Der unerträgliche Standpunkt

Heinz Kobald

  
 
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Israel muss Zaun verlegen
Gericht verurteilt Armee
Israels Trenn-Zaun darf Palästinensern die Felder nicht wegnehmen
Es ist "beschämend", daß ein kleines Dorf in Palästina vor einem Gericht in Israel klagen muß, obwohl alle "Rechtsstaatlichen Demokratien" Europas nach Artikel 1 der IV. Genfer Konvention von 1949 durch ihre Unterzeichnung verpflichtet sind, "Das Verbot der Besiedlung für eine Besatzungsmacht" auf dem "Durch Krieg Eroberten Gebiet" - "unter allen Umständen" - durchzusetzen. Trotzdem erhielt Bilin nur 60 v.H. aller seiner Felder zurück, auf die es allein einen Rechtsanspruch hat.

Israels Trenn-Zaun
darf Palästinensern die Felder nicht wegnehmen

Das kleine dorf Bilin wird zum Symbol

Bilin ist ein kleines Palästinensisches Dorf mit 1700 Einwohnern, nur 30 Autominuten westlich von Ramallah im West-Jordanland. In Ramallah hat die Autonomieverwaltung der Palästinenser ihren Sitz.
Der Ort bietet dem Fremden ein trockenes und staubiges Bild.
Das Minarett der niedrigen Moschee ragt nicht hoch in den klaren blauen Himmel hinauf.

Doch dieses unscheinbare Dorf ist zum Symbol für den Gewaltlosen Widerstand der Palästinenser gegen das Unrecht der Besatzungsmacht Israel geworden.
So wird es in die Geschichtsbücher der Palästinenser eingehen.

Bilin besitzt Symbolwert.
Seit Anfang 2005 ziehen dort an jedem Freitag eine Gruppe von Bewohnern aus Bilin gemeinsam mit Friedensaktivisten aus Israel und international bekannten Persönlichkeiten zum Zaun, um gegen seine Errichtung zu demonstrieren. ( 2 )

Trotz Steinwürfen, Tränengas und Gummigeschoßen der Soldaten der "Verteidigungsarmee Israels", der IDF,
ist der Protest in Bilin gewaltlos geblieben. ( 2 )

Der Trennzaun war jede Woche am Freitag das Ziel.
In der Ortsmitte sammelte sich ein kleiner Zug mit Transparenten.
Auf vielen von ihnen war zu lesen:
"Hört auf, unser Land zu stehlen."

Jetzt hat das Oberste Gericht Israels den Palästinensern im Dorf Bilin ihr Recht zurück gegeben.
Abdallah Abu Rahma, der den Protestzug geführt hat, sagt: "Das ist wunderbar." ( 1 )

Nach einem Aufruf der BewohnerInnen von Bilin haben sich Gruppen der israelischen sozialen Bewegungen wie "Gush Shalom", "Anarchists against the Wall", "Ta'ayush" und "The Women's Coalition for Peace" zusammengefunden, um regelmäßig jeden Freitag eine gewaltfreie Aktion durchzuführen.
Rund hundert Israelis gehen in diesen Demonstrationen mit und bilden so eine sichtbare Verbindung zur "anderen Seite". ( 5 )

Auf anderen Transparenten stand in Arabisch, Englisch und Hebräisch geschrieben:

"Das Dorf Bilin stirbt,
wenn ihm seine Erde geraubt wird."
( 5 )

Ein Protestmarsch wurde von denen angeführt, die von den Soldaten der Besatzungsarmee zu Krüppeln geschlagen worden waren.
Auf den von ihnen getragenen Tafeln schrieben sie die Namen der 3.800 PalästinenserInnen,
die seit Beginn der zweiten Intifada im Jahr 2000 umgebracht wurden. ( 5 )

Israels Oberstes Gericht versetzt Trennzaun bei Bilin

Das Israelische Verteidigungsministerium begründet den Bau des Trennzaunes damit,
die Selbstmordanschläge seien seit 2002,
seit Errichtung des bis zu 60 Meter breiten und rund 680 Kilometer langen Sperrwalls
um 90 Prozent zurückgegangen. ( 1 )

In Bilin wruden durch den Trennzaun 60 Prozent des Agrarlands, 26 Hektar, für den Zugang der Palästinenser gesperrt, denen die Felder gehören. ( 2, 3 )

Obwohl Israel diesen Zaun zur Abwehr gegen Terroristen errichtet, werden durch seinen Verlauf das Land der Palästinenser für die Erweiterungen im Neubauviertel Matitiahu-Ost im Siedlungsblock Modiin abgetrennt. ( 2 )

Jetzt müssen nach dem Urteil 1,7 Kilometer bei Bilin abgerissen werden,
weil das höchstes Gericht in Israel so entschieden hat.
Der Zaun wird danach gewiß wieder aufgebaut,
doch den Bauern in Bilin werden die bisher für sie unerreichbaren 60 Prozent ihrer Felder wieder zurück gegeben. ( 1 )

Zitat:
»Denn das Gericht sah für den jetzigen Verlauf der Sperranlage
keine militärische Notwendigkeit.
Auch das Argument der israelischen Regierung,
eine nahe jüdische Siedlung sei zu schützen,
wollten die drei Richter nicht akzeptieren.
Einstimmig entschieden sie zugunsten der gut 1700 Bewohner von Bilin,
die nicht länger von ihren Bäumen getrennt werden dürften.«
( 1 )

Zitat:
»In dem einstimmig gefällten Urteil schrieb Gerichtspräsidentin Dorit Beinish:
"Wir sind nicht überzeugt,
dass es aus sicherheitspolitischen Gründen notwendig ist,
an der jetzigen Route festzuhalten."«
( 2 )

Zitat:
»"Der bisherige Verlauf fügt den Einwohnern von Bilin erheblichen Schaden zu",
begründeten die drei Richter ihre Entscheidung.
Der Schaden sei durch Enteignungen und Baumfällungen entstanden.
Ausserdem seien die Bewohner durch die Sperranlage
von grossen Teilen ihrer landwirtschaftlichen Flächen abgeschnitten.«
( 3 )

Israel hat in Bilin nach palästinensischen Angaben rund 200 Hektar Land enteignet und
Tausende von Olivenbäumen gefällt.« ( 3 )

Die Gewalt der Besatzungsmacht

Irene Kahn, die Generalsekretärin von Amnesty International, hat sie erlebt, weil sie sich an einem Freitag im Dezember dem Protestzug anschloß.

Zitat:
»Auf dem Dach des letztes Hauses vor dem Zaun hatten sich israelische Soldaten postiert.

Plötzlich schwirrten Steine durch die Luft, die Soldaten antworteten mit Gummigeschossen und Tränengasgranaten.
Einige Sekunden lang stand die Amnesty-Chefin im Kugelhagel.
Später, wieder in Sicherheit,
verurteilte sie das Auftreten "bewaffneter Kräfte in bewohntem Gebiet als Provokation".

Abu Rahma, der bei den Demonstrationen immer dabei war, sagt:
"Die psychologischen Folgen der Auseinandersetzungen sind verheerend."
Viele Jugendliche in Bilin trugen schwere Verletzungen
aus ihrem hochgefährlichen Katz-und Mausspiel mit der israelischen Armee davon.«
( 1 )

Bewohner, die durch Schüsse mit den sog. Gummikugeln verletzt werden, erleiden oft schwere Verwundungen. Denn bei den sog. Gummigeschoßen handelt es sich in Wirklichkeit um Metallkugeln,
die nur mit einem dünnen Gummimantel überzogen sind. ( 5 )

Der Erfolg durch die Beteiligung der Israelis ist nicht zu leugnen.

Zitat:
»Wir arbeiten, schlafen und essen zusammen; es ist wie in einer Familie und als solche führen wir zusammen einen gewaltfreien Kampf. Wir arbeiten nicht nur bei den Aktionen zusammen, sondern auch, um die israelische Öffentlichkeit damit zu konfrontieren."

Laser, ein israelischer Aktivist, ergänzt,
wenn es keine israelische Beteiligung an den Aktionen gebe,
"würde die israelische Armee sofort zu schießen beginnen".«
( 5 )

Es darf auch nicht übersehen werden, wenn von der Palästinensischen Seite immer wieder der Verzicht auf Gewalt eingefordert wird, von welcher Gewalt diese Gegengewalt hervorgebracht wird.

Zitat:
»Armut und Arbeitslosigkeit habe auch die Gewalt in den Familien
stark steigen lassen, sagt eine Studie aus Ramallah.
Der Zaun zerschneidet viele Orte.
Zwischen ihm und der israelischen Grenzlinie von 1967, der Greenline, leben 95.000 Palästinenser -
und rund 140.000 jüdische Siedler.«
( 1 )

Am 9. Juli 2004 wurde der "Trennzaun" durch den Internationalen Gerichtshof für illegal erklärt.
Sein Verlauf wurde um das Dorf Bilin, im Osten von Ramallah, so angelegt,
dass er die neue Siedlung Menorah mit einschließt,
ebenso die Ausweitung der ultraorthodoxen Kolonie Kiryat Sefer und
die Siedlungen von Matityahu Misrah und Modi'in Ilit,
deren Grund die israelische Regierung annektieren und dem Staatsgebiet Israels zuteilen will. ( 5 )

Zitat:
»Die Besetzung verteidigt nicht
die israelischen BürgerInnen vor uns,
sondern sie stiehlt unseren Boden.«
( 5 )

Die Wichtigkeit dieser Meldung für die Deutschen Medien

Im BR2Radio hörte ich diese Meldung nur einmal in den Mittags-Nachrichten.
Danach verschwieg sie der BR wieder.
Soweit ich es entdeckte, ist die SZ mit nur 3 anderen deutschsprachigen Zeitungen, der FAZ, der FR und der NZZ, diejenige, die diese Nachricht druckte.
Weder der Münchner-Merkur, Die Welt, noch die taz, die ftd und der Kurier haben von dieser Entscheidung des Obersten Gerichts Israels "gewußt".

Zitat:
»Der alltägliche Kampf gegen den Bau der Mauer in Palästina
spielt sich vielfach auf gewaltfreie Weise ab.
Die westlichen Medien zeigen kein Interesse,
über diese Form des Widerstandes zu berichten.«
( 5 )


Die Berliner Zeitung fand sogar ein ganz anderes Thema meldenswert:

Zitat:
»Israels Vizepremier will Gaza das Wasser abdrehen
Israels Vizepremier Haim Ramon hat damit gedroht,
die Versorgung des palästinensischen Gazastreifens mit Strom, Wasser und Treibstoff zu unterbrechen.
( ... ) es sei undenkbar,
die Lieferungen fortzusetzen, wenn Südisrael von Gaza aus weiter mit Raketen beschossen werde.
Für jede abgefeuerte Rakete sollte die Versorgung zwei oder drei Stunden lang ausgesetzt werden.«
( 4 )

Welche Buße müßte demnach dem Staat Israel auferlegt werden?

Für jedes zerstörte Haus einer Palästinensischen Familie ?
Für jedes völkerrechtswidrig gebaute Haus der Jüdischen Siedler
auf dem enteigneten Land der Palästinenser?

Darüber sollte sich Israels Vizepremier Haim Ramon vielleicht auch Gedanken machen!

Während die NZZ sich "getraut" auf die Beurteilung des IGH in Den Haag von 2004 über die Illegalität dieses Trenn-Zaunes hinzuweisen, fehlt mir weiterhin der grundsätzliche Hinweis auf Artikel 49 ( 6 ) der IV. Genfer Konvention von 1949 über das Siedlungsverbot für die Besatzungsmacht auf den 1967 eroberten Gebieten.

Seit einigen Jahren frage ich mich,
worin der Grund für dieses Verschweigen in der Deutschen Presse zu finden ist?
Vom AA wurde mir diese Völkerrechtswidrigkeit der Jüdischen Siedlungen in den Besetzten Gebieten
auf zwei Briefe an die Bundeskanzlerin bestätigt.


23 Elul 5767 * 6. September 2007 © Heinz Kobald


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( 1 ) Quelle: Süddeutsche Zeitung, Nr. 204, 05. September 2007, Seite 1
Gericht zieht Grenze
Israels Sperrzaun darf Palästinensern nicht die Äcker nehmen
Christiane Schlötzer

( 2 ) FR-online.de, Erscheinungsdatum 05.09.2007
Israel muss Zaun verlegen - Gericht verurteilt Armee
VON INGE GÜNTHER

( 3 ) NZZ Online, 4. September 2007, 18:52
Israel muss Verlauf der Sperranlage ändern
Entscheid des Obersten Gerichtshof

Palästinenser im Dorf Bilin haben vor dem Obersten israelischen Gericht einen Sieg errungen.
Israel muss den Verlauf der umstrittenen Sperranlage bei dem Dorf ändern.
Durch die Anlage waren viele Bewohner von ihren landwirtschaftlichen Feldern getrennt.
Ausserdem gäbe es erhebliche Schäden durch Enteignungen und Baumfällungen,
lautet die Begründung des Gerichts.

( 4 ) Berliner Zeitung, 05.09.2007, AFP
Israels Vizepremier will Gaza das Wasser abdrehen

( 5 ) Der gewaltfreie Widerstand des Dorfes Bilin
Der alltägliche Kampf gegen den Bau der Mauer in Palästina
spielt sich vielfach auf gewaltfreie Weise ab.
Die westlichen Medien zeigen kein Interesse,
über diese Form des Widerstandes zu berichten.

Hier sind zahlreiche weitere Quellen zu diesem Thema aufgeführt.

( 6 ) FAZ, 05.09.07 - Grenzzaun wird verlegt
Urteil des Obersten Gerichts in Jerusalem zu Sperranlage bei Bilin
jöb. JERUSALEM, 4. September. Das Oberste Gericht in Israel hat am Dienstag entschieden, dass der Verlauf der Sperranlagen in der Nähe des palästinensischen ...
html 517 Wörter; 2.00 EUR / Zeitungsseite; 2.00 EUR



amnesty international veröffentlicht
Bericht zu Häuserzerstörungen


Berlin, 18. Mai 2004 - In den letzten dreieinhalb Jahren haben die israelischen Streitkräfte mehr als 3.000 Häuser von Palästinensern und arabischen Israelis zerstört.
Zehntausende von Männern, Frauen und Kindern verloren auf diese Weise ihr Zuhause oder ihre Lebensgrundlage.

Der heute veröffentliche Bericht "Israel and the Occupied Territories. Under the rubble: House demolition and destruction of land and property" von amnesty international dokumentiert.

Die Hauptgründe für die Häuserzerstörungen sind die kollektive Bestrafung für palästinensische Angriffe und der Ausbau illegaler israelischer Siedlungen.
Beide Praktiken verletzen internationales Recht.

Der Bericht
"Israel and the Occupied Territories. Under the rubble: House demolition and destruction of land and property"
im Internet