Spuren des Terrorismus nach Pakistan ?
Nach dem Blutbad im ägyptischen Touristenort Scharm al-Scheich fahndet die Polizei nach fünf Verdächtigen aus Pakistan. Ein sechster Pakistaner soll als Selbstmordattentäter die Autobombe gezündet haben.
Quelle: Morgenpost, 26 Juli 2005, Politik, Auch die Spur der Attentäter vom Roten Meer führt nach Pakistan
http://www.morgenpost.de/content/2005/07/26/politik/768915.html
Pakistan zeigte sich verärgert über die Vermutungen der Fahnder.
"Ich sage ihnen ganz klar, daß es die al-Qaida in Pakistan nicht mehr gibt",
sagte Präsident Pervez Musharraf. Das Kommunikationssystem der Terrororganisation sei zerschlagen, sie könne keinesfalls Terroranschläge in London oder Ägypten koordinieren.
Quelle: Die Welt, Di, 26. Juli 2005, Präsident Musharraf: Al-Qaida ist zerschlagen
http://www.welt.de/data/2005/07/26/750746.html
Verdächtiger ist Ägypter - "Keine Spur nach Pakistan"
Ägyptische Behörden widersprachen Berichten, dass es eine Spur nach Pakistan gebe.
Quelle: Frankfurter Rundschau online 2005, 27.07.2005, Attentäter identifiziert
Kein pakistanischer Staatsbürger ist in die Terroranschläge in Scharm al-Scheich vom vergangenen Samstag verwickelt.
Quelle: Die Welt, 27. Juli 2005, Ägypten zieht Verdacht gegen Pakistaner wegen Anschlägen am Roten Meer zurück
http://www.welt.de/data/2005/07/27/751165.html
Das sind vorübergehend beruhigende Mitteilungen in der Presse bis eine Nachricht aus Sambia über die Bildschirme läuft.
Der mutmaßliche Drahtzieher der tödlichen Anschläge von London ist den Fahndern einem Fernsehbericht zufolge in Samba ins Netz gegangen. Der aus Pakistan stammende Haroon Aswat sei in dem südafrikanischen Land gefasst worden, berichtete der US-Sender CNN am Donnerstag unter Berufung auf Quellen in Sambia und den USA.
Die Jagd nach Aswat hatte sich Medienberichten zufolge verstärkt, nachdem die Ermittler festgestellt hätten, dass er auf seinem Mobiltelefon rund zwanzig Anrufe der vier Attentäter vom 7. Juli 2005 empfangen habe.
Quelle: Kurier, 28.07.2005, apa, afp, jos, Terror-Drahtzieher in Sambia gefasst
Wie sieht die Wirklichkeit in Pakistan aus?
Diktator auf dem Pulverfass
Pakistan spielt eine entscheidende Rolle im Konflikt zwischen der westlichen Welt und dem Islamismus. Immer wieder werden nach Terroranschlägen Spuren in das Land verfolgt. Militärmachthaber Musharraf steht doppelt unter Druck - die USA geben sich zunehmend reserviert, in Pakistan wächst der Protest von Islamisten.
Manmohan Singh hat einen Alptraum. Darin kommen islamische Extremisten in Pakistan an die Regierung und erlangen so die Kontrolle über die Atomwaffen des Landes. ( ... ) Der ehemalige US-Botschafter in Pakistan, Robert Oakley, soll das Land als den "gefährlichsten Staat der Welt" bezeichnet haben.
Als Garant dafür, dass das Land nicht in religiösen Extremismus abrutscht und im Anti-Terror-Kampf auf Seiten des Westens bleibt, gilt bisher vor allem ein Mann:
Pervez Musharraf - Soldat, Armeechef und seit 1999 Militärdiktator.
Der 61-Jährige ist zweifellos der mächtigste Mann Pakistans, allerdings wachsen nicht erst seit den Londoner Anschlägen Zweifel, ob Musharraf auch mächtig genug ist, Terrorbasen im eigenen Land auszumerzen.
Der 11. September 2001 wird für Musharraf zum Wendepunkt.
Plötzlich brauchen die USA Pakistan und seinen international geächteten Militärmachthaber, um die Taliban in Afghanistan zu besiegen. Bush verspricht dem hoch verschuldeten Land Finanz- und Militärhilfe, internationale Sanktionen sollen fallen.
Im Westen steigt er damit praktisch über Nacht vom schäbigen Dritte-Welt-Diktator zum "ehrenwerten General" ( Die Zeit ) auf, ( ... ).
Doch im eigenen Land begibt er sich damit auf Kollisionskurs zu den Fundamentalisten, die ihn als Marionette, als Knecht Amerikas beschimpfen. Mindestens drei Mordanschläge werden auf ihn verübt, hinter allen werden islamische Extremisten vermutet. ( ... )
In Pakistan mit seinen 140 Millionen muslimischen Einwohnern finden radikalislamische Ideen mancherorts Zuspruch. Vor allem in den Grenzregionen zu Afghanistan brodelt es, in manchen Provinzen regieren Taliban-nahe Parteien. Zwar versuchte Musharraf wiederholt, radikale Gruppen zu verbieten. Doch die organisierten sich unter anderen Namen neu.
Musharraf selbst ist kein streng gläubiger Muslim und soll sogar ab und an ein Glas Wein trinken. ( ... ) Angestrengt versucht er auch selbst, das Image des Militärdiktators abzustreifen ( ... ). Dies kann allerdings kaum darüber hinwegtäuschen, dass Musharrraf ein knallharter Machtpolitiker ist. Immer wieder hat er versprochen, Pakistan in eine "echte Demokratie" zu führen. Wahr gemacht hat er das nicht. Zwar ließ er Wahlen abhalten und einen Premierminister ernennen. Doch dieser bleibt Premier von seinen Gnaden, die Fäden zieht weiter Musharraf.
Besorgt fragen sich westliche Diplomaten, wohin das Land in der Zeit nach Musharraf steuert.
Quelle: Frankfurter Rundschau online 2005, 29.07.2005, Diktator auf dem Pulverfass, VON CHRISTINE MÖLLHOFF (NEU-DELHI)
http://www.fr-aktuell.de/ressorts/nachrichten_und_politik/thema_des_tages/?cnt=704965
Die Pakistan-Politik der USA
Wenn westliche wie muslimische Kritiker die "Doppelstandards" US-amerikanischer Außenpolitik kasteien, dann deuten sie gewöhnlich auf Saudi-Arabien.
Der Fall scheint eindeutig: Öl gegen die Tolerierung eines repressiven Regimes, dieser Deal galt von Präsident Franklin D. Roosevelt über Jimmy Carter bis zu George W. Bush.
Doch wer heute die komplexen, oft widersprüchlichen und sich rasch wandelnden Beweggründe Washingtons untersuchen möchte, für den gibt es kein besseres Beispiel als den indischen Subkontinent.
Alte Anhänglichkeiten, neues strategisches Denken, wirtschaftliche Erwägungen, Anti-Terror-Reflexe und Demokratisierungs-Ideale - zwischen Indus und Ganges trifft all dies aufeinander.
Im Kalten Krieg war Pakistan der Partner Amerikas und das blockfreie Indien wurde als unzuverlässig angesehen. Hier die verlässliche Militärdiktatur; dort die größte Demokratie der Welt, aber doch außerhalb der US-amerikanischen Einflusssphäre.
Der Zerfall der Sowjetunion änderte 1991 die politischen Bedingungen, ohne dass dies in Washington registriert wurde. So gelang es Pakistan, die Vereinigten Staaten und China gegeneinander auszuspielen und dabei seinen enormen Rüstungsbedarf zu stillen.
Der Weg führte dann über Islamabad zum Sturz der Taliban in Afghanistan beziehungsweise zur Bekämpfung von Al Qaeda im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet.
Wichtige Verbündete behandelt man aber nicht unfreundlich.
So fragt kaum einer, was aus den Terror-Verdächtigen wird, die Musharraf bei entsprechenden Anlässen routinemäßig festnehmen lässt. Oder warum die vor drei Jahren versprochene Registrierung und Überwachung für die Koranschulen noch immer nicht durchgeführt ist.
Stattdessen ist bei Gesprächen zwischen Washington und Islamabad vom siebenprozentigen Wachstum Pakistans die Rede. Oder von US-amerikanischen F-16-Kampfbombern als Ausgleich für die Indien von den USA versprochene Zusammenarbeit in der zivilen Atomwirtschaft.
Die Vorstellung von der Demokratisierung als Allheilmittel für Staaten wie Pakistan, "wo Liberale den Diktator lieben", muß sich als Illusion erweisen. So der Autor William Dalrymple über Pakistan.
Die "Doppelstandards" US-amerikanischer Politik lassen sich also auch im Falle Pakistans vortrefflich kritisieren.
Quelle: Frankfurter Rundschau online 2005, 29.07.2005
http://www.fr-aktuell.de/ressorts/nachrichten_und_politik/thema_des_tages/?cnt=704961
Die Pakistan-Politik der USA changiert zwischen widerstreitenden Interessen: VON ROLF PAASCH
Pakistanische Koranschulen sind "Dschihad-Fabriken"
Zu den Koranschulen in Pakistan, Medresen genannt, liegen keine verläßlichen statistischen Erhebungen vor.
Nach Angaben der Regierung gibt es etwa 13.000 registrierte Koranschulen.
Dazu dürften aber, vor allem in entlegenen, ländlichen Gebieten, Tausende nichtregistrierte und damit vollkommen unkontrollierte Medresen kommen.
Was die Zahl der Schüler angeht, so reichen die Angaben von einigen Hunderttausend bis zu 1,5 Millionen.
In einem unmöblierten Raum sitzen die Knaben in mehreren Reihen im Schneidersitz, vor sich auf einem kleinen Schemel den Koran. Sure für Sure, Vers für Vers rezitieren sie die heilige Schrift der Moslems im arabischen Original, beaufsichtigt von einem Lehrer, der langsam durch die Reihen geht und hier und da korrigierend eingreift.
Die Jungen beherrschen die arabische Sprache zwar nicht und wissen somit gar nicht, was sie aufsagen. Doch das scheint keine Rolle zu spielen. Höchstes Ziel ist es, den ganzen Koran auswendig zu lernen, denn wer das erreicht, darf sich "Hafis" nennen.
Unterkunft und Verpflegung sind kostenlos. Das hat zur Folge, daß die Koranschüler überwiegend aus den ärmsten Schichten der Bevölkerung kommen. Der Aufwand für die Lehrmittel ist überschaubar:
Abgesehen von Koranexemplaren und vielleicht einer Tafel scheint man nichts zu benötigen. In einem Land, das bis heute keine Schulpflicht kennt, wären die Medresen durchaus in der Lage, eine wichtige Funktion im Erziehungs- und Bildungsbereich zu erfüllen.
Die Zahl der pakistanischen Koranschulen stieg vor allem unter dem Militärmachthaber Zia-ul-Haq von 1977 bis 1988 sprunghaft an.
Mit tat- und zahlungskräftiger Unterstützung des amerikanischen Geheimdienstes CIA kümmerte sich der berüchtigte pakistanische Geheimdienst ISI um die Ausbildung und Bewaffnung von jungen Männern, die dann nach Afghanistan gingen und dort zuletzt erfolgreich die sowjetischen Besatzer bekämpften.
In seiner ursprünglichen Bedeutung beschreibt der Begriff Taliban lediglich Absolventen einer Koranschule.
Als die Sowjetunion aus Afghanistan abzog, verloren die USA ihr Interesse an den heiligen Kriegern oder "Dschihadis" und an Pakistans Stellvertreterrolle in dieser Endphase des Kalten Krieges.
Die Medresen aber blieben und wurden für Pakistan so etwas wie ein Geist, der sich weigerte, in seine Flasche zurückzukriechen.
Die Regierung selbst schätzt, daß es sich bei 15 Prozent der Schulen um extremistische Einrichtungen handelt.
Als besonders militant gilt eine Koranschule im nordwestlichen Grenzgebiet zu Afghanistan.
Die Darul Ulum Haqqania, geleitet von Maulana Sami-ul-Haq, hat mehr führende Mitglieder der Taliban ausgebildet als jede andere Schule. Mit ihren gut 3.000 Schülern, die einer ständigen antiwestlichen Indoktrinierung ausgesetzt sind, wird diese Medrese oft als "Dschihad-Fabrik" bezeichnet.
Viele Koranschulen in Pakistan unterhalten Verbindungen zu internationalen extremistischen Organisationen wie der Moslem-Bruderschaft in Ägypten, der indonesischen Jemaah Islamiyah, der Islamischen Heilsfront (FIS) in Algerien und der philippinischen Abu-Sayyaf-Gruppe.
Finanziert werden die Medresen vor allem von einigen Golfstaaten, und hier insbesondere von Saudi-Arabien.
Quelle: Die Welt, Do, 28. Juli 2005, Pakistanische Koranschulen sind die "Dschihad-Fabriken", von Hans B. Bremer
Hei-ko
30. Juli 2005 © zusammengestellt von Heinz Kobald