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Startseite / Gedenken / Reichsprogromnacht 9. November 1938 | ||||
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9. November 1938: "Reichskristallnacht" Die Reichsprogromnacht vom 9. November 1938 In der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 wurden beinahe sämtliche 265 jüdische Synagogen in Deutschland in Brand gesetzt. Versuche, die Brände zu löschen, wurden von den Brandstiftern verhindert. Die Sturmabteilung (SA) und die Schutzstaffel (SS) zerschlugen die Schaufenster an über 7.000 jüdischen Geschäften und 29 Warenhäusern. Sie drangen nach vorliegenden Plänen in die Wohnungen von jüdischen Bürgern ein, zertrümmerten die Wohnungseinrichtungen und schlugen auf die anwesenden Bewohner ein. Die Reichs-Presse berichtete über die Geschehnisse: "Des Volkes Zorn nahm Vergeltung an den jüdischen Ladengeschäften, denen größtenteils sämtliche Fenster eingeschlagen wurden" . Von den Scherben der eingeschlagenen Schaufensterscheiben auf den Straßen bekam diese Progromnacht vermutlich vom Berliner Volksmund ihren Spott-Namen: “Reichskristallnacht“. In den Dokumentationen der Geschehnisse wird diese Nacht mit verschiedenen Bezeichnungen genannt: Kristallnacht ( Meyers Neues Lexikon in 8 Bänden, Band 4, 1980 und Wahrig Deutsches Wörterbuch, 1986 ) - Novemberpogrome - Pogromnacht - Reichskristallnacht ( Der große Ploetz, 32. Auflage, 1998 ) - Reichspogromnacht ( Deutsches Historisches Museum - NRW-Dokumentation ). Nach 1945 überwog in Westdeutschland der Begriff "Reichskristallnacht". Bis in die 80-er Jahre blieb der Name unumstritten. Während Historiker den Begriff beibehalten, wird seit einigen Jahren in der Politik und den Medien von der "Reichspogromnacht" gesprochen. In den Konzentrationslagern nannten sie Juden die “Rathaktion“ oder die “Mordwoche“. Rathaktion bezieht sich auf das Attentat von Grynszpan; die Mordwoche auf die lebensbedrohliche Gewalt gegen die in die KZ eingelieferten Juden. In den Kreisen der Exil-SPD und der KPD waren es die “Judenpogrome“. In Tagebüchern sind auch die Worte "Grünspanaffäre" ( Victor Klemperer ) oder “Bartholomäusnacht“ ( Walter Tausk ) zu lesen. Aufgetaucht sind auch die Bezeichnungen “Tag der deutschen Scherben“ - “Reichsscherbenwoche“ - “Judennacht“, “Synagogensturm“ - oder “Reichstrümmertag“. In der Sprachregelung der DDR wurde der Begriff "faschistische Pogromnacht" benutzt. Die Nationalsozialisten benannten die von ihnen organisierte Gewalt gegen die Juden in Deutschland die “Novemberaktion“ - “Sonder- oder Vergeltungsaktion“ - “Protest- Kundgebungen“ - “Judenaktion“. Die Begriffe "Kristallnacht" und "Reichskristallnacht" sind keine Wortschöpfungen der Nationalsozialisten. Die Worte Kristallnacht - Progrom - Reichskristallnacht - Reichsprogromnacht sind ohne Eintrag und Erklärung in: Der kleine Duden Fremdwörterbuch, 3. Auflage, Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG Mannheim, 1991 Herders Volkslexikon, 10. Auflage, Herder & Co GmbH, Freiburg im Breisgau, 1950 Das Fernschreiben von Reinhard Heydrich zur Reichspogromnacht ("Reichskristallnacht") Beim Lesen der Anweisungen von SS-Gruppenführer Reinhard Heydrich in seinem Fernschreiben vom 10. 11. 1938 wird offensichtlich, daß sich hier der “Volkszorn“ nicht spontan erhoben hat. »1.) Die Leiter der Staatspolizeistellen ( ... ) haben sofort nach Eingang dieses Fernschreibens mit den für ihren Bezirk zuständigen Politischen Leitungen - Gauleitung oder Kreisleitung - ( ... ) eine Besprechung über die Durchführung der Demonstrationen zu vereinbaren, zu der der zuständige Inspekteur oder Kommandeur der Ordnungspolizei zuzuziehen ist. « » a) Es dürfen nur solche Maßnahmen getroffen werden, die keine Gefährdung deutschen Lebens oder Eigentums mit sich bringen (zB. Synagogenbrände nur, wenn keine Brandgefahr für die Umgebung ist).« »2.) Unter der Voraussetzung, daß die unter 1) angegebenen Richtlinien eingehalten werden, sind die stattfindenden Demonstrationen von der Polizei nicht zu verhindern, sondern nur auf die Einhaltung der Richtlinien zu überwachen.« Quelle: NS-Archiv: 10.11.1938, H.-J. Döscher, "Reichskristallnacht", S. 95 ( Textstellen unterstrichen vom Verfasser ) Die Tage vom 7. bis 9. November 1938 Die Gewalt gegen Juden und jüdische Einrichtungen in Deutschland begann nicht erst am 9. November 1938 sondern unmittelbar nach den Schüssen von Grynszpan in der Deutschen Botschaft in Paris am 7. November 1938. In den Orten in Kurhessen und Madgeburg-Anhalt kam es am 7. November 1938 zu pogromähnlichen Ausschreitungen. Die Täter waren Angehörige der SA und SS in normaler Kleidung. In Kassel wurde am Abend des 7. Novembers 1938 die Synagoge und andere jüdische Einrichtungen verwüstet. In der selben Nacht wurden in der Umgebung von Zierenberg Bebra und Sontra mehrere Gebäude zerstört. Die erste Synagoge brannte am Abend des 8. November 1938 in Bad Hersfeld. Im Landkreis Fulda und im Landkreis Melsungen wurden Synagogen und Wohngebäude verwüstet. Vom Abend bis in die Nacht wurden zahlreiche Juden misshandelt. Das erste Todesopfer wurde aus Felsberg in Kurhessen gemeldet. In Dessau begannen am Nachmittag des 9. November 1938 die Gewalttaten. Die Synagoge und das jüdische Gemeindehaus wurden angezündet. Am Abend brach in Chemnitz das Unglück über die Juden herein. In Düsseldorf kamen in der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 drei Menschen ums Leben, an den Folgen starben unmittelbar danach weitere vier. Andere behielten Gesundheitsschäden zurück, von denen sie sich nie erholten. Stationär mussten in Krankenhäusern 70 Menschen behandelt werden, darunter der mit mehr als zwanzig Messerstichen schwer verletzte Salo Loeb. Im Anschluss an die Progrom-Nacht wurden fast alle jüdischen Organisationen aufgelöst und die jüdische Presse verboten. Im Bewusstsein der deutschen Juden und in deren Erinnerung war diese Nacht das Ende der Geschichte der Juden in Deutschland (vgl. Kulka, Deutsches Judentum I, Nr. 119). Nach offiziellen Angaben wurden in dieser Nacht 91 Menschen getötet. Am folgenden Tag begann mit 30.000 männlichen Juden die Verschleppung von Juden in die Konzentrationslager in einem großen Ausmaß. Die Schüsse von Herschel Grynszpan in Paris am 7. November 1938 Als äußerer Anlaß für diese Progromnacht gilt die Tötung des Legationssekretärs Ernst Eduard vom Rath in der deutschen Botschaft in Paris. Am 7. November 1938 feuerte der 17-jährige Jude Herschel Grynszpan mehrere Schüsse auf Ernst vom Rath ab. Sein Beweggrund zu dieser Tat war die Verschleppung seiner Eltern in Polen und die von 17.000 polnischen Juden in die Konzentrationslager. Herschel Grynszpan war 1921 in Hannover geboren worden. Seine Eltern waren 1911 aus Polen nach Deutschland gezogen. Herschel war im November 1938 bei Verwandten in Paris zu Besuch. Dort erhielt er den Brief mit der Nachricht, seine Eltern sind nach Polen verschleppt worden. In der deutschen Reichs-Presse wurde die Tat als "Anschlag des Weltjudentums" überzeichnet herausgestellt. Am 9. November 1938 starb Ernst Eduard vom Rath an den schweren Verletzungen. An seinem Todestag hatten sich in München die "Alten Kämpfer" für eine jedes Jahr stattfindende Feier versammelt. Es war der 15. Jahrestages des Marsches auf die Feldherrnhalle, mit dem im Jahr 1923 der Putsch von Adolf Hitler in München gescheitert war. Reichspropagandaminister Josef Goebbels teilte der anwesenden Führung der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei ( NSDAP ) mit, vom Rath sei der Kugel des "jüdischen Mordbuben" erlegen. Goebbels verwies auf die bereits stattgefundenen Pogrome in Kurhessen und Magdeburg-Anhalt und setzte hinzu, die Partei werde antijüdische Aktionen nicht organisieren aber dort wo sie entstünden auch nicht behindern. Diese Worte in der Rede Goebbels galten für die Partei- und SA-Funktionäre als die Aufforderung zum Handeln, mit den Schrecken der Progromnacht zu beginnen. Der 9. November 1938 war ein Höhepunkt nach den vorausgegangenen Angriffen der Nationalsozialisten auf das Judentum in Deutschland Die ersten Konzentrationslager wurden 1933 in Dachau und Oranienburg errichtet. Als Grund für den Boykott gegen jüdische Geschäfte, Ärzte und Rechtsanwälte wurde die angebliche "Greuelhetze ausländischer Juden" gegen Deutschland angegeben. Die Gesetzgebung der Nationalsozialisten verwehrte Juden die Teilnahme am öffentlichen und kulturellen Leben; z. B. das Betreten von öffentlichen Anlagen. Am Reichsparteitag der NSDAP in Nürnberg am 15. September 1935 wurden die "Nürnberger Rassengesetze" verkündet. Es handelte sich um zwei Gesetze: das "Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre" (auch "Blutschutzgesetz" genannt) und das "Reichsbürgergesetz". Hitler ordnete während des Reichsparteitages kurzfristig die Ausarbeitung der Gesetze an. Sie sollten der Höhepunkt des Reichsparteitages werden. Innenminister Wilhelm Frick erhielt den Auftrag zur Formulierung des Textes. Der Reichsärzteführer Dr. Gerhard Wagner, die Staatssekretäre Hans Pfundtner und Wilhelm Stuckart, der Rassereferent des Innenministeriums Dr. Bernhard Lösner arbeiteten in Nürnberg an den Gesetzen. Nach dem "Reichsbürgergesetz" durften Juden nicht mehr Staatsbürger sein und verloren das aktive und passive Wahlrecht. Das "Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre" verbot die Ehe und den außerehelichen Verkehr zwischen Juden und Deutschen. In den nächsten Jahren folgten 13 Ergänzungsverordnungen. 1936 werden Jüdische Ärzte von jede Tätigkeit in öffentlichen Krankenhäusern ausgeschlossen. 1938 werden Juden von jeder Tätigkeit in Handel, Gewerbe, Rechtswesen und Krankenpflege ausgeschlossen. Jüdische Rechtsanwälte verlieren ihre Zulassung. Die deutschen Reisepässe werden den Juden weggenommen. Nur unter großen Schwierigkeiten erhalten sie wieder Pässe ausgestellt. In den neuen Ausweispapieren ist ein großes “J“ eingetragen. Bei dieser Aktion werden Juden gezwungen, zu ihren bisherigen Vornamen die Namen "Sara" bzw. "Israel" anzunehmen. Als “Sühneleistung“ für das Attentat wird von den Juden 1 Milliarde RM gefordert, um für die in der Pogromnacht entstandenen Schäden - ohne Beanspruchung ihrer Versicherungen - einen Ersatz zu leisten. Die Verwüstungen wurden als "Tumultschäden" bezeichnet. Diese waren ähnlich wie Terroranschläge heute nicht versichert. Quelle: Kühl kalkuliert, Deutschlands Versicherer fürchteten die Folgen des Novemberpogroms 1938, Forschungsergebnisse der Allianz, von Jan Dams und Jennifer Lachman, Die Welt, Artikel am 9. November 2005 http://www.welt.de/data/2005/11/09/800808.html Es folgten weitere Verordnungen und Verbote: Ausgangssperren und Sperrbezirke beschränkten ihre Bewegungsfreiheit; die Führerscheine werden von ihnen eingezogen; ihre Rundfunkgeräte beschlagnahmt. Die Pogromnacht war erst der Anfang der lebensbedrohenden Übergriffe der Nationalsozialisten auf die jüdische Bevölkerung in Deutschland bis zur plangemäßen Ermordung von 6 Millionen Menschen. 8 Cheshvan 5766 * 10. November 2005 * Heinz Kobald ___________________________________________________ "Reichskristallnacht" http://www.comlink.de/cl-hh/m.blumentritt/agr264.htm "Die Reichspogromnacht" http://www.dhm.de/lemo/html/nazi/antisemitismus/kristallnacht/ Hans-Ulrich Thamers, "Reichskristallnacht“, Die antisemitischen Novemberpogrome 9. November 1938, http://www.shoa.de Fernschreiben von Reinhard Heydrich, Chef der Sicherheitspolizei, vom 10. November 1938 mit Weisungen zum Vorgehen der Polizei bei den antijüdischen Pogromen. http://www.shoa.de/reichskristallnacht.html Fernschreiben von Reinhard Heydrich zur Reichspogromnacht ("Reichskristallnacht"), NS-Archiv: 10.11.1938, H.-J. Döscher, "Reichskristallnacht", S. 95 http://www.ns-archiv.de/verfolgung/pogrom/heydrich.php "Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre" , "Reichsbürgergesetz". Ulrike Goeken-Haidl http://www.rassengesetze.nuernberg.de/gesetze/gesetze2.html Reichspogromnacht – Reichskristallnacht von Sven Siener http://www.christen-und-juden.de/html/holocaust/kristallnacht.htm Die Juden in den geheimen NS-Stimmungsberichten 1933-1945 http://holocaust.juden-in-europa.de/pogrom/kristallnacht.htm Mommsen, Der nationalsozialistische Polizeistaat Benz, Juden Meyer M., Jewish Political Leadership in Nazi Germany |
"Ich bitte euch um eins: Lasst euch von niemandem auf der Welt einreden, wen ihr zu lieben und wen ihr zu hassen habt," sagte er zu jungen Menschen. Henryk Mandelbaum polnischer Jude Konzentrationslager Auschwitz Das gilt auch für alle Menschen, die in Palästina leben. |