Der unerträgliche Standpunkt

Heinz Kobald

  
 
Startseite / ISRAEL / Eretz Israel
Der Zionismus und sein zerrissener Staat
Der Jüdische Staat - Eretz Israel
Der Jüdische Staat

»Früher oder später werden die Palästinenser Selbstverwaltung erlangen, sei es als Bürgerinnen und Bürger eines binationalen Staates, eines autonomen Gebietes in einer binationalen Föderation oder in einem unabhängigen Staat,aus dem sich Israel - freiwillig oder auf andere Weise - zurückgezogen haben wird.
Auch die israelischen Araber, rund 1,6 Millionen Menschen mit einem israelischen Pass, entwickeln immer deutlicher ein politisches Selbstbewusstsein.
Sie wollen autonome Rechte in Anspruch nehmen.
Der Staat Israel wird früher oder später implodieren, er bricht von - innen auf.
Da das Ergebnis der Siedlungspolitik nicht mehr rückgängig zu machen ist,
wird der Drang nach Autonomie zunehmen, er ist nicht mehr zu stoppen.
Das zionistische Projekt Eretz Israel wurde von Anfang an "auf Kosten der Araber" vorangetrieben.

Trotz regionalmilitärischer Hegemonie - von der Israel seine Existenz abhängig macht - und noch immer beträchtlicher Unterstützung des Westens, vor allem den USA, wird immer klarer, dass die politische Ordnung Israels so nicht von Dauer sein kann.
Die Demographie in Palästina spielt gegen den Mythos von Eretz Israel.
Zwischen Jordan und Mittelmeer leben heute etwa sechs Millionen Juden und fast sechs Millionen Araber. Noch sind es mehr Juden, aber in 20 Jahren werden es mehr Araber sein. Irgendwann wird sicher die Demographie siegen.

Israel geht derzeit durch eine der schwersten Krisen seit seiner Staatsgründung.
Einerseits eine hochmoderne Gesellschaft mit einer lebensfrohen, liberalen, weltoffenen Kultur, andererseits dringen die religiösen Fanatiker immer stärker in alle gesellschaftlichen Bereiche vor.
Der Kampf zwischen religiösen und säkularen Juden bedroht die Grundfesten der Gesellschaft.
Der Riss, der durch den Staat Israel geht, wird immer größer - das Heilige Land ist gespalten zwischen demokratischen Idealen und zunehmendem religiösem Fanatismus.
Die Politik lässt es zu, dass die ultraorthodoxe Minderheit an Einfluss gewinnt
und dem Rest der Gesellschaft ihre fundamentalistischen Regeln aufzwingt.

Das Land ist isoliert, der Friedensprozess auf unbestimmte Zeit vertagt,
im Alltag leben Juden und Araber mit wechselseitiger Verachtung nebeneinander her.

Israel hat bisher auf grundlegende Identitätsfragen keine Antwort gefunden:
Wie soll das Verhältnis von Staat und Religion,
zwischen westlicher Weltoffenheit und nahöstlicher Tradition gestaltet werden?
Wie können die Spannungen zwischen jüdischen Einwanderungsgruppen aus diversen Kulturen gelöst werden?«

( siehe Quelle )

Drang nach Anerkennung aus Verzweiflung

Das immer deutlichere Pochen in Tel Aviv auf die Anerkennung Israels als Jüdischen Staat ist ein aus Verzweiflung bestimmtes Handeln.
Das Erkennen nimmt Gestalt an, die Idee des Zionismus, auf dem institutionalisierten Landanspruch aus der Hebräischen Bibel einen Staat auf der Grundlage einer politischen Religiosität aufzubauen, entwickelt sich endgültig dem Aus entgegen.
Angesichts dem Bemühen des sog. Aufgeklärten Westens, fundamentalistische Staaten nach der Lehre des Islam mit der Idee der Demokratie verdrängen zu wollen, nimmt sich das Vorhaben in Tel Aviv geradezu diametral archaisch aus.
Ein Staat, der sich durch eine Mauer von seinen Nachbarvölkern trennt, hat sich nicht für das Überleben eingemauert.

Eretz Israel

»Wie wird Israel in zehn, zwanzig oder fünfzig Jahren aussehen?
Wird es den jüdischen Staat noch geben?
Der israelische Historiker Gershom Gorenberg ist der Überzeugung,
dass sich das Land als freiheitliche Demokratie neu gründen muss.
Dazu braucht es drei Veränderungen:
"Erstens muss Israel den Siedlungsbau einstellen,
die Besatzung beenden und einen friedlichen Weg finden,
um das Land zwischen dem Jordan und dem Mittelmeer aufzuteilen.
Zweitens muss es Staat und Synagoge trennen:
den Staat vom Klerikalismus und die Religion vom Staat befreien.
Drittens und am grundlegendsten muss es von einer ethnischen Bewegung
zu einem demokratischen Staat heranreifen,
in dem alle Bürger Gleichheit genießen."

Man darf nicht vergessen,
der politischen Ordnung des zionistischen Israel liegen zwei Gründungsmythen zugrunde:
der Mythos von Eretz Israel als Land des jüdischen Volkes und der Sicherheitsmythos.
Dabei mischten sich seit den ersten Einwanderungswellen an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert zwei Haltungen gegenüber den Einheimischen:
koloniale Überheblichkeit und die Tendenz,den Arabischen Widerstand als Fortsetzung eines europäischen Antisemitismus zu deuten.
Diese beiden Einstellungen bilden den Kern für die Palästinafrage, damit die Kernfrage des historisch gewachsenen Nahostkonflikts.

Dazu zermürbt der andauernde Kriegszustand die israelische Zivilgesellschaft zusehends, was die innenpolitische Bedeutung des Sicherheitsmythos mehr und mehr schwächt. Militärische Stärke kann die Palästinafrage nicht klären,der Einsatz nationalstaatlicher Gewalt kann auch nicht die ersehnte Sicherheit, geschweige denn Normalisierung oder Frieden bringen.
Mit der völkerrechtswidrigen Besatzung wird das Land von innen zerstört.
Die Besatzung korrumpiert Israel.
Man kann nicht mehr als vierzig Jahre lang mit Militär und Geheimdienst ein Volk unterdrücken und dabei unschuldig bleiben.

Die einzige Lösung ist das Ende der israelischen Militärpräsenz in den palästinensischen Gebieten. Denn Israels Beharren auf dem Mythos, Eretz Israel sei das Land des jüdischen Volkes, bedeutet gleichzeitig, dass es das Selbstbestimmungsrecht der auf eben diesem Territorium lebenden Palästinenser nicht anerkennen kann.
Deshalb kann es auch keinen palästinensischen Staat in Teilen des Landes entstehen lassen.
Die Alternative der Einbürgerung aller Palästinenser würde Israel dazu zwingen, die eigene Staatsräson eines jüdisch-mehrheitlichen Staates für das jüdische Volk in Eretz Israel zu revidieren.«

( siehe Quelle )


________________________________________________

Aus Quellen zusammengestellt von Heinz Kobald * 14. Mai 2014

Quelle:
Studiengesellschaft für Friedensforschung e.v. München
Denkanstöße Nr. 62-63/2012
"Israel, ein zerrisenes Land - zwischen Demokratie und Theokratie"

Literatur:
Gershom Gorenberg "Israel schafft sich ab"

Über das Buch

"Ich schreibe aus einem Israel mit gespaltener Seele."
Gespalten zwischen seinen demokratischen Idealen und religiösem Fanatismus. Zwischen der Illusion eines freien Staates und
der Realität einer repressiven Besatzungsmacht.
Und der Riss, der durch den Staat geht, wird immer größer.
Der renommierte Historiker Gershom Gorenberg zeigt,
vor welchen Herausforderungen Israel heute steht.
Die drängende Frage lautet:
Wie kann Israel verhindern, dass es sich selbst zerstört?

Pressestimmen

18.08.2012, Die Presse
Vorrang vor dem Gesetz
"In seinem scharfsinnigen Buch über Israel
plädiert Gorenberg für das Ende der Besatzung,
vor allem aber für eine Trennung von Religion und Staat."

26.08.2012, Sonntaz
Ein Staat soll sich neu gründen
"Eines der wichtigsten Bücher zum Nahostkonflikt,
das in den letzten Jahren publiziert wurde."
Micha Brumlik

03.09.2012, Deutschlandfunk "Andruck"
Israels gespaltene Seele
"Gorenberg hat ein pointiertes Buch geschrieben,
das jeder lesen sollte, der sich für Israel interessiert."

"Eine scharfsinnige, unverzichtbare Analyse,
ebenso besorgniserregend wie hoffnungsvoll."
New York Times

Tamar Amar-Dahl "Das zionistische Israel"
Jüdischer Nationalismus und die Geschichte des Nahostkonflikts, 2012

Sari Nusseibeh "Ein Staat für Palästina"
Plädoyer für eine Zivilgesellschaft in Nahost, 2012



Psalm 62. 11

Vertrauen in Gott

Verlasst euch nicht
auf Gewalt,
setzt nicht
eitle Hoffnung
auf Raub.
Wenn
der Reichtum
wächst, hängt
das Herz
nicht daran.