Der unerträgliche Standpunkt

Heinz Kobald

  
 
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Journalismus – seine Aufgaben

Von Ernst Elitz


Jeder Politiker, der sich in der Öffentlichkeit präsentieren muss, ist auf Radio, Fernsehen und Zeitung angewiesen. Die Medien haben ihre eigenen Gesetze dafür, wen sie beachten und wen nicht.

Da zählt die Aufregung mehr als das sachliche Argument.
Mit dem Streit zwischen Personen werden Emotionen eher geweckt als im Streit um die Sache.

Deshalb wird jede Auseinandersetzung zwischen Politikern genüsslich ausgebreitet. Üble Nachrede eingeschlossen. Das befeuert die Stimmungsmaschine.

Der EU-Kommissar Günter Verheugen hat einmal im Spott aufgeschrieben, nach welchen Regeln Politiker am besten eine hohe Medienpräsenz erreichen.

Etwas abgewandelt ist zu sagen:

1. Positive Mitteilungen über die eigene Partei oder die Abgeordnetenkollegen: Desinteresse bei den Medien!

2. Kritik am Einkommen und an den persönlichen Lebensverhältnissen von Kollegen: starkes Interesse der Medien.

3. Wohlwollen und Verständnis für andere: wenig Interesse.

Aber interner Zoff wird immer Schlagzeilen machen.

Nahles gegen Müntefering, Seehofer gegen Merkel, Beckstein gegen Huber, alle gegen Stoiber: das zieht.

Angesichts dieser ständigen Aufregungen, Rücktrittsforderungen und Zänkereien finden weder Politiker noch Journalisten die Ruhe, den Dingen auf den Grund zu gehen und substantielle Lösungsvorschläge auch ohne öffentlichen Druck gegeneinander abzuwägen.

Politiker und Journalisten brauchen einander
wie Wirtstier und Schmarotzer

Im harten Konkurrenzkampf der Medien um Quoten,
Anzeigenkunden und Rendite
ist das Adrenalin aller Beteiligten
der wichtigste Treibstoff für den Erfolg.

Der Glaubwürdigkeit dient das nicht.


Politiker und Journalisten sind längst nicht mehr in dem symbiotischen Verhältnis miteinander verbunden, das die Frühzeit der Bonner Republik bestimmte. Sie stecken nicht mehr unter einer Decke.

Heute lebt der Journalist vom Politiker - wie der Schmarotzer vom Wirtstier.
Politiker sind längst keine Respektspersonen mehr.

Es wird eine Stimmung des Neids geschaffen – Stichwort "Reichensteuer" -, und kein Vorurteil ist zu platt, um es nicht gegen andere ins Feld zu führen - Thema “Politiker als Abzocker“.
Im Machtspiel zwischen Medien und Politik sind Politiker meist Verlierer und Journalisten die Profiteure. Denn Skandale - wirkliche oder eingebildete - schaffen Schlagzeilen, Schlagzeilen machen Auflage, Auflage sichert den Arbeitsplatz.

Politiker werden von Journalisten gebraucht und benutzt und nicht umgekehrt.

Den höchsten Gebrauchswert für die Medien hat, wer sich geschickt inszeniert - wie der frühere Medienprofi Gerhard Schröder, der bei seiner standesamtlichen Hochzeit mit seiner Ehemaligen Hiltrud erst den Sekt und dann die Ringe vergaß und den Medien damit gleich einen Doppelgag bot.
Mit Aktenfresserei, Detailwissen, lähmenden Ausschusssitzungen und dem Entwirren eines kafkaesken Paragraphengeflechts lässt sich in den Medien kein Blumentopf und wenig Anerkennung gewinnen.
Wer sich dabei bis zum Herzinfarkt aufreibt, steigert seine Beliebtheitskurve beim Wähler nicht.

Der gesellschaftspolitische Auftrag der Medien lautet:
informieren, erklären und aufklären,
um damit dem Bürger ein selbstständiges Urteil
über das politische Geschehen zu ermöglichen.

Aber häufig ist dort, wo Politik draufsteht, nicht viel Politik drin.


Jede erfolgreiche Talkshow ist nach dem Prinzip der Fernsehserie 1 gestrickt.Es treten immer dieselben Personen auf.

Das Publikum beobachtet gespannt, welche Gruppendynamik sich zwischen den Darstellern entwickelt:

Wer ist heute besser drauf ? Wer gibt dem anderen eine mit?
Wer hat die witzigste Formulierung parat?

Der Zuschauer achtet auf die Krawatten, auf die Sympathie, die der Einzelne ausstrahlt, ob kleine Gags eingebaut werden, wie der von Guido Westerwelle mit der Schuhsohle "18 Prozent". Der Schuh ist heute im Schuhmuseum in Hauenstein in der Pfalz zu besichtigen. Manchmal werden Nebenrollen besetzt - wie durch den Friseur der Moderatorin. Demnächst wird jemand seinen Taxifahrer mit ins Studio bringen.

Ab und zu fällt ein Darsteller raus - wie in einer richtigen Fernsehserie.
Erinnern wir uns an den damaligen Verteidigungsminister Rudolf Scharping nach seinem vielbeachteten Auftritt im mallorquinischen Pool oder den inzwischen schon wieder vergessenen CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer.

Haben die Medien nicht die Aufgabe, die Deutschen zu besseren Menschen zu erziehen?

Ich fürchte, was Generationen von Pastoren und Pädagogen und
auch Karl Marx nicht gelungen ist,
den besseren Menschen zu schaffen,
das wird selbst wohlmeinenden Journalisten
nicht gelingen.

Medien sind auch eine Stimmungsmaschine.


Und so werden auf dem Medienmarkt Vorbilder vornehmlich nach ihrem Unterhaltungsfaktor bewertet.

Engagierte Zeitgenossen
dürfen die Bequemlichkeit nicht allzu sehr stören.


Quelle: chrismon 01/2006, Seite 34, DOPPELPUNKT
Wer überlebt im Medien-Dschungel-Camp?
Etwa nur, wer die Kunst des Skandals beherrscht?
Von Ernst Elitz

ERNST ELITZ

Jahrgang 1941, machte sich als politischer Journalist vor allem durch seine Sozialkritik und Medienanalysen einen Namen.
Seit 1994 ist er Intendant von Deutschlandfunk und Deutschlandradio Kultur.
Er lehrt an der Freien Universität Berlin Kultur- und Medienmanagement.