Wie antisemitisch ist München?
Eine schnell geschriebene Reportage ohne die journalistische Verpflichtung zur Information über Hintergründe.
Da ist eine Gruppe in München, die jede Kritik an den Handlungen der Regierung in Tel Aviv mit dem Vorwurf des Antisemitismus belegt. Diese Vorgänge verlaufen nach einem erkennbaren Muster.
Die bedauerliche Unkenntnis
»Den “Antisemitismus als politische Waffe“ hat Norman Finkelstein in seinem Buch mit bewundernswerter Genauigkeit in seinen Recherchen und Analysen dargestellt.
Finkelstein befaßt sich mit der Instrumentalisierung von Antisemitismus
durch die proisraelische Lobby in den USA und in Europa, zugunsten der israelischen Politik.
Immer wenn die Gefahr besteht, die internationale Gemeinschaft könnte
mit verstärktem Druck von Israel verlangen, die besetzten Gebiete gemäß dem Völkerrecht zu räumen,
wird ein neuer Antisemitismus inszeniert:
»eine weitere, bis ins kleinste Detail durchgeplante Aktion,
die den Zuschauern medienwirksam die erschrecklichen Ausmaße
des weltweiten Antisemitismus vor Augen führen soll.«
Mit dem Antisemitismusvorwurf bezwecken die amerikanisch-jüdischen Eliten:
Wer Israel kritisiert, soll als verkappter Antisemit erscheinen,
und Berichte über die Lage der Palästinenser unter der Besatzung,
ihre Unterdrückung und ihr Leid sollen tabu sein. Nur Israel steht die Rolle des Opfers zu.
Das bedeutet, die wahre Situation soll auf den Kopf gestellt werden, und Israel soll Immunität genießen.
Der sogenannte »neue Antisemitismus« dient nicht nur dazu, berechtigte Kritik an Israel im Keim zu ersticken,
sie soll auch von Verletzungen des Völkerrechts und grundlegender Menschenrechte ablenken.« ( 2 )
Es ist verblüffend wie diese Erklärungen von Finkelstein auf die Vorgänge in München zuzutreffen scheinen.
Bedauerlich ist, erkennen zu müssen, wie offensichtlich die Unkenntnis dieser Hintergründe dem Herrn Bürgermeister und seinem Stadtrat sein müssen.
Von Journalisten hätte ich mir allerdings eine umfassendere Kenntnis dieser Tatsachen erwartet.
Zitat:
»Auch Veranstaltungen mit laut Bürgermeister Schmid "grenzwertigen Äußerungen"
sollen künftig in kommunalen Gebäude nicht mehr zugelassen werden.
Da ist sich die Stadtregierung sehr einig.« ( 1 )
Als »grenzwertig« ist die Auffassung von Meinungsfreiheit anzusehen, die im Münchner Stadtrat sitzt.
Da sollten sich Politiker in Deutschland prüfen, wie »grenzwertig« ihr Verhalten ist, wenn sie es unterlassen, die Verstöße Israels gegen das Geltende Völkerrecht "unbeantwortet" zu lassen.
Sie sollten sich mehr darum bemühen, den Vorwurf des Antisemitismus zu prüfen und die damit verbundene Absicht, jede Meinungsäußerung mit dem Vorwurf Antisemitismus zu belegen. Selbst dann, wenn es sich eindeutig um die Feststellung von Verstößen gegen das Geltende Völkerrecht durch die Regierung in Tel Aviv handelt.
Sie sollten mit präziser Sachlichkeit die Hintergründe und die Personen betrachten, die mit diesem Vorwurf auftreten.
Dazu wäre die Rechtsabteilung der Stadt München auch aufgerufen. Zuerst müßte sie für sich selbst aufklären und definieren, was sie unter "grenzwertig" versteht.
Selbst ein Boykott-Aufruf ist von dem Recht der Meinungsfreiheit gedeckt.
Denn wegen den unbestrittenen Verstößen der Regierungen in Tel Aviv gegen das Völkerrecht sind Sanktionen der UN nach Art. 41 und 42 der Charta der Vereinten Nationen gegen den Staat Israel rechtmäßiges Völkerrecht und kein Antisemitismus.
Zitat:
»Polizei und Gasteig-Mitarbeiter sind zunächst überrumpelt gewesen,
die Demonstration war nicht angemeldet.
Als aber ein Polizist die Menschen des Platzes verweisen wollte, sind sie geblieben.
Sie stellen sich an die Wege zum Eingang.« ( 1 )
Schon einmal wurden in der jüngsten Vergangenheit Deutschlands die Ansichten anderer Menschen mit körperlicher Gewalt bedrängt.
Der Stadtrat läuft mit seiner Einstellung Gefahr, anstatt die freie Meinungsäußerung zu garantieren und zu schützen, sie wegen den Randalierern mit ihrem ungeprüften Vorwurf des Antisemitismus zu gefährden.
Prüft der Stadtrat den Vorwurf des Antisemitismus und nach welchen Kriterien prüft er ihn.
Ist er sich der Forderungen des Völkerrechts bewußt, die von der Regierung in Tel Aviv nicht erfüllt werden?
Darüber ist nichts zu lesen.
Zitat:
»die Stadt werde "solche Veranstaltungen" künftig nicht mehr unterstützen.
Wiederholt wurden seitdem Vorträge in städtischen Räumen abgesagt oder unterbunden.« ( 1 )
»zu dieser Art von Veranstaltungen« ( 1 )
Wenn da steht »diese Art von Veranstaltungen« dann signalisiert das »diese Art« eine fahrlässige Undefiniertheit des Vorwurfs. Es sieht so aus als teilte der Stadtrat diesen unbegründeten Vorwurf des Antisemitismus ohne eigene Nachprüfung. Will er sich der Verletzung rechtsstaatlicher Grundsätze schuldig machen?
Dazu kommt der leichthändig geschriebene Bericht über diese Veranstaltung, keine Inhaltsangabe über den Vortrag von Herrn Levy über ein halbes Jahrhundert einer menschenunwürdigen Besatzung und sogenannten "Besiedlung", der rechtsgültigen UN-Resolution 242 von 1967, die von der Regierung in Tel Aviv nicht mit dem Rückzug der Armee befolgt wird, stattdessen gegen das Verbot der Besiedlung in Art. 49 der IV. Genfer Konvention von 1949 verstößt.
Ohne dem Hintergrund des Völkerrechts erscheinen die Beurteilungen von Herrn Levy über die Handlungen der Regierungen in Tel Aviv nur zu schnell als eine "unhaltbare Beschimpfung" Israels.
Haben die Berichtsverfasser Heiner Effern und Jakob Wetzel zu den Verstößen der Regierung in Tel Aviv gegen das Völkerrecht tatsächlich nichts zu sagen?
Dagegen scheinen sie mit offensichtlichem Vergnügen und unbedacht in den unbegreifbaren Sumpf des Antisemitismus zu greifen. Welches verdrehte Schaupiel wird hier der Öffentlichkeit geboten?
Aus der Einstellung zu den Vorgängen am Gasteig ist nicht zu erkennen, ob sich Herr Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD), Herr Bürgermeister Josef Schmid (CSU) und der Stadtrat mit dem Wissen über das Geltende Völkerrecht eine Meinung bilden.
Aus dem Bericht ist nicht zu erkennen, ob die Bürgermeister und der Stadtrat mit den entsprechenden Kenntnissen über die Verstöße der Regierung in Tel Aviv gegen Geltendes Völkerrecht die Kritik an diesen Handlungen von dem Vorwurf des Antisemitismus unterscheiden.
Was hier in München geschieht sind äußerst beängstigende Vorgänge, die sich gegen die Rechtsgrundsätze einer Demokratie wenden, die mutwillige Behinderung des Rechts auf Meinungsäußerung.
Kann es sein, hier ist nicht nur beim Bürgermeister und dem Stadtrat sondern auch bei den Journalisten ein lückenhaftes Wissen über die völkerrechtlichen Grundlagen der Konflikt-Situation in Palästina vorhanden?
Das erklärt dann allerdings, warum hier die Treppen- und Türbelagerer mit dem Antisemitismus auf der Fahne so leichtes Spiel mit ihren unsachlichen Argumenten haben.
29. Mai 2017 © Heinz Kobald
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( 1 ) Quelle: Süddeutsche Zeitung, 26. Mai 2017, Seite 45
Umstrittener Gast im Gasteig - Das Publikum in der Black Box ist recht angetan.
Doch ein Zuhörer steht auf und beschwert sich
Ein Auftritt des israelischen Journalisten Gideon Levy löst heftige Proteste aus.
Kritiker argumentieren, mit der Veranstaltung ziehe Antisemitismus in städtische Räume ein.
Die Stadtspitze will dies künftig noch strenger prüfen
Von Heiner Effern und Jakob Wetzel
( 2 ) Quelle: Norman G. Finkelstein "Antisemitismus als politische Waffe" Piper Verlag 2007
Vorwort von Felicia Langer