Der unerträgliche Standpunkt

Heinz Kobald

  
 
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Der “Osloer-Friedensvertrag“ von Herrn Thorsten Schmitz

Die Zwiespältigkeit in der Politik Sharons zeigt Herr Thorsten Schmitz in seinem Bericht über Ost-Jerusalem und die Vertreibung der Palästinenser aus diesem seit 1967 mit Krieg eroberten Ostteil Jerusalems.

»Die wahren Absichten von Israels Premierminister Ariel Scharon kann man nicht seinen Aussagen entnehmen, denn diese bleiben stets diffus. Also muss man seine Handlungen betrachten - und die sprechen eine ganz andere Sprache.« 1)

Die zielbewußte Ansiedlung im palästinensischen Ostteil von Jerusalem mit jüdischen Siedlern nimmt stetig zu.
»In Ost-Jerusalem leben etwa 230.000 Palästinenser sowie 200.000 jüdische Siedler.« 1)
Für die zionistischen Ziele der Regierung Sharon gibt es keine Hindernisse?. Das geschieht entgegen dem Siedlungsverbot für den Besatzer in der Genfer Konvention von 1949.
In seinem Bericht konnte Herr Schmitz auch nicht fehlen, denn der Bericht der ... ist darin sehr deutlich.
Obwohl er das grundsätzliche Verbot der Besiedlung durch einen Besatzer in der Genfer Konvention offensichtlich immer noch nicht für nennenswert hält.

Ich frage mich immer noch, was in den Besatzungs- und Besiedlungsbestrebungen Israels in den besetzten Gebieten einer freien Interpretation unterliegt? Da werden Ansichten in aller Öffentlichkeit journalistisch interpretiert, die eindeutig gegen die Forderungen im Völkerrecht und der Menschenrechte stehen!

Der Sprachgebrauch von Herrn Schmitz in Bezug auf die Palästinenser weist hier eine abfällige Tendenz auf.

»Scharon redet von der Notwendigkeit eines Palästinenserstaates, aber der Staat, der ihm dabei vorschwebt, hat kaum etwas mit jenem zu tun, den die Palästinenser möchten. Sie wollen ein zusammenhängendes Terrain, keinen Flickenteppich.« 1)

Sie möchten, sie wollen! Trägt sich das Denken von Herrn Schmitz nicht mit Zweifeln, daß sie ein Recht auf einen lebensfähigen Staat haben? Dies könnte sich z.B. in einem eindeutigeren journalistischen Bekenntnis zu dem Wort “sollen“ ausdrücken.

»Scharon aber, der die Losung aus dem Osloer Friedensvertrag “Land für Frieden" gegen “Unabhängigkeit gegen Sicherheit" ausgetauscht hat, will den Palästinensern nur Kantone überlassen.« 1)

Doch ist aus den Verhandlungen von Oslo zwischen den Palästinensern und Israel kein “Friedens-Vertrag“ entstanden.
Im eglischen Originaltext steht das Wort “agreement“, das nach gültiger Übersetzung in die Deutsche Sprache eine “Vereinbarung“ bedeutet. Wäre es ein “Vertrag“ so müßte das durch das englische Wort “treaty“ ausgedrückt werden.
Für diesen Hinweis bin ich Herrn Dr. Reiner Bernstein 2) sehr dankbar. Er hat an dieser Initiative als Vertretung der deutschen Beteiligung mitgewirkt. Seine Bemühungen gelten den Zielen dieser Initiative.

In zahlreichen Kommentaren zu den sog. Osloer-Verhandlungen ist nie der Begriff “Friedens-Vertrag“ zu lesen.

Der damalige Ministerpräsident Israels Rabin und sein Außenminister Peres begannen Geheimverhandlungen mit der PLO über die erforderlichen Grundlagen für einen fortschreitenden Friedensprozeß.
Der erste Schritt dieser OSLO-ABKOMMEN war die "Declaration of principles" (Oslo-Abkommen oder auch Interimsabkommen genannt) vom 13.9.1993.
Ziel dieser allgemeinen Vereinbarung war, die Macht und die Verantwortung in der West-Bank und im Gaza-Streifen den Palästinensern zu übertragen.
Sie sollten ihre eigenen Angelegenheiten autonom regeln können.
Die sehr umstrittenen Themenkomplexe Jerusalem, Flüchtlinge, Siedlungen, Sicherheitsvereinbarungen und Grenzen wurden jedoch ausgeklammert. 3)

In ihrem Umfang an Regelungen derartig beschränkte Abkommen können niemals den endgültigen Charakter von Verträgen erhalten.
Deutsche Journalisten machen sich mit “diffusen Formulierungen“ ebenfalls einer unverantwortlichen Ungenauigkeit schuldig.

Uri Avnery ( Gush Shalom ) hebt in seinen Überlegungen von 2002 die Ursachen für das Scheitern von Oslo deutlich hervor.

»Als Basis für Frieden war das Oslo-Abkommen kein gutes Abkommen. Es konnte nicht gut sein, weil die objektiven Umstände schlecht waren.
Das Kräftegleichgewicht zwischen Israel und den Palästinensern war etwa wie 1000 : 1.
Nach allen Kriterien, den politischen, militärischen, wirtschaftlichen, technologischen und sonstigen - war Israel in allem weit überlegen.« 4)

»Es skizzierte eine Folge von Zwischenstadien ohne festzusetzen, wohin sie führen sollten. ( ... ) Die Verpflichtungen beider Seiten waren zu vage formuliert«. 4)

»Es ermöglichte eine enorme Errungenschaft:
die Anerkennung des Staates Israel durch das palästinensische Volk und
die Anerkennung des Palästinensischen Volkes und seiner Befreiungsorganisation durch den Staat Israel
.
Bis dahin hatte jede Seite die Existenz der anderen Seite bestritten.
Diese gegenseitige Anerkennung ist eine unwiderrufliche historische Tatsache.« 4)

»Die Kampagne gegen die "Oslo-Verbrecher" war auch erfolgreich.
Rabin wurde ermordet und das Aufhetzen nimmt immer weiter wachsende Dimensionen an.
Mit solchen Mitteln hoffen die extrem Rechten und die Siedler, den Staat zu übernehmen.
Gemäß dem wohlbekannten Rezept wiederholen sie endlos die historische Lüge, so dass sie mittlerweile wie die Wahrheit eines Evangeliums angenommen wird. Die Medien wiederholen sie als selbstverständliche Tatsache.« 4)

Im Hinblick auf die Folgen von Oslo - aus seinen vagen Definitionen - setzt sich auch ein undeutlicher Journalismus in Deutschland der Gefahr aus, sich mit einer Schuld zu beladen:
Er habe den Friedensprozeß in Palästina - entsprechend der historischen Verantwortung Deutschlands - nicht mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln unterstützt. ( die Verpflichtung dazu in unserem Grundgesetz möchte ich hier nicht nochmals betonen )

Doch ein Lob verdient Herr Thorsten Schmitz für seinen aufschlußreichen Bericht über das jüdisch-palästinensische Paar Evi Guggenheim und Eyas Shbeta, mit dem er sich der angemahnten Bemühung im Stil seines Journalismus, dem Ziel einer friedlichen Lösung in Palästina, nähert. 5)

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1) Quelle: Süddeutsche Zeitung, Nr. 273, 26. November 2005, Seite 4, Der doppelte Scharon, von mitz

2) Genfer-Initiative: http://genfer-initiative.de

3) Bornpower - Politik und Wirtschaft im Visier - Andreas Bornefeld - Netstudien – infobroker,
Israels Siedlungspolitik - Grundlagen des Nahostkonfliktes
Quelle: http://www.bornpower.de/israel/oslo.htm

4) Ein Abgrund kann nicht mit zwei Sprüngen überwunden werden - Stellt die Verbrecher von Oslo vor Gericht!, von Uri Avnery, 21.9.02, 3.8.02 Indict the Murderers of Oslo - hagalil.com 13-12-2002
Quelle: http://friedensbewegung.zionismus.info/gush-shalom/oslo-crimes.htm

5) Liebe siegt - Israel ist kein Land für Frieden zwischen Juden und Palästinensern? Doch!
Es gibt einen Ort, wo das Unmögliche möglich ist. von Thorsten Schmitz
Quelle: Süddeutsche Zeitung, Nr. 273, 26. November 2005, Seite 99



26 Cheshvan 5766 * 28. November 2005 * Heinz Kobald