieben.
Die Menschen strömten ungehindert in das Nachbarland,
nachdem militante Palästinenser in der Nacht zuvor Löcher in die Grenzanlage gesprengt hatten.

In den Städten Rafah und Al-Arisch deckten sich die Palästinenser mit Lebensmitteln ein,
die durch die israelische Blockade im Gaza-Streifen knapp geworden waren.

Ägyptens Präsident Hosni Mubarak hatte den Befehl gegeben,
den Palästinensern den Grenzübertritt zu erlauben.
Die Menschen hungerten, erklärte er.

Israels Premier Ehud Olmert sagte,
seine Regierung halte an der Wirtschaftsblockade des Gaza-Streifens fest,
solange radikale Palästinenser Raketen auf Israel abschießen. «
( 1 )

Zitat:
»Nach Angaben des UN-Hilfswerks für palästinensische Flüchtlinge pendelten mindestens 700.000 Menschen nach Ägypten.
Das Werk forderte die Golfstaaten auf,
zehn Millionen Dollar für Hilfslieferungen an die Bevölkerung im Gaza-Streifen bereitzustellen.
57 Prozent der Menschen seien arm.
Viele Palästinenser hatten die gewaltsam geöffnete Grenze für eine große Einkaufstour auf die ägyptische Sinai-Halbinsel genutzt.
Sie schleppten Matratzen, Zementsäcke, Kartons mit Windeln und andere Güter davon, die im von Israel abgeriegelten Gaza-Streifen knapp sind.«
( 2 )

Israel verdient durch seine eigene Blockade an den Energielieferungen in den Gaza. Doch auch die arabischen Brüder auf der anderen Seite heben die Preise für Nicht-Ägypter.

Zitat:
»Das Butan-Gas aus Israel kostet den 20-fachen Preis als in Ägypten.« ( 3 )

Zitat:
»Gaza steht kurz davor, das erste Gebiet zu werden,
das absichtlich in eine erbärmliche Notlage gebracht wird.
Dies passiert mit dem Wissen, der Einwilligung und
– manche würden sagen –
der Unterstützung der internationalen Gemeinschaft.
Eine internationale Gemeinschaft, die erklärt,
dass sie die angeborene Würde eines jeden Menschen aufrechterhält,
darf nicht erlauben, das so etwas geschieht.«
( 4 )

Was für die USA in dieser Zeit gilt, das gilt schon seit vier Jahrzehnten für die Regierungen in Tel Aviv.

Zitat:
»Unterdessen haben die USA moralisches und ideologisches Kapital
von unschätzbarem Wert verloren.
Ein Staat, der foltert und Gefangene ohne Prozess festhält,
mag Angst verbreiten, Respekt wird ihm nicht mehr zuteil.«
( 5 )

Nur glauben wollen sie das ihren eigenen Kritikern nicht.
Die Verantwortlichen in Tel Aviv haben ihre gesamte Aufmerksamkeit und alle Anstrengungen nur darauf ausgerichtet, jede Kritik an Israel als Antisemitismus zu brandmarken.
Damit wächst eine eigene Kritikfähigkeit nicht. Kann sie nicht, weil der Ansatz dazu unterdrückt wird.
Jedoch hat es erfolgreich dazu geführt, daß viele Stimmen einer gerechtfertigten Kritik wegen dieses drohenden Vorwurfes "verstummt" sind.

Wie kann in Tel Aviv der Irrglaube herrschen, eine in den Hunger getriebene Bevölkerung könnte die Hamas im Gaza bezwingen?

Zitat:
»Israel hopes such a policy will create popular pressure
to force the Hamas rulers of Gaza and other militant groups
to stop the rocket fire.«
( 6 )

Gelingt es doch den bedeutenden Friedensbewegungen in Israel nicht, die eigene Regierung von ihrem völlkerrechtswidrigen und unangemessenen Vergeltungsmaßnahmen abzuhalten.

Zitat:
»A group of 10 human rights groups had together petitioned the court to prevent the fuel cuts,
arguing that Israel had a legal obligation
under international law
to supply the citizens of Gaza.

They contended that the cuts “deliberately violate the rights of civilians in Gaza” and
constitute “collective punishment” in violation of international law
by “deliberately targeting civilians.”«
( 6 )

Nicht nur bedauerlich, sondern eher beschämend ist das Verhalten der Europäer, unter ihnen der "Freund" Israels an der Spitze dieser Unfähigkeit.

Frau Dr. Fania Oz-Salzberger hat in ihrer mail Unterstützung aus Europa - und besonders aus Deutschland - angemahnt:

»If one does not understand this inner debate in the Israeli left, the risk is that you rely on the views mere 1% of Israeli Jewish population, leaving behind the 40% or 50% that would gladly support a full retreat, dissolution of the settlements, and a future Israel in compact borders, legitimate and democratic.

Why do you give up this part of Israeli society so easily?
It is this quiet middle part that I am trying to represent, the many people who voted Rabin and Barak hoping for a just territorial solution, and who are now stunned by the terror attacks *and* by Sharon's responses and our military degenerations. This part will not be helped or encouraged by a wholesale defamation of Israel as a state and society.

Many Germans are quick to say that they don't hate the United States, only the Bush administration.
Why can't the same distinction be make about Israel?
Why leave so many Israelis paralized by Palestinian terror,
European undiscerning hostility, as well as the antics of a government we strongly oppose?

People like myself need support, encouragement, and especially a deep and distinguishing look at our public sphere and climate of opinion.
What we are getting from America is a bear's hug for Sharon.
What we are getting from Europe is - all to often -
ignorant hostility directed at us all.«
( 7 )

Sogar Präsident George Walker Bush hat erkannt und gesagt,

»Die Voraussetzung für den Frieden ist die Freiheit.«

Doch Tel Aviv setzt seine Parameter für sein Handeln stets in die entgegengesetzte Richtung. So hört die Politik in Tel Aviv auf diesem Ohr seit vier Jahrzehnten immer schlechter.

Eine Bewegung aus dem Volk der Palästinenser, wie die Hamas, ist nicht ohne Grund und besonders nicht ohne Zutun aus Tel Aviv entstanden.

Sie ist das Ergebnis der Entrechtung und der Unterdrückung einer menschenverachtenden Besatzung nach zwanzig Jahren.
Was gerne vergessen wird, wenn die Hamas als die radikal-islamische Partei als Partner für einen Frieden in Palästina abgelehnt wird - das sogar von dem Land-Verkäufer in Oslo, dem jetzigen Präsident Abbas.

Zitat:
"Es wird keine Gespräche mit der Hamas geben,
solange sie nicht unsere bekannten Forderungen erfüllt", sagte Abbas.
"Sie muss ihren Putsch rückgängig machen,
internationale Legitimität anerkennen
und eine vorgezogene Neuwahl akzeptieren."
( 8 )

Abbas verlangt die Anerkennung von Internationalen Legitimitäten, während er selbst mit Unterstützung Israels, den USA und - zu meinem Bedauern - auch Deutschlands das Ergebnis einer Demokratischen Wahl unter Internationaler Beobachtung "rückgängig" machen will, in dem er die Bevölkerung wegen eben dieser Wahl in "Kollektivhaft" nimmt.

Abbas zeigt sich sogar sehr vermessen.

Zitat:
»Abbas sagte,
die Sprengung von Teilen des Grenzzauns komme einer Invasion gleich.«
( 8 )

Selbst diese Äußerung vermag in der Deutschen Presse keine Aufmerksamkeit zu erzeugen - als die lapidare und kommentarlose Widergabe der angeblich gesprochenen Worte.

Zur Erinnerung aus der Präambel der Menschenrechts-Charta:

» ( ... ) da es notwendig ist,
die Menschenrechte durch
die Herrschaft des Rechtes zu schützen,
damit der Mensch nicht gezwungen wird,
als letztes Mittel zum Aufstand
gegen Tyrannei und Unterdrückung zu greifen, ( ... )
( 9 )

Was greift wohl radikaler in das Leben des Menschen ein als der Verlust seiner Bewegungsfreiheit und die Zerstörung seiner Lebensgrundlagen? Darin ist der Ursprung der Hamas zu finden.

Das Fortschreiten dieser Taubheit in Tel Aviv ist nicht verwunderlich.

Wie ernst will Herr Kauder, Fraktionsvorsitzender der CDU, mit seiner Frage nach einem Beitrag der Christen für einen Frieden in Palästina genommen werden?

Zitat:
»Volker Kauder erwähnt oft, wie bestimmend sein Glaube für sein politisches Handeln sei. ( ... )
Er möchte mit dem Patriarchen Michel Sabbah darüber sprechen,
"welchen Beitrag wir Christen im Konflikt der Palästinenser und der Israelis leisten können".

Sabbah nickt. Gern will er über die Lage der Christen sprechen. Dann sagt er:
"Wenn ich über die Lage der Christen spreche, dann spreche ich über die Palästinenser."
Und so spricht der Patriarch, selbst Palästinenser,
nur vom bedrängten Leben in den von Israel besetzten Gebieten. ( ... )
"Israel geht nicht den richtigen Weg zum Frieden", sagt er.
"Die Gewalt kommt von der Besetzung."

Er spricht von Verhaftungen, von Todesschüssen und Zerstörungen durch Israels Armee.
Er klagt über die internationale Politik, die Israel zu Füßen liege.

Bald wird der Fraktionschef unruhig. ( ... ) Kurz darauf beendet er das Gespräch mit einem Dankeswort:
"Ich wünsche, dass wir Christen ein Segen für diese Region sein können."
Er klingt nicht überzeugt.«
( 10 )

Selbst die Beste Freundin in Tel Aviv und die gleichzeitig Stärkste Frau Europas - schweigt dazu. Wenn sie aber etwas dazu sagt, dann stellt sie ihre Forderungen nur an eine Adresse, nicht an ihre Freunde.
Ihre kraftvollen Worte "Gewalt ist keine Lösung" wiederholt sie nicht mehr. Offensichtlich mußte sie erkennen, daß der Ursprung für die Gegen-Gewalt in den Handlungen ihrer Freunde in Tel Aviv zu finden ist.

Obwohl ihr Völkerrechtsreferat wiederholt nicht nur die Geltung der IV. Genfer Konvention für Palästina bestätigt hat, sondern auch die Kritik an der Besatzung in Palästina.

In ihren Reden in der Öffentlichkeit und in ihren Gesprächen mit ihren Freunden in Tel Aviv unterläßt sie es, diese Forderungen des Völkerrechts zu bekräftigen.
Wozu sie nach Art. 1 dieser Konvention und Art. 25 des GG der BRD verpflichtet ist.

So werden die jährlichen Erinnerungen an Auschwitz keine Verwirklichung des Völkerrechts in Palästina erzwingen und hinsichtlich der Einstellung zu der Schuld an Unmenschlichkeit in der Nationalsozialistischen Vergangenheit Deutschlands keine Veränderung des Bewußtseins - weder für die Vergangenheit noch für die Gegenwart - hervorbringen.
Gewiß nicht, wenn dieses Völkerrecht in der Gegenwart gegen die Freunde nicht beharrlich angemahnt wird.

Der UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon denkt folgerichtig in die Zukunft, die mit der Gegenwart schon beginnt - und in Palästina bereits vier Jahrzehnte in einer beschämenden Unwürdigkeit andauert.
"Die Lehren des Holocaust müssen kommenden Generationen vermittelt werden"

Zitat:
»Jedoch reicht es nicht aus,
der Toten zu gedenken, sie zu ehren und zu betrauern.
Wir müssen die jetzige Generation aufklären und uns um sie kümmern.
Wir müssen in unseren Kindern ein Gespür für Verantwortung fördern,
damit sie eine Gesellschaft aufbauen können,
in der die Rechte aller Bürgerinnen und Bürger geschützt und gefördert werden.
Wir müssen ihnen Respekt vor Verschiedenheit einprägen,
ehe sich Intoleranz entwickeln kann.
Wir müssen ihnen den Mut und die Mittel geben,
damit sie angesichts von Bedrohungen
die richtigen Entscheidungen treffen und
entsprechend handeln können.«
( 11 )

Mit dem "beispielhaften" Verschweigen des Völkerrechts werden kaum die "Mittel" bereit gestellt, geschweige denn ein "Mut" geweckt.
Klagen über den immer noch vorhandenen Wirklichen Antisemitismus sind daher in ihrer Bedeutung den Schutzbehauptungen vor Gericht gleichzusetzen.
Vielmehr werden die Worte

NIE WIEDER
und
WEHRET DEN ANFÄNGEN

durch die Jahrzehnte ihrer Vergeblichen Verwirklichung hindurch beschwörend mit Unglaubwürdigkeit bekränzt.
Die Filme, die dieses Geschehen stets aufs Neue vor die Augen führen, werden von den Taten in der Politik nicht nur nicht gestützt, sondern eklatant allein gelassen. Es klingen nur Schöne Worte. Selbst in ihnen fehlt das Geltende Völkerrecht. Es muß ein weggeschlossenes Bewußtsein vorhanden sein, das diese Blindheit für das Völkerrecht und seine fordernden Verpflichtungen hervorbringt.

Der Hinweis im Schreiben des Völkerrechtsreferats vom 27. April 2007 auf die Pressefreiheit, wegen der die Bundesregierung keinen Einfluß auf die Berichterstattung in der Deutschen Presse nehmen könne, wenn die bei jeder Gelegenheit das Geltende Völkerrecht in ihren Berichten über Palästina vermeidet, kann von der Bundesregierung sehr wohl beeinflußt werden, indem sie das auch bei jeder Gelegenheit sagt, was das Völkerrechtsreferat nicht ignorieren kann.

Wenn die Hinweise auf das Völkerrecht in den Reden der Bundesregierung enthalten sind, dann wird auch die Presse davon berichten.
Davon gehe ich aus.
Der Hinweis auf die Pressefreiheit geht insofern fehl, denn sie verpflichtet geradezu die Bundesregierung in ihren Reden zu Palästina das Völkerrecht nicht auszulassen.

Dabei wird auch noch ein anderes Kluges Wort geflissentlich vergessen.

SCHULDIG WIRD,
WER SCHWEIGT.


25 Shevat 5768 * 1. Februar 2008 © Heinz Kobald


___________________________________________________

( 1 ) Quelle:
Süddeutsche Zeitung, Nr. 20, 24. Januar 2008, Seite 1
Ausbruch aus Gaza

( 2 ) Quelle:
Süddeutsche Zeitung, Nr. 21, 25. Januar 2008, Seite 9
Ende der Einkaufstour
Ägyptens Polizei drängt Palästinenser zurück nach Gaza, AFP/AP/dpa

( 3 ) Quelle:
ARD Nachrichten, 26. Januar, 01:00

( 4 ) "Unmenschliche Abriegelung"
Gastbeitrag in der Frankfurter Rundschau
von Karen Koning AbuZayd:
Dienstag, 29. Januar 2008

( 5 ) Quelle:
Süddeutsche Zeitung, Nr. 27, 1. Februar 2008, Seite 13
Aufstieg und Fall des Empire
Ob Bildung, Gesundheit, Wirtschaft oder Geopolitik:
Die USA fallen gegenüber fast allen Industriestaaten zurück
JÖRG HÄNTZSCHEL

( 6 ) Israeli Court Rejects Appeal to Ease Restrictions on Gaza
Article Tools Sponsored By
By STEVEN ERLANGER
Published: January 31, 2008

( 7 )
Thema: From Fania Oz-Salzberger
Datum: 14.02.2004, 10:08:03 (MEZ)
Von: salzberg@research.haifa.ac.il
An: heinzkobald@aol.com

Dr. Fania Oz-Salzberger, DPhil (Oxon)
Director, Posen Research Forum
For Jewish European and Israeli Political Thought.
Senior Lecturer, the Faculty of Law
and the School of History.
University of Haifa, Mount Carmel, Haifa 31905

( 8 ) Quelle:
Süddeutsche Zeitung, Nr. 26, 31. Januar 2008, Seite 8
Abbas bleibt hart im Streit mit Hamas, AP/AFP

( 9 ) Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte
Resolution 217 A (III) vom 10.12.1948
In einigen Kommentierungen ( deutschsprachigen ! ) zu dieser Erklärung werden die zitierten Worte nicht aufgeführt.
Obwohl auch das GG der BRD in Art. 20 ein Recht auf Widerstand beinhaltet,
wenn das Bestehen der verfassungsgemäßen Ordnung in Gefahr ist.

( 10 ) Das Christliche Bekenntnis von Herrn Kauder

( 11 ) UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon:
"Die Lehren des Holocaust müssen
kommenden Generationen vermittelt werden"

Erklärung zum Internationalen Tag des Gedenkens
an die Opfer des Holocaust, 27. Januar 2008
UNRIC/217 (PDF), 24. Januar 2008


Brecht das Schweigen

Link zum Thema:

Zitat:
»"Brecht das Schweigen" - so heißt die Aufgabe,
die sich der ehemalige israelische Soldat gestellt hat.
Er und seine Mitstreiter haben erkannt:
Die Verbrechen der Besatzer
reißen nicht nur die palästinensische Bevölkerung in den Abgrund,
sondern auch das vermeintlich so starke Israel.«


Yehuda Shaul, 26 Jahre alt, Vollbart, gedrungene Gestalt, Trekkingsandalen, Exsoldat.
Eine Haarspange hält die Kippa in den kurzen schwarzen Haaren.
Yehuda ist orthodox aufgewachsen, mit neun Geschwistern und ohne Fernseher, mit Thorastunden und koscherem Essen.

Quelle:
Chrismon, 01.2008, Seite 31
Das zweite Leben
des Yehuda Shaul

von Georg Cadeggianini
Er lebte mit seiner Familie ein Jahr in Israel und reiste oft ins West-Jordanland