Der unerträgliche Standpunkt

Heinz Kobald

  
 
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Kann ein jüdischer Staat eine Demokratie sein?
Netanjahu Kerry Abschied Israel - Ein jüdischer Staat oder eine Demokratie





Kerry läßt Israel hinter sich

Ein jüdischer Staat
oder
eine Demokratie

Noch vor Ablauf des Jahres ist es Israel wieder gelungen, aus dem Schatten von Erdogan und dem Pulverdampf in Syrien herauszutreten.

Zitat:
»Die Abkehr vom Friedensprozess schafft neue Gefahren für Israel.« ( 1 )

Auffallend ist in der Überschrift die Befürchtung von Herrn Münch über neue Gefahren für Israel.
Gut, das ist anerkennenswert, sich um Freunde Sorgen zu machen.

Zitat:
»Für die Einstaatenlösung bedeutet dies,
dass Israel den Palästinensern gleiche Rechte einräumen müsste.
Dann aber wäre es kein jüdischer Staat mehr«
( 1 )

Was Herr Münch da nachdenklich streift, ist grotesk.
Dem Leser könnte die Frage aufstoßen,
sind im Vergleich zu den bezweifelten Muslimen, die Juden auch nicht zu einer Demokratie fähig?
Würde der Staat Israel den in ihm lebenden Palästinensern die gleichen Rechte zugestehen "müssen", dann würde das im Umkehrschluß bedeuten, ein jüdischer Staat kann keine Demokratie sein.
Das ist ein deutlicher Angriff auf das Selbstverständnis Israels als die "Einzige Demokratie im Mittleren Osten". Die Logik ist verblüffend und verführt den Beobachter dazu, die gesellschaftliche und politische Struktur dieses Staatswesens aufmerksamer zu betrachten.

Israel kann kein jüdischer Staat sein.
Seine politische Führung und seine Gesellschaftsordnung ist kaum durch das Religiöse Judentum bestimmt.
Die Thora-Schulen, die Familien der Orthodoxen Juden, der Stillstand der Aufzüge am Sabbat, die entzündeten Kerzenleuchter an Chanukka, die Beschneidung der neugeborenen Knaben, die koschere Zubereitung der Speisen, sind nicht genug, um einen jüdischen Staat eindeutig als jüdisch zu definieren.

Ein jüdischer Staat ist doch so zu verstehen, seine überwiegende Bevölkerung sind tatsächlich Juden. Nach neuesten Erkenntnissen sind aber über 80 v.H. der Israelis keine gläubigen Juden.
Wie kann diese Tatsache die Bezeichnung Israels als einen Jüdischen Staat rechtfertigen?

Aus dem Babylonischen Talmud
In Pirke Abot – Sprüche der Väter

Zitat:
»l. Ein köstlich Kleinod ist die Gotteslehre, sie beglückt in diesem und im künftigen Leben.
6,7. Wer sie ehrt, wird geehrt, wer sie missachtet, wird verachtet.
4,8. Wer ihren Dienst auf sich nimmt, wird von den weltlichen Lasten befreit;
wer sich ihr entzieht, dem wird der Gesellschaft Joch aufgebürdet.
3,6. Seinen Liebling, seinen Freund nennt dich Gott, so du dich ihr liebevoll ergibst.
Sie schmückt dich mit Demut und Gottesfurcht,
begnadet dich mit Gerechtigkeit und Redlichkeit, Frömmigkeit und Treue.
Sie bekleidet dich mit Macht und Würde,
verleiht dir Einsicht und Scharfsinn in der Rechtsergründung,
sodass alle deines Rates und deiner Tatkraft sich erfreuen.
So erhöht und erhebt sie dich über alle Menschen.«


Fragen an den jüdischen Staat:
Beglückt die Gotteslehre das Leben der Israelis?
Beherrscht Demut und Gottesfurcht die Regierung in Tel Aviv?
Ist ihr bei der Rechtsergründung die Einsicht verliehen?
In Jakob Fromers Übertragung des Babylonischen Talmud von 1924
habe ich eine überraschende Aussage gelesen.

Zitat:
»Die jüdische Religion
weist einen ausgesprochenen demokratischen Zug auf.«

Sie steht am Beginn in
1. Traktat - Berakot – Lobsprüche
1. Kapitel – Mischna 1

Dagegen ist die Wirklichkeit des Staates Israel enttäuschend.
Wenn in diesem Satz eine Wahrheit ausgesprochen wird, dann ist die Siedlungspolitik der Regierung in Tel Aviv durch die Lehren des Talmud nicht gerechtfertigt. Sie ist sogar ganz und gar un-jüdisch. Wie kann der Staat Israel von den in ihm lebenden gläubigen Juden als jüdisch und demokratisch verstanden werden? Weder das eine noch das andere Merkmal ist mit seinem Geist erfüllt.

Zudem ist seit Jahrzehnten bekannt, eine kleine Minderheit der Bevölkerung Israels, die orthodoxen und rechtsradikalen Israelis, erpresst die restliche Bevölkerung Israels mit dem Bau der Siedlungen auf dem Land der Palästinenser.

Derzeit leben 400.000 sogenannte jüdische Siedler in den Besetzten Gebieten der Palästinenser.
Dazu kommen noch 200.000 orthodoxe und rechtsradikale Israelis in Ost-Jerusalem.
Die Bevölkerungszahl für Israel liegt bei ungefähr 6 Millionen.
Sollte die zionistische Siedlerbewegung die Zahl von 1 Million erreichen, dann würde das bedeuten,
ein Sechstel der Bevölkerung hält 5 Millionen Bürger in Israel in einer sogenannten Sippenhaft.

Eine recht zweifelhafte politische Struktur für ein Staatswesen, das als Demokratie und Rechtsstaat verstanden sein will.

Zudem ist in der politischen Führung des Staates nicht das Religiöse Judentum zu erkennen, sondern der politische Zionismus.
Nur der Wortteil "Zion" stellt einen Bezug zu einem Biblischen Begriff aus der Geschichte Israels her, wie sie in der "Hebräischen Bibel" beschrieben wird.
Das Ziel des Zionismus aber ist kein religiöses, sondern ein imperialistisches.
Alle Juden sollen in das Land ihrer Väter zurückkehren, aus dem sie vor über 2.000 Jahren als das Auserwählte Volk von seinem Gott vertrieben worden sind, weil es seinen Geboten wiederholt wegen seiner Halsstarrigkeit nicht gefolgt ist.
Der Zion ist ein geopolitischer Begriff aus dem biblischen Israel mit Symbolcharakter.

Meine aufrichtige Bewunderung gilt dem wahrhaften Judentum.
Seiner tiefen Weisheit: Was du einem Menschen tust, das hast du allen Menschen getan.
Diese Einsicht aus der Weisheit des Judentums ist von den Zionisten vertrieben worden.
Diese Unberechenbarkeit der Regierung in Tel Aviv macht die übrige Welt so ratlos.

Zitat:
»Das ist die unausweichliche Konsequenz einer Abkehr von der Zweistaatenlösung.
Wie aber soll die Welt dann mit dem Konflikt umgehen?
Kerry hat darauf keine Antwort gegeben.
Von Donald Trump dürfte in dieser Frage
nicht viel mehr an Aufklärung zu erwarten sein,«
( 1 )

Herr Peter Münch spießt Kerry und Trump mit seiner spitzen Feder auf, bleibt jedoch selbst auch jedes klärende Wort schuldig.
Wieder kein Wort über den Bruch des Völkerrechts und die dafür geforderten Sanktionen nach der UN-Charta. Aufklärende Worte über tatsächliche Zusammenhänge, die Hintergründe für das Schauspiel der Agierenden auf der Bühne und die eindeutigen Forderungen des Völkerrechts: enttäuschende Fehlanzeige.

Zu einer Antwort hat sich Herr Münch durchgedacht.

Zitat:
»Wenn die Palästinenser aber keine gleichen Rechte bekommen,
dann kann Israel auch nicht mehr als demokratischer Staat gelten.«
( 1 )

Wann wird Herr Münch wegen dieser Folgerung von der Münchner Israel-Lobby vorgeladen werden?

Doch da ist noch ein nicht unbedeutender Gedanke bei Herrn Münch aufgetaucht.

Zitat:
»Und sie negieren dabei nicht nur
den Anspruch der Palästinenser auf einen Staat,
sondern untergraben auch
den Anspruch ihres eigenen israelischen Staats.«
( 1 )

Dieser Gedanke könnte bedeuten, wenn es für den Staat der Palästinenser kein völkerrechtlich anerkanntes Staatsgebiet gibt, dann fehlt für das Gebiet des Staates Isael ebenfalls die völkerrechtliche Festlegung.
Wie könnte das geschehen?
Mit der UN-Resolution 181 von 1947 wurde das britische Mandatgebiet Palästina in einen Teil für die zionistischen Einwanderer und einen Teil für die arabische Bevölkerung getrennt.
Annektiert der Staat Israel das von der UN vorgesehene Staatsgebiet für die Palästinenser mit seiner völkerrechtswidrigen Besatzung und Besiedlung, hebt das die Rechtsverbindlichkeit der UN-Resolution 181 in ihrem gesamten Umfang auf. Demnach hat das auch eine Rechtswirkung auf das Staatsgebiet für Israel, dem ebenso seine völkerrechtliche Grundlage entzogen würde.

Das könnte bedeuten, der neuen Aufteilung des umstrittenen Landes ist eine Tür geöffnet.
Dann aber bitte zu gleichen Teilen und durch eine Linie vom Mittelmeer bis zum Jordan.


1 Teweth 5777 * 30. Dezember 2016 © Heinz Kobald


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( 1 ) Quelle: Süddeutsche Zeitung, 30. Dezember 2016, Seite 4
NAHOST - Ein Staat, kein Staat
Die Abkehr vom Friedensprozess schafft neue Gefahren für Israel
Von Peter Münch