Der unerträgliche Standpunkt

Heinz Kobald

  
 
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Assia Djebar über
das Schreiben
Assija Djebar








Aus der Rede von Assia DjebarAus der Rede von Assia Djebar

"Im Grunde geht es (...) um einen Vorbehalt,
der weder bedacht noch rational ist,
kurz, um ein "Nein" des Widerstands, das manchmal in einem aufkommt,
bevor der Verstand eine Rechtfertigung dafür gefunden hat.
Ja, dieses dauerhafte innerliche "Nein" (...)
erscheint mir als Fundament meiner Persönlichkeit und meiner literarischen Dauerhaftigkeit. (...)

Beim Schreiben kenne ich nur eine Regel (...):

nämlich zu schreiben,
nur aus Notwendigkeit.
Schreiben als ein Graben in die Tiefe,
als Vordringen ins Dunkle und Ungewisse!
Gegen etwas An- Schreiben,
ein Schreiben im Widerspruch,
in der Auflehnung (...).

Dieses "Gegen" ist zugleich ein "Hin zu", das heißt, ein Schreiben der Annäherung, des Zuhörens, des Bedürfnisses nach Nähe...

Es will menschliche Wärme einfangen, Solidarität, doch dieses Bedürfnis ist zweifellos utopisch,
denn ich stamme aus einer Gesellschaft, wo die Beziehung zwischen Mann und Frau außerhalb der Familie von so viel Härte und Schroffheit geprägt ist, dass es einem die Sprache verschlägt!(...)

Mit oder trotz der so genannt "fremden" Sprache musste ich an mein Land alle Fragen stellen (...)
zu seiner Geschichte, seiner Identität, zu seinen Wunden, seinen Tabus,
zu seinen verborgenen Schätzen und zur kolonialen Enteignung während eines ganzen Jahrhunderts.

Dabei ging es nicht um Protest, nicht um Anschuldigungen. (...)
Es ging lediglich um die Erinnerung, um diese Tätowierungen durch Revolte und Kampf. (...)

Mein Ziel war,
die bleierne Stummheit der algerischen Frauen spürbar zu machen,
die Unsichtbarkeit ihrer Körper,
denn auch sie kehrte zurück,
zusammen mit einer rückschrittlichen, nach außen abgeschotteten Tradition. (...)

Denn die Schrift,
damit meine ich das Geschriebene in jeder Literatur
ebenso wie jede Form von erleuchtendem Sprechen,
teilt die Trauer oder das Verbrechen nicht einfach mit.

Das Geschriebene ist ja keine wortreiche Inschrift auf einer Grabplatte, (...)
Nein, das Schreiben, (...) ist ein Alarmsignal, ein Hilferuf (...). (...)

Es ist die schwebende Zwiesprache mit dem Freund,
auf den die Hacke niederging, in dessen Kopf die Kugel einschlug (...).

Schreiben ist also ein Tanz mit Phantomen, und
solange man selbst lebt, (...)


Assia Djebar

Geboren am 30. Juni 1936 mit dem Namen Fatima-Zohra Imalayène,
algerische Historikerin und Schriftstellerin.
Nach dem Besuch der Koranschule wechselte sie in die französische Grundschule und bestand das Abitur.
Sie studierte als erste Algerierin an der École Normale Supérieure von Sèvres das Fach Geschichte.
Ihren ersten Roman "La Soif" veröffentlichte sie 1957.
In Deutschland erschienen "Die Zweifelnden" im Jahr 1993.

Sie erhielt zahlreiche Professuren an Universitäten.
Neben ihrer schriftstellerischen Tätigkeit drehte sie bis 1982 Filme.
Für ihren 1977 vollendeten Roman "La Nouba des Femmes du Mont Chenoua" erhielt sie 1979 den Internationalen Kritikerpreis auf der Biennale in Venedig.
Der politisch engagierten Autorin wurde 2000 der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verliehen.


Der höchste Lohn für unsere Bemühungen
ist nicht, was wir dafür bekommen,
sondern das, was wir dadurch werden.



Erstellt am 01.07.2007 von Heinz Kobald