Balfour-Erklärung 1917 - Britisches Weißbuch 1939
HERBERT MARCUSE 1972 - Freimut Duve 2004
Balfour – Erklärung
Ministerium des Äußeren,
2. November 1917
Mein lieber Lord Rothschild!
Zu meiner großen Genugtuung übermittle ich Ihnen namens S. M. Regierung die folgende Sympathie-Erklärung mit den jüdisch-zionistischen Bestrebungen, die vom Kabinett geprüft und gebilligt worden ist:
Seiner Majestät Regierung betrachtet die Schaffung einer nationalen Heimstätte in Palästina für das jüdische Volk mit Wohlwollen und wird die größten Anstrengungen machen, um die Erreichung dieses Zieles zu erleichtern, wobei klar verstanden werde, dass nichts getan werden soll, was die bürgerlichen und religiösen Rechte bestehender nichtjüdischer Gemeinschaften in Palästina oder die Rechte und die politische Stellung der Juden in irgendeinem anderen Lande beeinträchtigen könnte.
Ich bitte Sie, diese Erklärung zur Kenntnis der Zionistischen Förderation zu bringen.
gez.: Arthur James Balfour
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Britisches Weißbuch
17. Mai 1939 (Auszüge)
I/4: Die Regierung Seiner Majestät verkündet jetzt unzweideutig, dass es nicht ihre Politik ist, aus Palästina einen jüdischen Staat werden zu lassen.
I/10/1: Das Ziel der Regierung seiner Majestät ist die Errichtung eines unabhängigen Palästina-Staates innerhalb von zehn Jahren, der Vertragsbeziehungen mit dem Vereinigten Königreich in der Weise hat, dass die wirtschaftlichen und strategischen Interessen beider Länder berücksichtigt werden.
I/10/2: In dem unabhängigen Staat sollen Araber und Juden gemeinsam in der Weise regieren, dass die wesentlichen Interessen jeder Gemeinschaft gesichert sind.
II/13/1: Die jüdische Einwanderung wird in den nächsten fünf Jahren so geregelt, dass die Zahl der jüdischen Einwanderer ungefähr ein Drittel der Gesamtbevölkerung des Landes erreicht – vorausgesetzt, die wirtschaftliche Aufnahmefähigkeit des Landes erlaubt dies [ ... ] Vom April dieses Jahres an werden innerhalb fünf Jahre 75.000 Einwanderer zugelassen.
II/13/3: Nach fünf Jahren wird keine jüdische Einwanderung mehr gestattet , es sei denn, die Araber Palästinas wären hierzu bereit.
II/13/4: Die Regierung Seiner Majestät ist entschlossen, die illegale Einwanderung zu verhindern.
III/16: Hochkommissar erhält Vollmachten, den Landverkauf zu verbieten und zu steuern.
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Quelle:
Informationen zur politischen Bildung 278/2003, 1. Quartal 2003, Israel, Seite 7
Bundeszentrale für politische Bildung / bpb
Berliner Freiheit 7, D 53111 Bonn,
http://www.bpb.de
info@bpb.de
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Was Herbert Marcuse 1972 über die Ereignisse in Palästina dachte:
Le Monde diplomatique Nr. 7330 vom 8.4.2004, 232 Zeilen, HERBERT MARCUSE
http://www.taz.de/pt/2004/04/08.nf/mondeText.artikel,a0094.idx,12
MARCUSE ÜBER DAS NAHOSTPROBLEM - "Das ist noch Utopie"
Im Jahr 1971 reiste der Philosoph Herbert Marcuse erstmals nach Israel.
In der "Jerusalem Post" beschrieb er seine politische Einschätzung des Konflikts.
Von HERBERT MARCUSE *
VIELE meiner hiesigen Freunde, besonders unter den Studenten, haben mich gefragt, wie ich die Situation einschätze. Ich antworte ihnen mit dieser Erklärung. Es ist eine persönliche Meinungsäußerung, die auf Gesprächen mit vielen Menschen - Juden und Arabern - in verschiedenen Teilen dieses Landes und auf gründlicher Lektüre von Dokumenten und Sekundärliteratur beruht. Ich bin mir ihrer Grenzen vollauf bewusst; ich stelle sie nur zur Diskussion.
Ich glaube, dass der historische Zweck der Gründung des Staates Israel darin bestand, eine Wiederholung von Konzentrationslagern, Pogromen und anderen Formen der Verfolgung und Diskriminierung zu verhindern. Diesen Zweck, der für mich Teil des weltweiten Kampfes für Freiheit und Gleichheit aller verfolgten rassischen und nationalen Minderheiten ist, unterstütze ich voll.
Unter den gegenwärtigen internationalen Bedingungen setzt die Verfolgung dieses Zwecks die Existenz eines souveränen Staates voraus, der verfolgte oder von Verfolgung bedrohte Juden aufnehmen und schützen kann. Hätte ein solcher Staat existiert, als das Naziregime an die Macht kam, dann hätte er die Vernichtung von Millionen Juden verhindern können. Hätte ein solcher Staat anderen verfolgten Minderheiten offen gestanden, auch den Opfern politischer Verfolgung, dann hätte er noch mehr Menschenleben gerettet.
In Anbetracht dieser Tatsachen kann jede weitere Diskussion nur auf der Grundlage geführt werden, dass Israel als souveräner Staat anerkannt wird und dass zugleich die Bedingungen berücksichtigt werden, unter denen er gegründet wurde, nämlich das Unrecht, das dabei der arabischen Bevölkerung widerfahren ist.
Die Gründung Israels war ein politischer Akt, ermöglicht von den Großmächten in Verfolgung ihrer eigenen Interessen.
Die der Staatsgründung vorhergegangene Periode der Besiedlung und die Staatsgründung selbst erfolgten ohne Rücksicht auf die Rechte und Interessen der einheimischen Bevölkerung.
Die Gründung des jüdischen Staates ging von Anfang an mit der Vertreibung des palästinensischen Volkes einher, die teilweise mit Gewalt und ökonomischem oder anderweitigem Druck betrieben wurde, teilweise "freiwillig" erfolgte.
Der in Israel verbliebene Teil der arabischen Bevölkerung sah sich trotz der ihm gewährten Bürgerrechte wirtschaftlich und gesellschaftlich auf den Status von Bürgern zweiter Klasse reduziert.
Aus nationalen, rassischen und religiösen Unterschieden wurden Klassenunterschiede: so grub sich der alte Widerspruch in die neue Gesellschaft ein und wurde noch verschärft durch die Verschmelzung innerer und äußerer Konflikte.
In all diesen Aspekten unterscheidet sich die Gründung des jüdischen Staates nicht wesentlich von den Ursprüngen praktisch aller Staaten in der Geschichte: der Gründung durch Eroberung, Besetzung und Diskriminierung.
Wenn man diese nun etablierte Tatsache und das grundlegende historische Ziel akzeptiert, das sich der Staat Israel gesetzt hat, dann stellt sich die Frage: - ob der Staat Israel in seiner jetzigen Form und bei seiner jetzigen Politik sein selbst gestecktes Ziel zu erreichen vermag und gleichzeitig in der Lage sein kann, als eine fortschrittliche Gesellschaft auf normale Weise friedlich mit seinen Nachbarn zusammenzuleben.
Ich werde diese Frage in Bezug auf Israels Grenzen von 1948 erörtern.
Jede Annexion in gleich welcher Form legt meiner Meinung nach schon eine negative Antwort nahe.
Sie würde bedeuten, dass sich Israel nur als militärische Festung in einer riesigen feindlichen Umwelt behaupten könnte und dass seine materielle und geistige Kultur auf wachsende militärische Erfordernisse eingestellt werden müsste.
Der überaus gefährliche, unsichere und vorläufige Charakter dieser Lösung ist offensichtlich.
Eine Supermacht (oder ihr Satellitenstaat) kann unter solchen Bedingungen durchaus lange bestehen, aber die Kleinheit des Landes und die Rüstungspolitik der Supermächte schließen diese Möglichkeit für Israel aus.
Unter den heutigen Umständen wäre die erste Vorbedingung für eine Lösung ein Friedensvertrag mit Ägypten, der die Anerkennung des Staates Israel, den freien Zugang zum Suezkanal und zu den Meerengen sowie die Regelung des Flüchtlingsproblems umfasst. [ ... ] Die stärkere Macht kann sich die größeren Zugeständnisse leisten - und Israel ist immer noch die stärkere Macht.
Der Status von Jerusalem könnte sich als das größte Hindernis für einen Friedensvertrag erweisen. Tief sitzende religiöse Gefühle, von den Führern immer wieder angeheizt, machen Jerusalem als Hauptstadt eines jüdischen Staates für die Araber (und für die Christen?) unannehmbar. Eine vereinigte Stadt (beide Teile) unter internationaler Aufsicht und Verwaltung könnte eine Alternative sein.
[Ägypten] verlangt darüber hinaus eine "befriedigende Regelung des Flüchtlingsproblems im Einklang mit den UN-Resolutionen". Der Wortlaut dieser Resolutionen [ ... ] lässt Raum für Interpretationen und ist insofern selbst Gegenstand von Verhandlungen. Ich will nur zwei Möglichkeiten (oder deren Kombination) skizzieren, die in Gesprächen mit jüdischen und arabischen Persönlichkeiten vorgeschlagen wurden:
1. Wiederansiedlung der vertriebenen Palästinenser , die nach Israel zurückkehren wollen. Diese Möglichkeit wird von vornherein in dem Maße eingeschränkt, wie arabisches Land zu jüdischem Land und arabischer Besitz zu jüdischem Besitz geworden ist. Auch das ist ein historisches Faktum, das man nicht einfach dadurch ungeschehen macht, dass ein Unrecht durch neues Unrecht korrigiert wird. Es ließe sich aber abmildern, indem man diese Palästinenser auf noch verfügbarem Land ansiedelt und/oder ihnen angemessene Vergünstigungen und Entschädigungen gewährt.
Diese Lösung wird offiziell mit dem (an sich richtigen) Argument abgelehnt, dass eine solche Lösung die jüdische Mehrheit schnell zur Minderheit machen würde und damit den Zweck des jüdischen Staates zunichte macht. Ich glaube allerdings, dass sich gerade diejenige Politik selbst zunichte macht, die auf eine dauerhafte Mehrheit abzielt. Die jüdische Bevölkerung muss eine Minderheit in der riesigen Welt der arabischen Nationen bleiben. Sie kann sich nicht definitiv davon absondern, ohne zu einer Ghettoexistenz auf höherem Niveau zurückzukehren. Gewiss, Israel könnte eine jüdische Mehrheit aufrechterhalten, indem es eine aggressive Einwanderungspolitik betreibt, die wiederum beständig den arabischen Nationalismus stärkt. Als fortschrittlicher Staat kann es nicht existieren, wenn es in seinen Nachbarn weiter "den Feind" sieht, den "Erbfeind". Und dauerhafte Sicherheit für das jüdische Volk liegt nicht in einer sich abschließenden, isolierten und von Angst getriebenen Mehrheit, sondern im Zusammenleben von Juden und Arabern als Bürgern mit gleichen Rechten und Freiheiten. Ein solches Zusammenleben kann nur das Ergebnis eines langen Prozesses von Versuchen und Irrtümern sein. Aber die Voraussetzungen für die ersten Schritte sind jetzt gegeben.
Es gibt ein palästinensisches Volk, das seit Jahrhunderten auf dem Territorium gelebt hat,
das heute zum Teil von Israel besetzt wird.
Und die Mehrheit dieses Volkes lebt heute unter israelischer Verwaltung. Diese Bedingungen machen Israel zu einer Besatzungsmacht (sogar in Israel selbst) und die palästinensische Befreiungsbewegung zu einer nationalen Befreiungsbewegung - mag die Besatzungsmacht auch noch so liberal sein.
2. Die nationalen Bestrebungen des palästinensischen Volkes könnten durch die Gründung eines Palästinenserstaates neben Israel befriedigt werden. Ob dieser Staat unabhängig sein soll oder ob er eine Föderation mit Israel oder mit Jordanien eingeht, bliebe der Selbstbestimmung des palästinensischen Volkes in einem Referendum unter Aufsicht der Vereinten Nationen überlassen.
Die beste Lösung wäre das Zusammenleben von Israelis und Palästinensern, Juden und Arabern als gleichberechtigten Bürgern eines sozialistischen nahöstlichen Staatenbundes. Das ist noch Utopie. Die oben erörterten Möglichkeiten sind Zwischenlösungen, die sich hier und jetzt anbieten - ihre strikte Ablehnung könnte nicht wieder gutzumachenden Schaden anrichten.
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Fußnote:
Erstmals erschienen in der "Jerusalem Post" am 2. Januar 1972
Jetzt auch in: Peter-Erwin Jansen (Hrsg.), "Herbert Marcuse, Nachgelassene Schriften 4,
Die Studentenbewegung und ihre Folgen". Zu Klampen Verlag, Springe 2004, 200 Seiten, 24 Euro
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Den folgenden Artikel stelle ich bis auf weiteres – solange die Süddeutsche Zeitung oder Herr Freimut Duve keine Einwendungen dagegen erheben - im vollen Wortlaut in das Internet.
Süddeutsche Zeitung, Nr. 139, Samstag, den 19. Juni 2004 , Seite 2
Außenansicht - Die gezielte Vertreibung der Palästinenser
Von Freimut Duve
Freimut Duve war bis 1998 Abgeordneter der SPD im Deutschen Bundestag,
danach Medienbeauftragter der OSZE in Wien
Albert Camus, der leidenschaftliche Algerienfranzose, hat als Erster sehr deutlich vor der gefährlich falschen Reaktion auf den Terror und auf die Terroristen gewarnt: Während des Terrors in Algerien schrieb er 1958: “Die Folter (der französischen Militärs) hat vielleicht erlaubt, dreißig Bomben aufzufinden, aber sie hat gleichzeitig fünfzig neue Terroristen auf den Plan gerufen, die auf andere Art und anderswo noch mehr Unschuldige in den Tod schicken werden."
Seine dramatischen Warnungen vor der falschen Reaktion Frankreichs auf den Terror der algerischen Befreiungsbewegung (FLN) waren bestimmt von der Hoffnung, dass die etwa eine Million Algerienfranzosen, zu denen er sich zählte, ihre Heimat nicht verlieren würden und dass die Algerier die Chance für ein menschenwürdiges Leben haben würden.
Es war der erste Konflikt, in dem klar wurde:
Wer nur mit harten militärischen Schritten auf den Terror reagiert, wird am Ende alles verlieren,
so wie die Algerienfranzosen alles verloren haben.
Krieg und Raketen können den emotionalen Terror, also den psychisch äußerst dramatischen Sprung in die Bereitschaft sich selbst zu töten, nicht besiegen.
Im Gegenteil: Die nicht mehr im Kriegsrecht begründete Militärgewalt, also die falsche Terrorabwehr,
produziert immer neue Täter.
Anstelle einer klaren Definition des kriminellen Massenmordes hat die Erklärung zum “Heiligen Krieg" von US-Präsident George Bush nach dem 11. September ( 2001 ) weltweit massenhaft neue Terrorbereitschaft entfacht.
Erst jüngst hat die US-Regierung einräumen müssen, dass der Terror im letzten Jahr auch nicht ab-, sondern zugenommen hat.
Auf das, was in Israel geschieht, müssen wir Europäer dieser Tage sehr genau hinsehen und hinhören. Der Frieden im Nahen Osten geht uns aus vielen Gründen etwas an.
Nachdem der israelische Premier Ariel Scharon jetzt seinen vagen Abzugsplan (ohne Datum) im Gaza durchgesetzt hat, müssen wir aufpassen, dass hinter diesem von Scharon gezogenen Vorhang sich nicht eine ganz andere Wirklichkeit abspielt, über die wenig zu lesen ist.
Denn was derzeit im Westjordanland, das nicht zum offiziellen israelischen Staatsgebiet gehört,
unter dem Vorwand der “Sicherheitspolitik" geschieht, ist nicht mehr und nicht weniger als die gezielte Vertreibung.
Dort, wo vor zwei Jahren zu Beginn der Intifada kleine Sicherheitsstützpunkte für das israelische Militär eingerichtet wurden, sind nun hermetisch abgeriegelte, neue Siedlungen der Israelis entstanden. Den palästinensischen Bauern wird Land gestohlen, ihre Olivenbäume werden ausgerissen, vor allem aber wird den Bauern der Zugang zu ihren Feldern fast unmöglich gemacht. Die Errichtung der Mauer zwischen den beiden Völkern führt zu einer Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung. Hunderte von Elektrozäunen und Straßensperren wurden aufgestellt, arabische Dörfer eingeschlossen und zerteilt. Um zu ihren abgesperrten Olivenhainen zu kommen - früher nur wenige hundert Meter von ihrem Haus entfernt - sind die palästinensischen Bauern nun viele Stunden zu Fuß unterwegs. Sie benötigen dazu Sonderausweise, die häufig aber nur die älteren Familienmitglieder bekommen, für die zehn Kilometer Fußmarsch wirklich unzumutbar sind. Kommt hinzu, dass die Durchgangssperren oft zu unbestimmten Zeiten willkürlich geöffnet und geschlossen werden. Die ganze Region steht folglich unter permanenter militärischer Drangsal.
So ist neben der alten arabischen Gemeinde Salfit in der Nähe von Jerusalem die große israelische Siedlung Ariel nicht nur ausgebaut worden, sondern sie wurde so abgeschottet, dass Mobilität für die arabischen Bürger täglich schwieriger wird. Das gilt besonders für Kranken-, Arzt- und Klinikbesuche.
Ermöglicht werden diese oft nur durch die ungeheuren Anstrengungen von Aktivisten privater israelischer und internationaler Menschenrechtsgruppen.
Vor kurzem haben mich einige engagierte israelische Frauen, die sich um Hilfe für die abgeriegelten Dörfer bemühen, dort hingebracht. Sie berichteten von einem 17- jährigen Palästinenser , dem israelische Soldaten beide Arme gebrochen hatten, und der lange auf einen Arztbesuch warten musste.
Besonders gefährlich für das künftige friedliche Miteinander ist das Verhalten vieler der neuen israelischen Siedler, die die Araber tagtäglich mit kleinen Gemeinheiten drangsalieren, über die in Anbetracht der großen Terroranschläge natürlich nicht berichtet wird.
So werfen sie ihren Müll regelmäßig auf die Felder der arabischen Bauern.
Natürlich verfügen diese Siedler über eigene neue Straßen und Absicherungen, deren Nutzung für Palästinenser verboten ist, die ihnen selbst aber die Fahrt zum Arbeitsplatz erleichtern.
Trotz dieser offensichtlichen Bevorzugung greifen Siedler seit einiger Zeit Palästinenser auch immer wieder tätlich an.
Aus vielen Hunderten nur zwei kleine Beispiele:
Am vorletzten Wochenende kamen fünf israelische Siedler aus Havat Maon in das arabische Nachbardorf, schossen wild in die Luft, plünderten den kleinen Laden eines Palästinensers, erschlugen ein Schaf und zogen wieder ab.
Am gleichen Tag schlugen fünf israelische Siedlermädchen am Grenzposten von Hebron eine palästinensische Frau zusammen. Die Palästinenserin kam ins Hospital. Aus Angst erstattete sie nicht einmal Anzeige.
Es wäre für den künftigen Frieden eine Tragödie, wenn der vage Rückzugsplan im Gaza-Streifen nur ein Vorwand bliebe, hinter dem diese oft brutale Siedlungspolitik im Westjordanland weiter fortgeführt wird und die das Weiterleben der Araber auf ihrem eigenen Grund und Boden unmöglich machen wird.
In einem der Dörfer erzählte ein arabischer Familienvater den israelischen Bürgerrechtlerinnen - übrigens in fließendem Hebräisch -, wie sein Leben und das Leben seiner Familie seit dem Bau der Mauer radikal beschädigt worden ist.
Zuvor seien israelische Bürger, die oft sogar Freunde geworden seien, zu ihrem Markt gekommen, um dort einzukaufen. Diese Bauern waren durch die Nähe zu Jerusalem und den vielen Juden, die bei ihnen landwirtschaftliche Produkte kauften, zu bescheidenem Wohlstand gekommen.
Seit über einem Jahr aber kommt keiner mehr, und seitdem kann seine Familie nichts mehr ernten. Jeder frühere Zugang zum Land wird von der neuen Mauer abgesperrt und von Soldaten bewacht.
Ihre Lebensgrundlage wurde damit zunichte gemacht.
Das ist die Wirklichkeit im Westjordanland.
Viele israelische Bürgerinitiativen versuchen durch mutige Aktivitäten überall im Land die durch den Bau der Mauer entstandene Not der palästinensischen Bevölkerung zu lindern. Aber an der grundlegenden Situation ändert dies nur wenig.
Der Friede im Nahen Osten und die Zukunft Israels haben nur eine Chance, wenn auch der israelische Staat und seine Bürger auf Verhalten verzichten, das den Terror noch befördert.
Europa hat Erfahrungen mit einer grausamen Terror- und Vertreibungspolitik gemacht.
Alle, denen an einer friedlichen Zukunft im Nahen Osten gelegen ist, müssen auch Israel deutlich daran erinnern.
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zusammen gestellt von Heinz Kobald