Der unerträgliche Standpunkt

Heinz Kobald

  
 
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Auf dem Röntgenschirm des Staates
Warum denn wäre Cäsar ein Tyrann ?

Die Datenspeicherung auf Vorrat
bedroht die Privatsphäre und ist
ein Anschlag auf die Pressefreiheit

Von Andreas Zielcke


Unredlich wäre es,
der Koalition bei der Reform des Telekommunikationsgesetzes
nicht seriöseste Absichten zu unterstellen.

Dass es ihr um die Sicherheit in diesem Land geht,
steht fest.
Dass sie darum den Terrorismus
auch über die Kontrolle seiner clandestinen Kommunikationsnetze zu verhindern sucht,
ist nur allzu legitim.

Fatal ist aber,
dass diese richtige Absicht nicht realisiert,
welche Schäden sie dem Rechtsstaat zufügen kann.

Terror zerstört Leben und Lebenssicherheit,
er zerstört aber auch
im Kopf seiner Gegner Rechtsbewusstsein.

So essentiell der Terrorismus auf Heimlichkeit angewiesen ist,
so essentiell steht und fällt die Demokratie
mit dem Schutz von beruflichen und privaten Geheimnissphären.

Das ist eine unbehagliche Korrespondenz - wäre es nicht folgerichtiger,
alles offenzulegen, wenn damit zugleich dem Terrorismus seine mörderische Heimlichkeit verwehrt wird?

Was haben die Bürger zu Recht zu verbergen?
Und was Ärzte, Anwälte und Journalisten,
die bislang
ein eigenes Heimlichkeitsrecht
auf Zeugnisverweigerung
besitzen?

Die Antworten sind dem Gesetzgeber abhanden gekommen,
wenn er jetzt das Speichern aller Telekommunikationsdaten vorschreibt.
Dass Anonymität und Vertraulichkeit kein Geschenk,
sondern die Bedingung freiheitlicher Verfassung sind,
scheint sich vor der Drohung des Terrors zu verflüchtigen.

Sind alle Kommunikationsdaten für staatliche Zugriffe gespeichert,
wird aus dem anonymen Bürger,
der seine Sichtbarkeit im Staat selbst definiert,
ein Kandidat der Durchleuchtung.

Auf dem Röntgenschirm des flächendeckenden Verdachts hebt sich Anonymität auf,
selbst wenn der Schirm nur von Fall zu Fall eingeschaltet wird.

Darüberhinaus aber
vergeht sich das Gesetz
am beruflichen Geheimnisschutz.

Dass man nicht nur alle Kommunikationsdaten auf Vorrat speichert,
sondern auch das Zeugnisverweigerungsrecht für Anwälte und Journalisten einschränkt,
komplettiert den Angriff auf diese
- für das Bewältigen ziviler Konflikte unerlässliche -Vertraulichkeitssphäre.

Insbesondere verstößt es offen
gegen das Grundgesetz,
die Presse
von dem Privileg
für Geistliche, Abgeordnete und Strafverteidiger
auszunehmen.

Denn vertrauliche Gespräche zwischen Journalisten und Informanten
sind allein wegen der Pressefreiheit geschützt.
Und die hängt das Grundgesetz ebenso hoch wie den Schutz von Parlament und Religion.

In der Tat,
der Gesetzgeber merkt gar nicht,
dass er die Axt an die eigenen Prinzipien legt.

Wenn verwendete Telefonnummern und Internetadressen eines Journalisten bekannt sind,
kann dessen Informant, oft auch der Gegenstand der Recherche identifiziert werden.
Kaum ein Informant wird dies wollen, und damit versiegen die Quellen vertraulicher Informationen.

Das trifft zu allererst Recherchen,
mit denen die Medien den Finger auf versteckte Wunden legen.

Solange es keine heile Welt gibt,
braucht es diese unbehinderte Pressefreiheit.


Quelle:
Süddeutsche Zeitung, Nr. 257,
Donnerstag, den 08. November 2007, Seite 4


* Unter Vorbehalt der Zustimmung von Herrn Andreas Zielcke *



Zum Thema:


CASCA: Das kann auch ich.
So trägt ein jeder Sklav
in eigner Hand Gewalt,
zu brechen die Gefangenschaft.

CASSIUS: Warum denn
wäre Cäsar ein Tyrann?
Der arme Mann!
Ich weiß, er wär kein Wolf,
Wenn er nicht säh,
die Römer sind nur Schafe;
Er wär kein Leu,
wenn sie nicht Rehe wären.
Wer eilig will
ein mächtig Feuer machen,
Nimmt schwaches Stroh zuerst:
Was für Gestrüpp ist Rom und
was für Plunder,
wenn es dient
Zum schlechten Stoff,
der einem schnöden Dinge
Wie Cäsar Licht verleiht?

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Julius Cäsar, Shakespeare,
1. Aufzug, 3. Szene,
Rom, eine Straße