Der unerträgliche Standpunkt

Heinz Kobald

  
 
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Deutschland im Krieg
gegen den Islamischen Staat
Draufschlagen - nicht nachdenken

Draufschlagen - nicht nachdenken





"Deutschland beteiligt sich in Syrien an einem Krieg."

"Das Land ist dabei.
Es ist dabei, wenn die Bomben und Raketen die maschinengewehrbepflanzten Toyotas des sogenannten Islamischen Staates treffen,
die Nachschubwege und Ölraffinerien.
Es ist dabei, wenn diese Bomben und Raketen auch Frauen und Kinder treffen,
weil mit noch so genauen Lenkwaffen kein Krieg sauber und rein zu führen ist
.
Es ist dabei im Spiel der Mittel-, Groß- und Supermächte,
die ihre Einflusssphären sichern wollen."

"Umso erstaunlicher ist es, wie wenig da um den richtigen Weg zum Frieden gerungen wird.
Es geht in den politischen Debatten um die Flüchtlinge und den Terror.
Wie dem Krieg selbst, der Ursache von Flucht und Terror, beizukommen wäre,
beschäftigt das Land dagegen vergleichsweise wenig.
Das gilt für den Bundeswehreinsatz in Mali wie für den in Syrien.
Keiner predigt Gewalt, das ist gut so.
Es protestiert aber auch kaum einer gegen eine Mission,
von der keiner sagen kann, wie sie ausgeht
.

Es gibt die Kritik der Linkspartei, der Grünen und der geschrumpften Friedensgruppen.
Es meldet eine Reihe evangelischer und katholischer Bischöfe Bedenken an.

Der Münchner Kardinal Reinhard Marx zum Beispiel hat gesagt,
er fürchte, dass ohne langfristigen Friedensplan der Einsatz in Syrien
die Lage eher verschlimmern werde;
ihn erstaune, wie "ruhig und teilnahmslos" die meisten Bürger
die Entscheidung für den Syrien-Einsatz der Bundeswehr hinnähmen.
Marx hat recht:
Der Krieg ist den meisten Leuten irritierend egal."

"Entsprechend schwach ist die einst so wortmächtige Friedensbewegung.
Ist aber deswegen gleich jeder Waffeneinsatz ethisch gerechtfertigt,
der da im Namen der Freiheit, der Demokratie oder der Menschenrechte geführt wird?

Die Bilanz solcher Einsätze ist 25 Jahre
nach dem Ende der Ost-West-Konfrontation ernüchternd."

"In Libyen konnte mit amerikanischer, britischer und französischer Luftunterstützung
der Diktator Muammar al-Gaddafi gestürzt werden,
doch das Land ist heute ein zerfallener Staat.

Das furchtbarste Beispiel ist und bleibt der Irak-Krieg des George W.Bush und
seiner "Koalition der Willigen", begonnen unter einem Vorwand, geführt als Rachefeldzug,
abgeschlossen mit den Folterbildern aus Abu Ghraib und der Geburt des IS. Und jetzt also Syrien."

"Es bräuchte eine neue Friedensdebatte,
ein neues, tiefes Nachdenken über das Verhältnis von Krieg und Frieden.
Es bräuchte eine Reflexion über die eigenen Ziele und Maßstäbe,
die an die Stelle des Hineingleitens in Konflikte im Namen irgendeiner Bündnistreue tritt.
Die erste Erkenntnis dieser Reflexion müsste lauten:
Es gibt keinen gerechten Krieg.
Die Bürger von Dresden hatten 1945 den Feuertod so wenig verdient wie heute ein IS-Kämpfer, dass ihn eine Rakete zerfetzt.
Krieg zu führen bleibt auch im moralisch besten Fall ein Dilemma:
Man begeht ein Unrecht, um größeres Unrecht zu verhindern.
So lässt sich die Drohung und die Ausübung von Gewalt begründen.
Aber diese Sicht verändert die Perspektive:
Gewalt kann nur als letztes Mittel geschehen, wenn die Mittel der Politik, der Diplomatie,
des wirtschaftlichen Drucks versagt haben. Sie ist das Eingeständnis des Scheiterns."

"Der Krieg entgrenzt die Gewalt, die der Rechtsstaat begrenzt,
da hilft keine Landkriegsordnung, da helfen auch nicht die guten Vorschriften der Bundeswehr.

Wenn es ums Töten und Getötetwerden geht, gelten eigene Gesetze.
Diese Entgrenzung verändert, tief und für lange Zeit.
Sie verändert das Land, in dem der Krieg geführt wird,
sie fügt alten bösen Rechnungen neue hinzu, schreibt die Narrative des Hasses fort."

"Im Nahen Osten dagegen
wurzeln die Narrative des Hasses immer tiefer.
Der Krieg verändert aber auch die Länder,
die Flugzeuge und Soldaten in die Krisenregionen schicken."


"Der Preis des Krieges ist hoch, das muss man wissen,
wenn man über ihn redet oder gar abstimmt.
Es gibt Situationen, wo man ihn zahlen muss,
weil der Preis, nicht einzugreifen, noch höher wäre.
Doch machte man sich diesen Preis bewusst,
würde manche Forderung nach schnellem Eingreifen
weniger selbstgewiss vorgetragen.
Es würde mehr über das Leid der Menschen geredet -
das durch einen solchen Einsatz beendet, aber auch erst geschaffen wird."

"Gerecht kann nur der Frieden sein. Der Treck der Flüchtlinge zeigt das:
Die Fluchtursachen sind nicht beseitigt,
wenn die irakische Armee nun ein paar Städte zurückerobert.
Die Menschen bleiben, wenn sie nicht mehr den Tod fürchten müssen,
wenn sie glauben, mit ihren Nachbarn zusammenleben zu können,
wenn die Region nicht mehr mit Waffen vollgepumpt wird,
sie nicht mehr Spielball
auswärtiger und Beute einheimischer Mächte ist."


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Quelle der Textteile:
Süddeutsche Zeitung, 24. Dezember 2015, Seite 2

Der normale Krieg - Syrien, Mali, Afghanistan:
Deutschlands Militäreinsätze sind vielen Bürgern irritierend gleichgültig.
Dabei wäre eine Debatte über den richtigen Weg zum Frieden so nötig wie lange nicht
Von Matthias Drobinski