Der unerträgliche Standpunkt

Heinz Kobald

  
 
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2. September 1957:
Little Rock - Rassentrennung in Schulen
Little Rock 1957, Arkansas, Nationalgarde beschützt Schülerin vor der Central High School, Foto: KPALittle Rock 1957 Rassentrennung in Schulen





Foto: KPA
Little Rock 1957, Arkansas, Nationalgarde beschützt Schülerin vor der Central High School


Neun mal Schwarz auf weißem Feld

Das Ende der Rassentrennung in den USA

Anfang der 50er Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts waren die Schulen in den Vereinigten Staaten noch strikt nach schwarz und weiß getrennt. Obwohl Schulen für Schwarze nach dem Grundsatz "getrennt aber gleich" dasselbe Niveau hätten haben müssen wie die für Weiße, waren sie im Durchschnitt sehr viel schlechter.
Linda Brown, ein schwarzes Mädchen aus Kansas, musste Tag für Tag einen langen und überdies gefährlichen Schulweg zurücklegen, obwohl sie es zu einer anderen, besseren Schule sehr viel näher gehabt hätte.
Ihr Vater versuchte, sie in dieser unterzubringen, aber der Rektor wies ihn ab; die Schule sei Weißen vorbehalten. Der Fall kam vor Gericht und durchlief mehrere Instanzen.
Im Mai 1954 entschied das Oberste Gericht, dass der Grundsatz "getrennt aber gleich" im Bildungsbereich nicht anwendbar sei; die Rassentrennung in Schulen müsse aufgehoben werden.
( 4 )


Als sie vor 50 Jahren in die Central High School von Little Rock gehen wollten,
musste sie die Nationalgarde beschützen.
Ohne die Miliz wären sie wahrscheinlich gelyncht worden.
( 1 )


Elizabeth Eckford war fünfzehn. Als sie an ihrem ersten Tag zur Central High School kam, empfing sie ein feindseliger Mob von mehr als 500 Menschen.

Sie erinnert sich:
"Wenigstens eine weiße Frau wollte mir helfen.
Sie stellte sich der Menge entgegen und sagte allen, dass sie sich schämen sollten.
Aber das machte die anderen nur noch wütender. Als die Frau sagte,
dass sie ihre kleine Tochter jederzeit mit Negerjungen und -mädchen zur Schule gehen lassen würde,
waren sie so außer sich, dass sie drohten, mich zu lynchen."
( 5 )


Am 4. September 1957 ließ der Gouverneur von Arkansas, Orval Faubus, die High School von der Nationalgarde des Staates umstellen.
Er wollte zu Beginn des neuen Schuljahres den Neun den Zutritt zum Unterricht verwehren – wie es hieß, aus Sorge um ihre Sicherheit.
Die Central High School war eine der letzten rein weißen Schulen von Arkansas.
Ein Mob wartete auf die schwarzen Kinder.
( 1 )

Mit dem Schrei:
"Da kommen die Nigger!"
stürzt ein weißer Mob den Schülern entgegen,
reißt sie nieder, schlägt und tritt auf sie ein.

Tränenüberströmte weiße Mütter flehen die Polizisten an:
"Die Nigger sind in unserer Schule.
Oh Gott, und ihr steht da
und lasst die Nigger da drin bleiben!"


Drei Wochen lang verhindern der Gouverneur,
seine Nationalgarde und der Rassisten-Pöbel weitere Schulbesuche.
( 3 )


Aus dem Fernsehen ( ! ) erfährt Dwight D. Eisenhower, was sich in Arkansas abspielt.
Er zieht das Kommando über die Nationalgarde an sich und lässt 1.000 Soldaten in Little Rock einrücken.
Zwei Monate lang eskortieren sie die schwarzen Kinder in voller Kampfmontur zur Schule und wieder nach Hause.
Danach endet zwar die Gewalt auf den Straßen, nicht aber der Psycho-Terror gegen die Neun. Trotzdem schließen alle die Highschool erfolgreich ab.
( 3 )


Eisenhower entsandte (auf Bitte des Bürgermeisters) die 101. Luftlandedivision nach Little Rock und unterstellte zugleich die Nationalgarde von Arkansas dem Bundesbefehl.
Am 25. September betraten die Neun von Little Rock in einer weltberühmten Szene unter dem Schutz der Soldaten ihre Schule. Die Luftlandedivision wurde erst im November zu Thanksgiving abgezogen.
( 1 )


"Dem Pöbel darf nicht erlaubt werden, die Entscheidungen unserer Gerichte außer Kraft zu setzen",
sagte der US-Präsident damals in einer Fernsehansprache.
Der Einsatz der Truppen war ein wichtiges Signal für alle Schwarzen in den USA.
"Die Tatsache, dass der Präsident der Vereinigten Staaten seine Armee aussandte -
so etwas hat es bis dahin für afroamerikanische Bürger in diesem Land nicht gegeben",
sagt Ernest Green, der Älteste der "Little Rock Nine", wie die neun Schüler später genannt wurden.
"Erst später realisiert man solche Dinge, es war ein Wendepunkt für die Bürgerrechtsbewegung."
( 5 )


Alle Neun waren bewußt ausgewählt worden.
Sie sollten seelisch stabil sein und beste Noten haben, um den Druck auszuhalten, der auf sie wartete.
Wie fühlt man sich als Teenager, wenn man vor Schulbeginn Fingerabdrücke abgenommen bekommt,
„damit Sie im Falle eines Falles identifizierbar sind“?
Ernest Green sagte 1962:
Man habe im Schulgebäude von der Gefahr kaum etwas mitbekommen.
Ins Gebäude aber kamen die Neun freilich erst Wochen später.
Man habe über das Erlebte schweigen müssen,
denn wenn die Eltern gewusst hätten, was wirklich in der Schule geschah, hätten sie ihre Kinder nicht weiter dorthin gelassen.
„Man hat“, sagte Elizabeth Eckford, „sich jeden Tag zwingen müssen, eine weitere Stunde durchzuhalten.“
( 1 )


Die Schikanen gingen weiter
In die Schule hinein zu kommen war nach dem Eingreifen der Armee kein Problem mehr,
doch das Schlimmste war längst nicht vorbei.
Jeden Tag dachten sich weiße Schüler unglaubliche Gemeinheiten gegen die Neun aus.
Elizabeth Eckford erinnert sich nicht gern:
"Es waren die Schüler, die uns von Klassenzimmer zu Klassenzimmer verfolgten,
Hassbotschaften verteilten, absichtlich auf unsere Fersen traten,
an der Treppe auf uns warteten, um uns hinunter zu stoßen und
uns unter der Dusche verbrühten, indem sie alle Toiletten gleichzeitig spülten.
( 5 )


Der Kampf war damit noch nicht beendet.
Der Elternrat der Stadt protestierte weiter gegen die Integration,
die Schulbehörde nahm ihren Beschluss zur Rassenintegration zurück und
schloss im Sommer 1958 alle drei staatlichen High Schools von Little Rock.
Ein Jahr lang gab es keinen staatlichen Unterricht.
Im Herbst 1959 resignierte die Schulbehörde von Little Rock
und nahm den Unterricht wieder auf.
( 1 )


Die Neun von Little Rock werden 1999 für ihren Mut mit dem höchsten Zivilorden der USA ausgezeichnet. ( 3 )
Vierzig Jahre nach den dramatischen Ereignissen, hat Präsident Clinton sie für den Mut bei der Durchsetzung ihrer Bürgerrechte ausgezeichnet. ( 4 )


Minnijean Brown-Trickey lebte lange als Sozialarbeiterin in Kanada,
bevor Präsident Bill Clinton ihr das Referat Antidiskriminierung im Innenministerium in Washington antrug.
Gloria Ray zog nach Amsterdam,
wurde dort Chefredakteurin eines Magazins für Industriecomputer, erwarb sich in der Branche weltweite Anerkennung,
heiratete einen Schweden, heißt jetzt Gloria Karlmark und lebt als Patentanwältin in Stockholm.
Ernest Green war später in der Führung des Investmenthauses Lehman tätig.
Andere wohnen in Colorado, Ohio, Washington DC, und in Kalifornien.
Von den neun berühmtesten Schulkindern der USA, sechs Mädchen und drei Jungen,
ist nur Elizabeth Eckford nach Little Rock zurückgekehrt.
( 1 )


Heute sind mehr als die Hälfte der Schülerinnen und Schüler der Central High Afro-Amerikaner.
Vor der Schule steht eine Bronzeplastik der Little Rock Nine.
( 4 )


Text zusammengestellt von Heinz Kobald, 26. September 2007


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( 1 ) Die Welt, 4. September 2007, 11:55 Uhr
Wie neun Schüler die Rassentrennung beendeten
Sie waren die ersten Farbigen an einer bisher "rein weißen Schule" In Little Rock.
Von Torsten Krauel

( 2 ) Deutsche Welle - Kalenderblatt
2.9.1957: Nationalgarde gegen schwarze Schüler

( 3 ) Vor 50 Jahren: Rassenkonflikte in Little Rock, Arkansas
Neun gegen den weißen Mob
Demonstration gegen Rassentrennung

( 4 ) Das Kalenderblatt in Bayern2Radio, 24.09.2007
Regierungs-Truppen werden nach Little Rock/Arkansas geschickt (24.09.1957)
Autor: Herbert Becker - Redaktion: Susanne Tölke

( 5 ) Quelle: tagesschau.de
Beginn der Bürgerrechtsbewegung in den USA
"Sie drohten, mich zu lynchen"
Von Petra Leimer, BR-Hörfunkstudio Washingtom


weitere Links:

September, 1997 - The 40th Anniversary of
One of America's Most Important Civil Rights Events

Little Rock, Situationreport, Central High School, No.211. pg.1

HANDELSBLATT, Mittwoch, 29. August 2007, 18:10 Uhr
Fremdenhass - Die neun Aufrechten von Little Rock
Von Markus Ziener

Neue Zürcher Zeitung, 26. September 2007
Ein steiniger Weg seit Little Rock
Rassenintegration unter militärischem Schutz vor 50 Jahren
Vor 50 Jahren setzte Präsident Eisenhower Truppen ein,
um die Rassentrennung im Schulsystem von Little Rock zu beenden.