Die “damalige eindeutige Atmosphäre" in der Tschechoslowakei sei gewesen, “die Schuldigen des Weltkrieges zu bestrafen", schrieb Klaus in einem Beitrag für die Prager Zeitung Mlada fronta Dnes.
Deshalb habe sich die Tschechoslowakei aktiv an der Vertreibung beteiligt, zu der die Siegermächte - auf der Konferenz von Potsdam im Juli 1945 als “geordnete und humane Überführung" bezeichnet - ihr Einverständnis gegeben hätten.
Unter indirektem Hinweis auf Exzesse während der Vertreibung erinnerte das konservative Staatsoberhaupt daran, dass es nach dem Zweiten Weltkrieg von tschechischer Seite “zu einer Reihe widerlicher Taten gegenüber Deutschen" gekommen sei, die “auch nach damaliger Sicht nicht gerechtfertigt gewesen" seien.
Die Vertreibung sei jedoch “ausschließlich Wirkung, nicht Ursache" gewesen, unterstrich Klaus.
“Jedem vernünftig denkenden Menschen" müsse klar sein, dass es ohne die Zerschlagung der Tschechoslowakei durch Nazi-Deutschland nie zur Vertreibung der Deutschen gekommen wäre.«
Quelle: Süddeutsche Zeitung, 7. Juni 2005, Seite 7
Die nach dem Völkerrecht unzulässige Kollektivstrafe für drei Millionen Sudetendeutsche wird aufrecht erhalten.
Die „präventive“ Verurteilung von drei Millionen Sudetendeutschen als “Schuldige am Zweiten Weltkrieg“ wird nicht zurück genommen.
Mit der “präventiven Maßnahme der Vertreibung sollte das Entstehen eines neuen Krieges verhindert“ werden.
Ein Staats-Präsident, der eine derartige Rechtsauffassung nach dem 29. Oktober 2004 noch öffentlich vertritt, bewegt sich ebenso wenig auf dem Boden einer neuen Rechtsordnung für ein Europa wie die letzte Strafrechts-Reform in der Türkei.
Die sogenannte “präventive Vertreibung“ der deutschen Bürger der Tschechoslowakischen Republik betraf einen Bevölkerungsteil, der schon seit mehreren Generationen in diesen Gebieten ansässig war. Die deutschen Männer leisteten ihren Präsenzdienst im Tschechischen Heer ab.
Der tschechische Staatspräsident Vaclav Klaus müsste für den Inhalt seiner Worte “die Schuldigen des Weltkrieges zu bestrafen" den Beweis der Schuld der Vertriebenen Sudetendeutschen am Zweiten Weltkrieg im Einzelnen darlegen.
Artikel II-108 Unschuldsvermutung und Verteidigungsrechte
»(1) Jeder Angeklagte gilt bis zum rechtsförmlich erbrachten Beweis seiner Schuld als unschuldig.
(2) Jedem Angeklagten wird die Achtung der Verteidigungsrechte gewährleistet.«
Soweit ich davon Kenntnis habe, hat ein derartiges “rechtsförmliches“ Verfahren, in dem die “Schuld der Vertriebenen am Weltkrieg“ unzweifelhaft und im Einzelnen festgestellt worden ist, als Grundlage für die Vertreibung der deutschen Bürger aus der damaligen Tschechoslowakei, nicht stattgefunden.
Die Vertreibung erfolgte ausnahmslos aufgrund der Tatsache, dass es sich um den deutschen Teil der Bevölkerung in der damaligen Tschechoslowakei handelte.
Als Rechtfertigung für die Vertreibung von 3 Millionen Sudetendeutschen aus ihrer Heimat genügte die »“damalige eindeutige Atmosphäre" in der Tschechoslowakei« wie es der tschechische Staatspräsident Vaclav Klaus jetzt noch ausdrückt.
Es ist im Hinblick auf die zu erwartende EU-Verfassung unerträglich, dass die Regierung eines Vertragsstaates seine nicht bewiesenen Beschuldigungen gegenüber einen Teil der Bevölkerung eines anderen Vertragsstaates aufrecht erhält.
Sollte die “präventive Vertreibung“ ein Rechtsgrundsatz des geltenden Völkerrechts sein, dann könnte er auch in der Gegenwart für andere kriegerische Auseinandersetzungen beansprucht werden:
Für die Vertreibung von Bevölkerungsgruppen aus ihren Siedlungsgebieten bei dem Zerfall des Vielvölkerstaates Jugoslawien.
Die regierenden Herrscher im Sudan in ihrer Region Dafur.
Oder Ariel Sharon: anstatt die jüdischen orthodoxen Siedler aus dem Gaza zurück zu rufen, die Palästinenser von ihrem Land zu vertreiben, um die Terrorakte zwischen beiden Bevölkerungsgruppen in Zukunft zu verhindern.
Die letzte große Präventiv-Maßnahme im Irak hat bis heute nicht ihre nachträgliche uneingeschränkte Zustimmung aus dem internationalen Staatenbund erhalten.
Artikel I-2 Die Werte der Union
» Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören.
Diese Werte sind allen Mitgliedstaaten in einer Gesellschaft gemeinsam, die sich durch Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und die Gleichheit von Frauen und Männern auszeichnet.«
PRÄSIDENT DER TSCHECHISCHEN REPUBLIK unterzeichnet:
Stanislav GROSS, Premierminister, und
Cyril SVOBODA, Minister für auswärtige Angelegenheiten
Artikel I-4 Grundfreiheiten und Nichtdiskriminierung
»(1) ( ... )
(2) Unbeschadet besonderer Bestimmungen der Verfassung ist in ihrem Anwendungsbereich jede
Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten.«
Wenn der Staatspräsident Tschechiens, Vaclav Klaus, die Rechtfertigung dieser Vertreibung weiterhin aufrechterhält, verstößt er bereits vor Inkrafttreten der EU-Verfassung gegen ihre wesentlichen Grundsätze.
Artikel II-79 Schutz bei Abschiebung, Ausweisung und Auslieferung
» (1) Kollektivausweisungen sind nicht zulässig.
(2) Niemand darf in einen Staat abgeschoben oder ausgewiesen oder an einen Staat ausgeliefert werden, in dem für sie oder ihn das ernsthafte Risiko der Todesstrafe, der Folter oder einer anderen unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung besteht.«
Alle noch lebenden aus der damaligen Tschechoslowakei Vertriebenen Sudetendeutschen und deren Nachkommen müssten wegen Nichtachtung dieser Forderungen in der EU-Verfassung die Aufhebung der Benesch-Dekrete oder den Ausschluß Tschechiens aus der EU vor dem Gerichtshof der Europäischen Union ( Artikel I-29 ) einklagen.
Artikel I-5 Beziehungen zwischen der Union und den Mitgliedstaaten
» ( 1) ( ... )
(2) Nach dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit achten und unterstützen sich die Union und die Mitgliedstaaten gegenseitig bei der Erfüllung der Aufgaben, die sich aus der Verfassung ergeben.
Die Mitgliedstaaten ergreifen alle geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zur Erfüllung der Verpflichtungen, die sich aus der Verfassung oder den Handlungen der Organe der Union ergeben.
Die Mitgliedstaaten unterstützen die Union bei der Erfüllung ihrer Aufgabe und unterlassen alle Maßnahmen, welche die Verwirklichung der Ziele der Union gefährden könnten.«
Daraus hat die Regierung der Bundesrepublik Deutschland auch die Verpflichtung zu erfüllen, auf die Beendigung dieser Diskriminierung der Vertriebenen Sudetendeutschen durch jede Regierung Tschechiens hinzuwirken.
Dazu gehört insbesondere die Aufhebung der sogenannten Benesch-Dekrete.
Ein Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, der dieser Aufgabe ausweicht, verletzt damit nicht zuletzt auch seinen Amtseid.
Artikel II-77 Eigentumsrecht
» (1) Jede Person hat das Recht, ihr rechtmäßig erworbenes Eigentum zu besitzen, zu nutzen, darüber zu verfügen und es zu vererben.
Niemandem darf sein Eigentum entzogen werden, es sei denn aus Gründen des öffentlichen Interesses in den Fällen und unter den Bedingungen, die in einem Gesetz vorgesehen sind, sowie gegen eine rechtzeitige angemessene Entschädigung für den Verlust des Eigentums.
Die Nutzung des Eigentums kann gesetzlich geregelt werden, soweit dies für das Wohl der Allgemeinheit erforderlich ist.
(2) ( ... )«
Die Benesch-Dekrete verstoßen auch gegen das Eigentumsrecht in der EU-Verfassung. Sie sind keine Gesetze im Sinne der EU-Verfassung. Mit den Dekreten wurde den deutschen Bürgern der Tschechoslowakischen Republik die Statsbürgerschaft und gleichzeitig das Eigentumsrecht an ihrem Besitz genommen.
Für das Ordnen der Eigentumsrechte der Vertriebenen Sudetendeutschen bedarf es gesetzlicher Regelungen im Sinne der EU-Verfassung.
Artikel I-6 Das Unionsrecht
» Die Verfassung und das von den Organen der Union in Ausübung der der Union übertragenen Zuständigkeiten gesetzte Recht haben Vorrang vor dem Recht der Mitgliedstaaten. «
Daraus ergäbe sich ohnehin automatisch die Unwirksamkeit der Benesch-Dekrete.
Mit dem Inkrafttreten des überstaatlichen Rechts der EU-Verfassung wären sie aufgehoben, ohne dass es dazu eines besonderen Aktes der Nichtigkeits-Erklärung durch die Regierung Tschechiens bedürfte.
Durch ihre Unterschrift unter den Vertrag für eine EU-Verfassung hat die Regierung Tschechiens die Wirksamkeit des übergeordneten Rechts der EU-Verfassung für die Zukunft bestätigt und anerkannt.
Ein Festhalten an einer vermuteten bestehenden Rechtsgültigkeit der Benesch-Dekrete gerät in Konflikt mit einer zukünftigen EU-Verfassung. Nachdem sich aber Europa selbst zu einer Denkpause über seine Verfassung gezwungen sieht, hat auch Tschechien noch eine Frist erhalten, über die Fakten der Rechtsfolgen seiner aufrechterhaltenen Vertreibungs-Dektrete nachzudenken.
Eine besondere Bedeutung kommt dabei folgenden Artikeln zu.
Artikel II-112 Tragweite und Auslegung der Rechte und Grundsätze
» (1) Jede Einschränkung der Ausübung der in dieser Charta anerkannten Rechte und Freiheiten muss
gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten.
Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen Einschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie erforderlich sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.
(2) ( ... )
(3) Soweit diese Charta Rechte enthält, die den durch die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten garantierten Rechten entsprechen, haben sie die gleiche Bedeutung und Tragweite, wie sie ihnen in der genannten Konvention verliehen wird.
Diese Bestimmung steht dem nicht entgegen, dass das Recht der Union einen weiter gehenden Schutz gewährt.
(4) Soweit in dieser Charta Grundrechte anerkannt werden, wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergeben, werden sie im Einklang mit diesen Überlieferungen ausgelegt.
(5) ( ... )
(6) Den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten ist, wie es in dieser Charta bestimmt ist, in vollem Umfang Rechnung zu tragen.
(7) ( ... ) «
Artikel II-113 Schutzniveau
» Keine Bestimmung dieser Charta ist als eine Einschränkung oder Verletzung der Menschenrechte und Grundfreiheiten auszulegen, die in dem jeweiligen Anwendungsbereich durch das Recht der Union und das Völkerrecht sowie durch die internationalen Übereinkünfte, bei denen die Union oder alle Mitgliedstaaten Vertragsparteien sind, darunter insbesondere die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, sowie durch die Verfassungen der Mitgliedstaaten anerkannt werden.«
Artikel II-114 Verbot des Missbrauchs der Rechte
»Keine Bestimmung dieser Charta ist so auszulegen, als begründe sie das Recht, eine Tätigkeit auszuüben oder eine Handlung vorzunehmen, die darauf abzielt, die in der Charta anerkannten Rechte und Freiheiten abzuschaffen oder sie stärker einzuschränken, als dies in der Charta vorgesehen ist. «
Die letzte Frist hat begonnen, in der sich die Regierung Tschechiens mit den Erfordernissen der EU-Verfassung für seine eigenen “Recht schaffenden Akte“ ernsthaft auseinandersetzt.
Es stünde einem Staat gut an, der sich im Zusammenleben mit anderen Staaten auf die Grundsätze von Rechtsstaatlichkeit einigt, das in seinem Regierungsbereich noch bestehende Unrecht in eigener Verantwortlichkeit zu beseitigen.
13. Juni 2005 © Heinz Kobald