Was Amerikas Journalisten
über Charlie denken ( * )
"Europäische Aufrufe, so genannte satirische Karikaturen von "Charlie Hebdo"
aus Solidarität mit den ermordeten Kollegen von Paris nachzudrucken,
sind in bedeutenden amerikanischen Medien und bei dortigen Journalisten
auf Widerstand und Kritik gestoßen.
Die "New York Times" teilte mit, sie veröffentliche kein Material,
das "bewusst gegen religiöse Sensibilitäten verstoßen will".
Die Nachrichtenagentur AP und TV-Sender wie CNN übten ebenfalls starke Zurückhaltung, vielfach wurden Bilder von "Charlie Hebdo" verpixelt.
Für die "Washington Post" erklärte Chefredakteur Martin Baron,
sein Blatt nehme Abstand von Material,
das "demonstrativ, absichtlich oder unnötigerweise
Mitglieder religiöser Gruppen beleidigt".
Der Zeichner Jacob Canfield erklärte,
viele "Charlie Hebdo"-Karikaturen seien "unglaublich rassistisch"
und wollten die "marginalisierte muslimische Einwanderergemeinschalt"
nur provozieren.
Nach Ansicht des Journalisten Glenn Greenwald,
der mit seinen Geheimdienstenthüllungen bekannt wurde,
spricht gegen, das Nachdrucken, dass die Karikaturen "beleidigend und bigott" seien.
Der Chefredakteur für Editorials beim "San Francisco Chronicle", John Diaz,
räumte ein, es sei verlockend,
die Karikaturen als Botschaft an die Terroristen nachzudrucken,
"dass wir uns nicht einschüchtern lassen".
Doch man müsse der Versuchung widerstehen.
Die Verteidigung der Pressefreiheit beinhalte auch das Recht,
Publiziertes abzulehnen.
Man müsse religiösen Glauben respektieren.
Eine Weiterverbreitung würde zudem
die absurde Selbsteinschätzung mancher Terroristen fördern,
sie seien "Kämpfer für den Islam".
Der Prager Religionsphilosoph, Soziologe und Priester Tomas Halik erklärte
in der Zeitung "Lidove noviny" die Karikaturen im "Charlie"
habe er "nicht nur als Beleidigung des Islam und des Christentums wahrgenommen,
sondern auch als Verletzung der Grundwerte unserer Kultur,
die in der Achtung der anderen besteht".
Dieser Wert sei nicht geringer als die Pressefreiheit.
Die Karikaturen erinnerten ihn "stark
an die herabwürdigenden Darstellungen der Juden in der antisemitischen Presse".
Eine undifferenzierte Solidarisierung mit den Pariser Karikaturisten
sei ein Beleg für die Seichtheit politischer Kultur im Westen.
Trotz seiner Solidarität "mit allen,
die jedweden Ausdruck der Gewalt und der Unduldsamkeit verurteilen",
bringe ihn die "Bemühung, die unglücklichen Opfer
aus den Reihen der Redaktion der satirischen Zeitschrift
als Helden und Symbole unserer Kultur zu feiern",
bloß in Verlegenheit." ( * )
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( * ) Quelle:
Die Karikaturen:
Amerikas Journalisten denken anders
CIG 3 / 2015, Seite 30