Der unerträgliche Standpunkt

Heinz Kobald

  
 
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Deutschland-Begeisterung
am Strand von Warnemünde, Foto: dpa


Deutschland muß nicht "Über Alles über Alles in der Welt" sein


Daß dieser Schatten verschwunden ist, hat es den Deutschen selbst leicht gemacht, so leicht zu sein - und sogar einen Dritten Platz bei der FiFa-WM-2006 wie einen Ersten-Sieg zu feiern.
Und diese Leichtigkeit hat es auch mit sich gebracht, mit den Siegern zu feiern - und nicht in der Schmoll-Ecke zu hocken - mit dem unerfüllten Über-Alles-Anspruch an sich Selbst.

Wirklich mit Freunden zu feiern, sich an ihrem Erfolg mit freuen.

Und die flatternden Fahnen forderten keinen Schwur.
Sie spielten nur die frohen Gedanken in den Wind.
Und für den Fußball selbst ist etwas geschehen.
Er ist auch heraus aus seinem Ersatz-Kriegs-Schauplatz.
In Mittel-Amerika fing sogar einmal ein Krieg wegen eines Fußballspieles an.

Jetzt wird das hoffentlich nicht mehr geschehen müssen.

Vielleicht sollten sich die National-Trainer von Israel und Palästina zusammen setzen.
Nicht deswegen, um das Land aus zu würfeln, sondern einfach für den Frieden in den Menschen zu spielen.
Dann brauchte es nicht mehr so viele Verträge, deren Papier immer wieder in den Flammen verbrennt.

Wer Fußball spielt, kann keinen Panzer lenken, kann kein Gewehr in der Hand halten, kann keinen Hubschrabuer fliegen und ein Sprengstoffgürtel um die Hüften erleichtert das Laufen auf dem Spielfeld auch nicht.
Und Mauern stehen nur noch beim Strafstoß. Und sie bleiben nicht stehen.
Weil das Spiel weiter geht, weil der Ball rollt. Weil alle nur mit einem Ball spielen.

Weil alle Menschen nur auf dieser einen Erde leben können.
Eine andere gibt es nicht.

Warum ich immer wieder nach Palästina zurück kehre?
Weil mich dieser Krieg in diesem Land ganz besonders drückt.
In diesem Teil der Erde ist für mich ein Geheimnis verborgen.
Hier stehen die Wiegen so vieler Religionen.
Es ist eine Schmach für ein "Heiliges Land", wenn in ihm nur Krieg geführt wird, der nie zu enden scheint.
Anstatt in der Stille des Landes Gottes Wort zu hören.
Es kann auch nicht sein, daß dieses Land nur einem Volk gehört.
Warum hat Gott hier diese vielen Religionen den Menschen in die Wiegen gelegt?
Hat JHW nicht selbst die Menschen in ihrer Verschiedenheit erschaffen?
Und die, die daran glauben, daß JHW nur ein bestimmtes Stück Erde für seine Wiederkehr betreten würde?
Vielleicht ist es ja diese Stätte!
Aber mit einem Krieg der Menschen wird sie gewiß nicht für die Rückkehr eines Gottes vorbereitet.

Vielleicht ist auch dieser Krieg nur ein Zeichen für das Harte in unseren Herzen, für das Unnachgiebige, das Uneinsichtige, das Unversöhnliche.

Wenn wir das alles besiegt haben, dann erst haben wir den Frieden gewonnen - Gottes Frieden bei den Menschen möglich gemacht.

Vielleicht war auch diese Weltmeisterschaft nicht nur eine Weltmeisterschaft des Fußballes.
Vielleicht war es auch nur ein kleines Blinzeln - aus einer Lücke in der Mauer um das "Verlorene Paradies".

Etwas Gutes für die Menschen ist bei dieser Meisterschaft ganz gewiß geschehen.
Davon bin ich überzeugt, das haben mir die Bilder gezeigt - auch als Nicht-Fußball-Fan habe ich es gesehen.

Und darum bin ich wohl wieder nach Palästina zurück gegangen, um ein Stück von dieser Veränderung dort hin zu bringen.


14 Tammuz * 10. Juli 2006 © Heinz Kobald


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Quelle: Die Welt, Artikel erschienen am 9. Juli 2006
Eine Wallfahrt zu uns selbst
Die WM-Begeisterung hat viele Deutsche überrascht,
von Steffen Kopetzky


Steffen Kopetzky wurde 1971 in Pfaffenhofen geboren,
wo er heute wieder lebt.
Er ist künstlerischer Leiter der Biennale Bonn.
Zuletzt erschien von ihm das Buch:
"Marokko. Tagebuch einer Reise", btb Verlag, 8,50 Euro