Der unerträgliche Standpunkt

Heinz Kobald

  
 
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Der Vorwurf des Antisemitismus
celebrating antisemitism

Celebrating Antisemitism





Helen Thomas war "unbequem" geworden


Von dem ursprünglichen Artikel in der FAZ mit dem Zitat von Helen Thomas ist noch der Link und das Foto geblieben.
Der ursprünglich kurze Text wurde geändert und das Zitat völlig aus dem Text heraus gelassen.

Was jedoch trotzdem nicht getan wurde, dieses Zitat völlig untergehen zu lassen.
Es blieb allerdings in einem anderen Meinungsrahmen erhalten, ohne den es vermutlich nicht bestehen bleiben durfte.
Es wurde über das Zitat das Fangnetz des Antisemitismus geworfen. Was bei der Stärke dieser Frau eine lange Vorbereitungszeit erforderte.

Zitat:
»Für viele Präsidenten - von John F. Kennedy bis Barack Obama - hatte sie Fragen parat,
auf die nicht jeder gern eine Antwort gab.
Aber keiner wagte es, die Frau zu überhören, die oft mehr wissen wollte,
als die Herren des Weißen Hauses zu verraten gedachten.«
( 1 )

Zitat:
»Über viele Jahrzehnte im Pressekorps des Weißen Hauses tätig,
markierte sie als Doyenne von ihrem Stammplatz in der ersten Reihe das Ende
einer jeden präsidialen Pressekonferenz mit einem energisch artikulierten
"Thank you, Mr. President".
Traditionell war sie auch für die erste Frage zuständig,
und so hielt sich der Newcomer Obama bei seinem Einstand nicht nur an diese Regel,
sondern versicherte der damals schon Achtundachtzigjährigen:
"Helen, ich bin ganz nervös. Das jetzt ist mein Initiationsmoment."
Mit Nachsicht durfte er in der Tat so wenig rechnen wie seine Vorgänger.«
( 1 )

Wer die Ausführungen der Journalisten Mejias (2013) und Rüb (2010) mit Aufmerksamkeit nebeneinander betrachtet wird punktuellen Widersprüchen begegnen.

Der Artikel von Matthias Rüb ( 09. 06. 2010 ), in dem das Zitat von Helen Thomas enthalten ist, beginnt schon mit der Einstimmung auf den Antisemitismus von Helen Thomas. Der wird jedoch selbst in Lesermeinungen als nicht erwiesen angesehen. Trotzdem entfaltet die Vermutung ihre Wirkung.

Zitat:
»Antisemitischer Ausfall - Ende einer Reporterlegende
Jahrzehntelang saß sie im Pressesaal des Weißen Hauses in der ersten Reihe,
direkt vor dem Präsidenten.
Jetzt wird der Platz von Helen Thomas neu besetzt
- wegen eines antisemitischen Affronts.«
( 2 )

Während in dem Artikel von Matthias Rüb ( 09. 06. 2010 ) der Verdacht des Antisemitismus über das Zitat gebreitet wird, fehlen in dem aktuellen von Jordan Mejias ( 21.07.2013 ) alle Anspielungen auf Antisemitismus. Denn der eindeutige Beweis für einen Antisemitismus bei Helen Thomas ist nicht angetreten worden. Er wurde von Matthias Rüb ( 09. 06. 2010 ) auch nur als Vermutung ausgesprochen, was jedoch schon für ihre Verurteilung genügte.

Zitat:
»Über Helen Thomas linke Überzeugungen,
über ihre proarabische und antiisraelische,
wahrscheinlich auch antisemitische Einstellung
konnte es seit langem keinen Zweifel geben:
Sie hat sie in Pressekonferenzen immer und immer wieder geäußert.«
( 2 )

Eine "linke Überzeugung" im Zusammenhang mit "proarabisch und antiisraelisch" klingt ebenso schon als eine gerechtfertigte Verurteilung.
Diese Anprangerung einer linken Überzeugung erinnert an die Kommunistenjagd in den USA, vor deren Tribunal sogar ein Berthold Brecht erscheinen mußte.
Wobei "links" und "proarabisch" noch Leichtgewichte sind. Ein Schwergewicht ist "antiisraelisch", denn diese Einstellung ist gegen den Staat Israel gerichtet. Alles ohne Differenzierung der einzelnen Bedeutungen zusammen zu werfen, ist die Absicht dieser Neurolinguistischen Programmierung ( NLP ), die jede verfolgte Äußerung als Gegnerschaft zum Staat Israel hervorheben will. Darum ist "links" und "proarabisch" gleichzusetzen mit "antiisraelisch".
Ziel der Neurolinguistischen Programmierung ( NLP ) ist es, in einem Gespräch das Gegenüber für die eigene Meinung zu gewinnen. Ihre Methoden werden naturgemäß auch mißbräuchlich verwendet.
Links behält nicht mehr die Bedeutung von aufgeklärt, sondern wird zu voreingenommen.
Proarabisch verändert sich von einer Bewunderung der Geschichte und Kultur Arabiens in eine Gegnerschaft zum Staat Israel.
Darum ist naturgemäß eine "antisemitische Einstellung" nicht weit entfernt von "links" und "proarabisch", sondern geradezu eine zwingende Logik, wenn sie gleichwohl noch in der "Wahrscheinlichkeit" stecken bleibt.

Zudem werfen einige Umstände durchaus kein Licht der völligen Harmlosigkeit auf den Rabbi,
der sie mit einer laufenden Kamera zu dem Thema Palästina befragte.
Besonders die auffallenden Feststellungen
"nicht mit einer Fangfrage aufgelauert und sie auch nicht mit versteckter Kamera gefilmt"?
Das sind durchaus keine üblich notwendigen Bewertungen eines Verhaltens. Sie tragen gewiß eine Absicht in sich.

Zitat:
»Rabbi Nesenoff hatte Helen Thomas nicht mit einer Fangfrage aufgelauert
und sie auch nicht mit versteckter Kamera gefilmt;
er hatte sich ihr vielmehr sozusagen amtlich vorgestellt
– die Gruppe von Rabbis war zu einer Feier jüdischen Erbes ins Weiße Haus eingeladen –,
und er hielt auch seine Videokamera erkennbar für Helen Thomas auf sie gerichtet,
als diese Nesenoffs Frage nach ihrer Ansicht zu Israel beantwortete.«
( 2 )

Zum einen mußte Rabbi Nesenoff die Meinung von Helen Thomas zu dem Verhalten der Regierungen von Israel in Palästina hinreichend bekannt gewesen sein.
"Über Helen Thomas linke Überzeugungen, ( ... ) konnte es seit langem keinen Zweifel geben:
Sie hat sie in Pressekonferenzen immer und immer wieder geäußert."

- und zum anderen, wozu wollte er ihre Antwort unbedingt als Video dokumentieren?
Fragen, für deren Beantwortung es sich durchaus lohnt, sich auf die Spuren des Geschehens zu setzen. Weil die Tatsache, daß der Rabbi einen Video-Blog unterhielt, eben diesen Anstoß zu dieser Überlegung auslöst.

Nicht zuletzt verdient die Schlußbemerkung von Jordan Mejias ( 21.07.2013 ) eine besondere Aufmerksamkeit.

Zitat:
»Mit einem Eklat ging sie schließlich in den Ruhestand,
nachdem eine dumme Bemerkung zum Nahost-Konflikt sie in Bedrängnis gebracht hatte.
Es war die unbedachte Antwort einer Frau,
die sich sicher war,
dass es keine unverschämten Fragen gebe.«
( 1 )

Was war dieser so klugen Frau da plötzlich geschehen?
Das mit erstarrter Überheblichkeit oder gar Altersdemenz zu krönen, ist schlicht infam.
Diese Beurteilungen sind in Lesermeinungen enthalten.
Dieses Instrumentarium klingt nach "Gezielter Tötung". Helen Thomas muß plötzlich angreifbar geworden sein.

Für diesen gezielten Vorwurf des Antisemitismus bei einer Meinungsäußerung über den sogenannten Nahostkonflikt ist es stets hilfreich, das Geltende Völkerrecht zu verschweigen.
Jeder Kritik an den Handlungen einer Regierung in Israel, die gegen dieses Geltende Völkerrecht verstoßen, kann so ungehindert das Etikett des Antisemitismus aufgedrückt werden.
Wie sollte es auch anders sein, wenn etwas gegen den Staat Israel vorgebracht wird, der einzigen Demokratie im Mittleren Osten?

Diese Lobby-Arbeit, das Geltende Völkerrecht aus dem Bewußtsein der Öffentlichkeit zu verdrängen, gegen das alle Regierungen in Israel nicht erst seit 1967 verstoßen, ist äußerst erfolgreich. Sie wurde ganz besonders von Ariel Sharon gefördert, der 2001 deutlich sagte, Israel werde die IV. Genfer Konvention nicht für die Bevölkerung in den besetzten Gebieten befolgen. Er erhob den Vorwurf des Antisemitismus zum wichtigsten Argument gegen jede Kritik an einer Regierung in Israel für ihr Handeln in Palästina.
Durch das Verdrängen des Völkerrechts aus den öffentlich geführten Gesprächen wird jede Sachlichkeit aus den Argumenten von Anfang an verdrängt. Siehe Mißbrauch der NLP.
Der Vorwurf des Antisemitismus kann somit selbstgerecht zelebriert werden, und das vermeintliche Opfer wird im Triumphzug vorgeführt.

Es ist jedoch kaum vorstellbar, daß alle hier Beteiligten, angefangen von Helen Thomas über den Rabbi Nesenoff bis zu den beiden Journalisten Rüb und Mejias in der FAZ keine Kenntnisse über die anhaltenden Verstöße durch jede Regierung in Israel gegen die Genfer Konvention haben oder gehabt hätten.

Darum ist das Zitat von Helen Thomas mit der Aufforderung "raus aus Palästina" auch nur so zu verstehen, sie hat dabei an das völkerrechtswidrig besetzte Staatsland der Palästinenser gedacht, das durch die Aufteilung des Britischen Mandats Palästina durch UN 181 entstanden ist.

Gerade hier wird die entscheidende Weiche gestellt.
Nach dem Verlauf des Geschehens kann davon ausgegangen werden, Rabbi Nesenoff ist auf die Forderungen und Verpflichtungen des Völkerrechts für Israel gewiss nicht eingegangen.
Hier ist an erster Stelle das Verbot der Besiedlung durch die Besatzungsmacht in Artikel 49 der IV. Genfer Konvention zu nennen.
Es verspricht mehr Erfolg gegen die "unbequem" gewordene Helen Thomas, sie mit dem Fluch des Antisemitismus zu belegen.

Darum wird das Völkerrecht bewußt nicht in den Meinungsaustausch aufgenommen, weil dadurch der Vorwurf des Antisemitismus keinen Nährboden mehr fände.
Diesen Mangel an Völkerrecht muß ich zu meinem Bedauern auch der Redaktion der FAZ ankreiden.

Es verläuft viel ungestörter, durch den Vorwurf des Antisemitismus, die Emotionen wieder aus der Schublade heraus zu holen, um die Gemüter zu erhitzen und gleichzeitig zu verwirren und mit dem Spiel des ungeprüften Vorwurfs jede Sachlichkeit in den Argumenten umzukippen.
Kein gebildeter Mensch will ein Antisemit sein.
Doch der unbegründete Vorwurf des Antisemitismus versetzt den so Beschuldigten in einen unbewußt wirkenden Zustand des Schuldigen. Dagegen versucht er aufrichtig, sich zu verteidigen, und gerät unweigerlich ins Straucheln, weil der Angriff aus einem vernebelten Gefechtsfeld erfolgt.
Deswegen ist es auch nicht notwendig, zwischen dem Staat Israel und seiner Besetzung des Staatsgebietes der Palästinenser zu unterscheiden. Es geht ja doch nur um die Vertreibung der Juden, und das ist die instrumentalisierte Wiederholung in der Geschichte dieses Volkes. Wobei es ihm nicht gelingt, seine Auserwähltheit aus Biblischen Zeiten in der Gegenwart der Neuzeit zu rechtfertigen.
Darum erscheint es aber wichtig, zwischen dem älteren - in einer eingeschränkten Bedeutung verwendeten - Begriff des Antisemitismus und dem jüngeren Zionismus zu unterscheiden. Zwischen diese gewaltigen Mühlsteine muß Helen Thomas geraten sein, die sie in einem unaufmerksamen Augenblick an einem Rockzipfel erwischt und unbarmherzig zwischen sich zerrieben haben.


22 Aw 5773 © Chaim Wichtelmann
29. Juli 2013 © Heinz Kobald


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( 1 ) FAZ, 21.07.2013
Zum Tod der Journalistin Helen Thomas "Thank you, Mr. President!"
Ihr energisch artikulierter Dank schloss -
eine ihrer Frage - eröffnete jede Pressekonferenz im Weißen Haus.
Im Alter von 92 Jahren ist Helen Thomas,
Doyenne der politischen Korrespondenten in Washington, gestorben.
Von Jordan Mejias

( 2 ) FAZ, 09.06.2010
Antisemitischer Ausfall Ende einer Reporterlegende
Jahrzehntelang saß sie im Pressesaal des Weißen Hauses in der ersten Reihe,
direkt vor dem Präsidenten.
Jetzt wird der Platz von Helen Thomas neu besetzt
- wegen eines antisemitischen Affronts.
Von Matthias Rüb, Washington